Trittbrettfahrer? Soziales Faulenzen erkennen und verhindern

Das Team arbeitet Vollgas aber ein Mitglied hat „die Handbremse“ angezogen? Du arbeitest hart – aber jemand anderes erntet die Früchte Deiner Anstrengung? Sie sind wie eine schlimme Krankheit in Teams: Soziales Faulenzen und Trittbrettfahrer. Erst langsam und unscheinbar, dann immer gravierender weitet sich das Trittbrettfahrerproblem in Gruppen aus. Ungerechtigkeitsgefühle entstehen, die Motivation und der Zusammenhalt im Team brechen zusammen, Teammitglieder werden zu Einzelkämpfern. Wie kann man den Trittbrettfahrer-Effekt und soziales Faulenzen verhindern?
Das Kapitel gibt eine Definition für das Trittbrettfahrerproblem und zeigt wie man Trittbrettfahrer erkennen und identifizieren kann. Und es beschreibt die wirksamsten Maßnahmen, die soziales Faulenzen und Trittbrettfahrer verhindern.

Trittbrettfahrer? Soziales Faulenzen ist eine der großen Gefahren für erfolgreiche Teamarbeit

Autor: Diplompsychologe Professor Dr. Florian Becker

Was ist ein Trittbrettfahrer? Definition

Trittbrettfahrer – was bedeutet das? Das Wort Trittbrettfahren bezeichnet ursprünglich Personen, die sich außen an den alten Straßenbahnen festhielten, um umsonst mitzufahren. Die Bedeutung von Trittbrettfahren hat sich weiterentwickelt. Soziales Trittbrettfahren definiert mittlerweile Personen, die ihre Anstrengung in Gruppen bewusst reduzieren und passiv die Früchte der Arbeit anderer in der Gruppe genießen. Was ist ein Trittbrettfahrer? Hier die Definition von Trittbrettfahrer.

Soziales Trittbrettfahren (free riding) fasst Verhaltensweisen zusammen, die Personen in sozialen Gruppen bewusst dazu einsetzen, um mit möglichst wenig eigener Leistung (Kosten) möglichst viele Vorteile (Nutzen) zu bekommen.

Soziales Trittbrettfahren ist also definiert als ein bewusstes Verhalten. In gewissem Umfang ist die Tendenz dazu auch normal. Kaum jemand will viel investieren, um wenig zu bekommen. Ein wirkliches Trittbrettfahrerproblem wird es dann, wenn das Verhältnis von Input und Output sehr asymmetrisch ist, jemand die anderen Menschen in seinem Umfeld ausnutzt. Von Trittbrettfahren sprechen wir also nur dann, wenn der Input, den jemand beiträgt, sehr gering im Vergleich zum Output ist, den die Person aus dem sozialen System zieht.

Vom sozialen Trittbrettfahren abzugrenzen ist das soziale Faulenzen (social loafing). Hier die Definition für soziales Faulenzen:

Soziales Faulenzen (social loafing) ist das Verringern der Leistung von Personen durch Motivationsverlust, sobald sie in einer Gruppe mit anderen zusammen an einer gemeinsamen Aufgabe arbeiten.

Soziales Faulenzen ist also anders definiert als soziales Trittbrettfahren (Karau und Wilhau, 2020). Es ist eine Reduktion der Leistung durch Motivationsverlust, sobald andere Personen bei einer Aufgabe beteiligt sind. Diese Reduktion muss nicht bewusst passieren. Sie kann z.B. auch über unbewusste Anstrengungsreduktion oder demotivierende Ausstrahlung anderer im Team entstehen. Trittbrettfahrer sind also eine besondere Art der sozialen Faulenzer – eine Art, die sich ganz bewusst für dieses Verhalten entschieden hat.

Schon ein Trittbrettfahrer im Team hat desaströs Auswirkungen, wie der nächste Abschnitt zeigt.

Trittbrettfahrerproblem bzw. Trittbrettfahrer-Effekt

Was ist das Trittbrettfahrerproblem? Kurz gesagt die Tatsache: Niemand will der Dumme sein. Soziales Trittbrettfahren ist deshalb nicht nur wichtig, weil ein einzelnes Teammitglied weniger leistet. Für die Praxis besonders relevant ist zusätzlich, dass soziales Faulenzen Ansteckungseffekte hat, als Teufelskreis wirkt (Kerr, 1983). Sobald andere Personen erkennen oder auch nur vermuten, dass sich jemand im Team bewusst nicht anstrengt, beeinträchtigt das die Zufriedenheit und den Zusammenhalt (Peñarroja, Orengo und Zornoza, 2017) und diese anderen reduzieren dann ebenfalls ihre Leistung. Nochmal: Andere Teammitglieder reduzieren ihre Leistung in Reaktion auf Personen, die sie für Trittbrettfahrer halten, um sich nicht ausbeuten zu lassen. Das Leistungsproblem einzelner Trittbrettfahrer weitet sich also aus, wie eine ansteckende Krankheit. Man bezeichnet diesen Trittbrettfahrer-Effekt auch als „Sucker-Effect“ oder „Gimpel-Effekt“.

Und der Trittbrettfahrer-Effekt ist noch schlimmer: Betroffene Mitarbeiter entwicklen Rachegefühle – gegenüber den Trittbrettfahrern aber auch gegenüber der Organisation, die aus ihrer Sicht dieses Verhalten „zulässt“. Und es bleibt nicht bei den Rachegefühlen. Betroffene Mitarbeiter reagieren indem sie selbst Verhalten ausüben, das der Organisation schadet (Hung, Chi und Lu, 2009). Im Extremfall lassen Teammitglieder ein Projekt lieber scheitern, als sich ausnutzen zu lassen und als „die Dummen“ zu fühlen.

Hier die Definition von Trittbrettfahrerproblem:

Das Trittbrettfahrerproblem ist eine Reaktion von Gruppenmitgliedern, wenn sie Trittbrettfahrerverhalten bei anderen in der Gruppe wahrnehmen. Diese Reaktion beinhaltet Leistungsreduktion, Rachegefühle und Verhalten, um den aus ihrer Sicht verantwortlichen zu schaden.

Es handelt sich als im wahrsten Sinne des Wortes um ein Trittbrettfahrerproblem. Ein Problem für das gesamte Team, ganze Organisationen, ja sogar die Gesellschaft an sich. Und die Herausforderung nimmt zukünftig noch weiter zu: Die Verbreitung digitaler Zusammenarbeit und virtueller Teams führt zu einer wachsenden Dehumanisieurung der anderen Teammitglieder. Man sieht sie weniger als Menschen „aus Fleisch und Blut“ – und die Konsequenz ist eine geringere Hemmung diese digitalen Kollegen auszubeuten und soziales Trittbrettfahren zu zeigen (Alnuaimi, Robert und Maruping, 2010).

Diese Zusammenhänge lassen nur einen Schluss zu: Trittbrettfahren sollte am besten von Anfang an ganz verhindert werden. Wenn es doch auftritt sollte es so schnell wie möglich erkannt und wie ein Feuer sofort „ausgetreten“ werden. Wegen der desaströsen Auswirkungen gilt es, das Problem möglichst professionell zu verhindern. Teams und Teamführungskräfte brauchen dafür folgende Kompetenzen:

  • das Trittbrettfahrerproblem verstehen (Expertise)
  • soziales Trittbrettfahren verhindern (Prävention)
  • Trittbrettfahrer (-verhalten) frühzeitig und sensibel erkennen (Diagnose)
  • das Trittbrettfahrerproblem lösen (Intervention)

Dieser Beitrag zeigt wie das gelingt.

Beispiele für Trittbrettfahrer

Nach der Definition zu konkreten Beispielen für Trittbrettfahrer und soziales Faulenzen.

Zuerst ein Beispiel für soziales Trittbrettfahren: Eine attraktive Studentin sucht sich bewusst eine Projektgruppe mit gutmütigen kompetenten Studenten. Sie hat ein Gespür dafür entwickelt, wer (zumindest für eine Weile) umsonst für sie arbeiten würde. Die Studenten sind froh, mit der attraktiven Studentin Kontakt zu haben. Sie erledigen die Arbeit gut und gewissenhaft als „Gentlemen“. Die Studentin profitiert anschließend von der guten Bewertung ohne viel eigenes Investment. Das Verhalten der Studentin ist deshalb ein Beispiel für das Trittbrettfahrerproblem in Teams, weil sie das Verhalten bewusst ausübt, um den eigenen Beitrag zur Arbeit zu minimieren und gleichzeitig maximal von der Arbeit der anderen zu profitieren.

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Als nächstes ein Beispiel für soziales Faulenzen: Ein Projektteam soll eine Website für einen Lehrstuhl an einer Universität erstellen. Anstatt gleich systematisch anzufangen, Ziele und Zielgruppen zu definieren, eine Bezeichnung und eine Struktur zu überlegen, herrscht eine Phase von Passivität. Keiner fühlt sich zentral verantwortlich, alle warten darauf, dass jemand anderes loslegt, die Initiative ergreift. Die Motivation und Leistung der einzelnen Individuen ist wesentlich geringer, als wären sie alleine für klare Rollen zuständig und verantwortlich. Die Gruppe ist wie gelähmt, es besteht ein durch die Situation hervorgerufener Motivationsverlust bei den einzelnen Mitgliedern.

Perspektive: Trittbrettfahrer-Beispiel? Abgrenzung schwer
Die Beispiele machen auch klar, dass es fließende Übergänge zwischen bewusstem Trittbrettfahren und geringer Produktivität aus anderen Gründen gibt. So mag es ja sein, dass jemand nicht weiß, was er tun soll, bestimmte Kompetenzen nicht hat oder wesentliche Informationen nicht verfügbar hat. Vielleicht hat die Person es auch gar nicht bewusst dazu kommen lassen. Man könnte also sagen: „Ja, die Person leistet nichts in der Gruppe. Aber dafür kann sie ja nichts!“ Auf der anderen Seite kann man die Frage stellen: „Wieso kümmert sie sich nicht darum, dass sie eine klare Rolle hat? Wieso hat sie ihre Kompetenzen nicht rechtzeitig entwickelt? Wieso hat sie sich kaum vorbereitet? Wieso ist sie so passiv?“ Die Abgrenzung ist nicht einfach und zeigt sich auch im Großen an politischen Debatten rund um den Sozialstaat. Wo einige Personen gänzlich unverschuldet ohne Schulabschluss, arbeitslos, alleinerziehend und mit zu hoher Miete sehen, stellen andere kritische Fragen zu den persönlichen Entscheidungen: „Warum saß die Person mit der Flasche Bier an der Isar, während die anderen für die Schule lernen? Warum hat die Person in Zeiten moderner Verhütungsmethoden Kinder mit schlechten Partnern gezeugt ohne eigene finanzielle Leistungsfähigkeit? Wieso hat sich jemand nicht um seinen Marktwert als Arbeitnehmer bemüht? Warum blieb eine Person passiv und unambitioniert? Und wieso soll ich das alles auf Kosten meiner eigenen Kinder bezahlen?“

Weiter geht es mit Studien zum Thema soziales Faulenzen.

Soziales Faulenzen: Experimente zum Ringelmann-Effekt

Die Psychologie hat sich seit langem mit Experimenten zum sozialen Faulenzen befasst. Es gibt zahlreiche Studien und Analysen. Dabei ist das Schlagwort Ringelmann-Effekt entstanden. Hier ein kurzer Überblick zum Kenntnisstand.

Vor über 100 Jahren untersuchte Maximilien Ringelmann Leistungsveränderungen von Individuen, wenn sie anstelle von alleine gemeinsam mit anderen in Gruppen arbeiteten (Ringelmann, 1913). Unter anderem ließ er Personen an einem Tau ziehen und erhob, wie viel Kilogramm Zugkraft sie entfalteten. Dann beobachtete er, was passierte, wenn die selben Personen anstelle von alleine gemeinsam an einem Tau zogen. Hier zeigte sich, dass die Gruppenleistung immer unter der Summe der Einzelleistungen lag. Und er stellte fest, dass die Leistungsverringerung mit steigender Größe der Gruppe sogar zunahm. So zog eine Einzelperson im Schnitt 68kg, drei Personen im Schnitt 160kg (anstelle der zu erwartenden 204kg) und acht Personen 248kg anstelle von 544kg, die zu erwarten wären, wenn man die Einzelleistungen als Maßstab nimmt (Latané, Williams und Harkins, 1979). Diese Leistungsverringerung im Vergleich zur Einzelleistung bezeichnet man als Ringelmann-Effekt. Auch hier die Definition:

Der Ringelmann-Effekt ist das Verringern der Leistung von Personen, sobald sie in einer Gruppe mit anderen an einer gemeinsamen Aufgabe arbeiten.

Der Ringelmann-Effekt ist nach dieser Definition am breitesten definiert. Er schließt damit soziales Faulenzen und Trittbrettfahren mit ein. Das zeigt die Abbildung.

soziales Trittbrettfahren definiert
Trittbrettfahrer: Definition und Bedeutung

Es geht beim Ringelmann Effekt um Leistungsverlust in Teams, egal aus welcher Ursache. Er beinhaltet damit sowohl Koordinationsverluste, Konflikte, bewusstes Trittbrettfahren oder unbewusste Motivationsverluste.

Beispiel: Der Ringelmann-Effekt
Auch hier ein Beispiel für den Ringelmann-Effekt: Wir greifen wieder das Beispiel von oben auf, das Team das eine Website für einen Lehrstuhl an einer Universität erstellen soll. Was passiert nach der Phase der Passivität? Zunächst beginnen endlose Diskussionen. Schließlich arbeiten mehrere Subgruppen getrennt darauf los, ohne sich miteinander abzustimmen. Einzelne Personen beteiligen sich kaum an der Gruppenarbeit. Einige nicht, weil sie nicht möchten, sondern einfach deswegen, weil sie nicht recht wissen, wo sie wie nützlich sein können. Andere machen deshalb nicht mit, weil sie denken, dass andere, die das besser können, sich darum kümmern. Nach ein paar Monaten ist nichts brauchbares aus dem Projekt entstanden und einzelne Personen verlassen frustriert das Team. Dies ist ein Beispiel für den Ringelmann-Effekt, weil die Leistung der einzelnen Personen in der Gruppe aus verschiedensten Ursachen einbricht. Motivationsverluste, mangelnde Koordination, unklare Rollen und Ziele wirken zusammen und fördern sich gegenseitig. Es entsteht eine negative Gruppendynamik, die Leistung der einzelnen Teammitglieder bricht ein.

Die Ergebnisse von Ringelmann wurden vielfach repliziert. Mangelnde Koordination konnte als alleinige Ursache ausgeschlossen werden (Ingham et al., 1974). Wie konnten die Forscher das zeigen? Sie sorgten dafür, dass Personen nur glaubten, mit anderen zusammen an einem Tau zu ziehen – tatsächlich aber alleine zogen. Mangelnde Koordination und Abstimmungsprobleme konnten so also gar nicht existieren. Dennoch ging die individuelle Leistung nach unten. Gleiches zeigten spätere Studien mit geistigen Tätigkeiten (Harcum und Badura, 1990). Fazit: Offenbar reicht die vermutete Anwesenheit von anderen, die mitarbeiten, dass die meisten Personen automatisch und unbewusst ihre Anstrengung reduzieren. Dafür wurde der Begriff soziales Faulenzen eingeführt – social loafing (Latané, Williams und Harkins, 1979).

Die von Ingham beschriebenen Effekte des sozialen Faulenzens zeigten sich auch bei gänzlich anderen Aufgaben, wie etwa der Lautstärke beim Jubeln und Klatschen. Sie treten auf bei geistigen Tätigkeiten ebenso wie bei körperlichen Aktivitäten (Karau und Williams, 1993). Zudem konnten Studien ausschließen, dass die Menschen deshalb alleine mehr leisteten, nur weil sie sich durch zufällig bei den Experimenten anwesende andere Personen beobachtet fühlten (Latané, Williams und Harkins, 1979).

Der Ringelmann-Effekt, soziales Faulenzen und bewusstes Trittbrettfahren sind also weit verbreitete und typische Herausforderungen bei der Teamarbeit. Wie kann man Trittbrettfahrer erkennen und soziales Faulenzen verhindern?

Trittbrettfahrerverhalten erkennen

Wie kann man Trittbrettfahrerverhalten erkennen? Das Trittbrettfahrerproblem ist massiv, die Schäden für Teams, Organisationen und die Gesellschaft sind weitreichend. Daher besteht Bedarf, möglichst früh Trittbrettfahrer erkennen zu können.

Forschungsbeispiel: Merkmale von Trittbrettfahrern
Gibt es Anhaltspunkte, die eine Art „Rasterfahndung“ ermöglichen, die uns Hinweise geben, wer eher dazu neigt, ein Trittbrettfahrer zu werden? Ja, die gibt es (Karau und Williams, 1993). Und sie helfen uns als grobe Orientierung Teams aus Menschen aufzubauen, die eine geringere Vulnerabilität für Trittbrettfahrerverhalten haben. Mit höherer Wahrscheinlichkeit entsteht soziales Faulenzen bei Menschen mit diesen Merkmalen:

  • männlich. Frauen sind weniger anfällig für soziales Faulenzen in Teams. Männer bringen offenbar lieber „ihr Ding“ voran, als etwas für alle in einem Team zu tun.
  • aus individualistischen Kulturen. Kulturen in denen der einzelne und sein Ego im Mittelpunkt stehen (z.B. USA) zeigen eine größere Empfänglichkeit für soziales Faulenzen. In kollektivistischen Kulturen (z.B. China) ist es für Menschen sehr unangenehm, wenn sie nicht als wertvoller Teil der Gemeinschaft wahrgenommen werden. Es droht ihnen dann ein sozialer Gesichtsverlust und Schande
  • geringe soziale Anschlussmotivation. Menschen, denen Zughörigkeit zu einer Gruppe unwichtig ist, sind anfälliger für soziales Faulenzen.
  • geringe intrinsische Motivation. Personen, die nicht wirklich an einer Aufgabe interessiert sind und wenig Freude daran haben, neigen im Team zum Trittbrettfahren. So lange sie alleine arbeiten und klare Belohnungen wie Anerkennung oder variables Gehalt bekommen, funktioniert es vielleicht noch. Im Team bricht das Interesse und Engagement dann ein, wenn diese äußeren Motivatoren und Transparenz über die Leistung wegfallen.
  • wenig Interesse an Teamarbeit. Wenig verwunderlich neigen Personen, die ungerne in Teams arbeiten, mehr zum Trittbrettfahrerproblem (Stark, Shaw und Duffy, 2007). Teams und Führungskräfte sollten also eine wirklich freie Wahl ermöglichen, um zu verhindern, dass Mitarbeiter aus Mangel an Alternativen zur Teamarbeit „genötigt“ sind. Der verbreitete und falsche Glaube „Jeder möchte in einem Team arbeiten!“ ist hier für viele Mitarbeiter zum Problem geworden.
  • nicht gewissenhaft. Eines der wichtigsten Persönlichkeitsmerkmale für Teammitglieder ist Gewissenhaftigkeit. Gewissenhafte Teammitglieder planen sorgfältig, fangen pünktlich mit ihren Arbeitsaufgaben an und erledigen diese wie besprochen. Bei ihnen ist soziales Trittbrettfahren wesentlich weniger ausgeprägt (Tan und Tan, 2008).
  • niedrige Belastbarkeit und Erschöpfung. Personen, die sich nicht vernünftig von Anstrengung regenerieren, wenig belastbar sind und schnell erschöpft fühlen, reduzieren ihre Leistung im Team auf Kosten anderer, um sich zu schonen (Hoeksema-van Orden, 1998; Bluhm, 2009).

Fazit: Die genannten Merkmale können eine Orientierung geben, um Trittbrettfahren einzuschränken und entsprechend sensibel zu sein, wo das Risiko dafür hoch ist. Beispielsweise sollte man Personen mit geringer Belastbarkeit und schneller Erschöpfung aus den Teams fernhalten, um die anderen vor ihnen zu verschonen. Für eine Rasterahndung sind diese Merkmale, die mit sozialem Faulenzern zusammenhängen, allerdings zu allgemein und zu unspezifisch. Wegen statistischer Tendenzen ganze Gruppen (etwa Männer) bei der Teamzusammenstellung auszuschließen, wäre ungerecht und ist praktisch nicht machbar. Das Trittbrettfahrerproblem ist damit alleine also nicht lösbar.

Wenn wir wirklich Trittbrettfahrer erkennen wollen, dann kommen wir nicht umhin, uns das Verhalten von einzelnen Menschen genau anzusehen. Trittbrettfahrer zeigen folgendes Verhalten:

  • Vermeiden von persönlicher Verantwortung. Trittbrettfahrer wollen ungern klar als Einzelperson für Ergebnisse verantwortlich sein. Sie brauchen einen „Dummen“. Daher suchen sie Konstellationen auf, in denen sie immer etwas „zusammen“ mit anderen machen, sich in einer Gruppe verstecken können.
  • Weg-Delegieren von Aufgaben. Trittbrettfahrer versuchen Aufgaben von sich weg zu delegieren, dabei sind sie sehr erfindungsreich. Sie haben auf einmal die und die Krankheiten, schwere soziale Probleme, früher „so viel für jemanden gemacht“, der sich jetzt „erkenntlich zeigen“ und etwas zurückgeben soll usw.
  • Rosinen herauspicken bei der Aufgabenverteilung. Trittbrettfahrer sagen oft „Das mache ich nicht!“ oder „Das kann ich nicht!“ Sie suchen sich die Rosinen aus den Aufgaben heraus, die Drecksarbeit sollen andere erledigen. Auch hier gibt es eine Vielfalt von Vorwänden und Ausflüchten. Man kann etwas gar nicht, hat Ängste, der Kunde oder Ansprechpartner „mag einen einfach nicht“, etwas ist „Männerarbeit“ oder „Frauensache“ etc.
  • Arbeitsvermeidung. Arbeitsvermeidung hat viele Gesichter: Unangemessen häufige Pausen, überflüssige und langatmige Gespräche mit anderen, ausbleibende Reaktionen auf E-Mails und Anfragen, häufiges „Erkranken“ und einfach Vernachlässigung der Arbeit und Pflichten. All dies ist fester Bestandteil im Trittbrettfahrerverhalten.

Natürlich ist nicht jeder, der seine Leistung im Team nicht bringt, ein Trittbrettfahrer. Es kann es auch an anderen Gründen liegen, wenn jemand seine Leistung im Team nicht bringt. Punkte, die zu beachten, in erster Linie die Führungskraft verantwortlich ist. Dazu zählen mangelnde Kompetenz, Überlastung mit anderen Aufgaben oder externen Dingen (Familie, Gesundheitsprobleme) oder eine extrem introvertierte und unsichere Person, die sich nicht traut, klar eine Rolle zu übernehmen. All das sind dann keine Fragen von Trittbrettfahren, sondern Führungsthemen. Wenn Führungskräfte die falschen Personen in ein Team setzen, dann läuft es eben nicht.

Die richtige Diagnose ist wichtig. Sie hilft uns bei der Teamzusammensetzung von vornherein Menschen zu meiden, die Trittbrettfahrer werden. Eine Diagnose ist aber keine Heilung. Wie kann man grundlegend soziales Faulenzen verhindern? Das zeigt der nächste Abschnitt.

Soziales Faulenzen verhindern

Was kann man tun, um das Trittbrettfahrerproblem zu vermeiden? Folgende Maßnahmen reduzieren Trittbrettfahren und können soziales Faulenzen verhindern (vgl. z.B. Karau und Williams, 1993; Leiden et al., 2004):

  • Gruppengröße klein halten. Je größer Teams und Gruppen werden, desto mehr soziales Faulenzen und Trittbrettfahrer treten auf (Leiden et al., 2004). Das hat viele Gründe: Eine große Gruppe kann sich schwer abstimmen und koordinieren. Zudem gibt es höhere Wahrscheinlichkeiten für Konflikt und unklare Rollenverteilungen. Ein Kapitel zur idealen Teamgröße behandelt diese Fragen im Detail.
  • Zusammenhalt. Je höher der Zusammenhalt in Teams, desto weniger sozialer Müßiggang besteht (Williams und Sommer, 1997). In Gruppen mit hoher Kohäsion sind Mitglieder froh, dabei zu sein. Sie wollen nicht unangenehm auffallen, schätzen die Gruppe und strengen sich mehr an, ihre Aufgaben zuverlässig zu erfüllen. Das wirkt dem sozialen Trittbrettfahren entgegen.
  • Transparenz der Leistungsbeiträge. Sobald individuelle Leistungsbeiträge sichtbar sind, reduziert sich soziales Faulenzen (Williams, Harkins und Latané, 1981). Hilfreich ist, wenn die Rollen und damit erwarteten Beiträge für alle im Team klar definiert sind. Zudem ist gut, wenn die Leistung für alle Teammitglieder und die Führungskraft sichtbar ist und zudem ein Maßstab vorhanden ist, welche Leistung „normal“ ist.
  • Attraktive und bedeutsame Aufgabe. Je höher das Motivationspotenzial der Arbeitsaufgabe, desto weniger soziales Trittbrettfahren. Anspruchsvolle Aufgaben, bei denen die Teammitglieder kompetent sind, bieten sich dafür an (Harkins und Petty, 1982). Ihre Aufgaben sollten den Teammitgliedern als bedeutsam erscheinen (Williams und Karau, 1991). Ein eigenes Kapitel beschreibt, wie man motivierende Aufgaben für Teams gestaltet.
  • Auswahl geeigneter Mitglieder. Nicht jeder Mensch ist ein Teamplayer. Zur Teamfähigkeit gehören bestimmte Kompetenzen und Persönlichkeitsmerkmale, sowie eine Passung zu den anderen im Team. Ungeeignete Mitglieder stören das Team und demotivieren die anderen – und sei es durch eine antrieblose und depressive Ausstrahlung, mit der sie andere emotional „anstecken“ (z.B. Barsade, 2002).
  • Wettbewerb und Vergleich mit anderen Teams. Teams, die im Wettbewerb mit anderen Teams sind, haben weniger Trittbrettfahrer. Sobald die Leistung der Teams auf den Tisch kommt, möchte kein Team im Vergleich mit anderen hinterherhinken. Niemand möchte im schlechtesten Teams sein. Das reduziert soziales Faulenzen.
  • Klare Zuständigkeiten und Rollenverteilung. Sobald Menschen den Eindruck bekommen, dass andere für sie die Arbeit gut und ohne Widerspruch erledigen würden, beginnt soziales Faulenzen. Daher ist eine klare Rollenverteilung in Teams wichtig. Je klarer die Aufgabenzuordnung und Verantwortlichkeiten, desto weniger Trittbrettfahren tritt auf. Entscheidend ist dabei, dass immer nur eine Person verantwortlich für eine bestimmte Teilaufgabe und Rolle ist.
  • Klare Regeln. Regeln regulieren. Das gilt auch für das Verhalten in Teams. Wie verhalten wir uns? Was darf auf keinen Fall passieren? Je klarer Regeln sind und je stärker der Zusammenhalt im Team, desto weniger Streuung im Verhalten. Stimmen die Regeln, dann gibt es kein Trittbrettfahren.
  • Hohe Leistungserwartungen. Ist Höchstleistung selbstverständlich in einer Gruppe und derjenige der „Held“, der am meisten leistet? Dann gibt es weniger Trittbrettfahrer. Daher ist das Thema soziale Normen in Gruppen (soziale Leistungsstandards) entscheidend, um soziales Trittbrettfahren zu reduzieren (Harkins und Szymanski, 1988).
  • Keine „Lastesel“. Trittbrettfahrer brauchen immer mindestens einen „Dummen“, der die Arbeit für sie erledigt. Tatsächlich können Teammitglieder die überengagiert sind und selbstlos alles für das Team tun bei anderen Trittbrettfahrerverhalten auslösen (Kerr, 1983). Hier hilft eine klare Rollenverteilung und ein klares „nein“ im Team, sobald jemand seine Aufgaben an gutmütige Teammitglieder weg-delegieren möchte.
  • Offene, direkte Kommunikation. Wenn Teammitglieder klar über Beobachtungen, Probleme, Erwartungen und Erfahrungen sprechen, dann gibt es weniger Trittbrettfahrerprobleme. Beispielweise kann einmal wöchentlich ein Meeting stattfinden. Inhalt dieses Meetings: Jedes Teammitglied schildert kurz und konkret, was es diese Woche zum Teamerfolg beigetragen hat, wie es gelaufen ist und wie die Interaktion mit anderen im Team war. Explizit sollte das Teammitglied auch auf Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit anderen eingehen. Die anderen Teammitglieder könnten ihre Erfahrungen dazu dann widerspiegeln. So decken Teams schnell unsoziale und dysfunktionale Verhaltensmuster auf. Trittbrettfahrer werden sichtbar.
  • Eine verantwortliche und motivierte Führung. Teams mit einer klar benannten und fordernden Führungskraft performen besser (Ferrante, Green und Forster, 2006).
  • Das Team gut behandeln. Teams, die sich von ihrer Organisation gut behandelt und unterstützt fühlen, zeigen weniger soziales Trittbrettfahren (Eder und Eisenberger, 2008). Insbesondere Handlungen, die ein Team als Sanktionen erlebt, die ohne nachvollziehbaren Grund erfolgen, verstärken das Trittbrettfahrerproblem (George, 1995). Belohnungen als logische Konsequenzen von erreichten Zielen sind dagegen wirksam, um das Trittbrettfahren zu senken.
  • Ungerechtigkeitsgefühle vermeiden. Nehmen Teammitglieder beispielsweise die Verteilung von Ressourcen als ungerecht wahr, dann reagieren sie oft mit einer Leistungsreduktion (Leiden et al., 2004). Daher haben Teams die besondere Pflicht, auf gefühlte Gerechtigkeit und transparente, akzeptierte Regeln der Verteilung zu achten.

Es gibt also mehr als genug Möglichkeiten und Stellschrauben zur Prävention des Trittbrettfahrerproblems. Viele davon können Teams auch anwenden, wenn das Trittbrettfahrerproblem bereits besteht und es damit eindämmen. Dennoch gibt es stärkere Maßnahmen, die über das reine Verhindern weit hinausgehen.

Das Trittbrettfahrerproblem lösen

Um das Trittbrettfahrerproblem zu lösen, können sich Teams direkt mit den Trittbrettfahrern auseinandersetzen. Was tun, wenn ein Teammitglied sich offensichtlich als Trittbrettfahrer verhält? Dazu der Schaukasten mit den Tipps.

Tipps: Trittbrettfahrer los werden
Wie kann man Trittbrettfahrer los werden? Zunächst ist es wichtig, im Team seine Beobachtungen zu teilen. Haben andere ähnliche Erlebnisse und Wahrnehmungen? Oder hat man vielleicht etwas wichtiges übersehen. Ist es wirklich bewusstes Trittbrettfahren oder hat die Minderleistung andere Ursachen – etwa private Probleme oder eine Erkrankung?

Bestätigt sich der Eindruck, dann ist eine klare und sachliche Ansage an den Trittbrettfahrer, am besten vom gesamten Team hilfreich. Dabei hat sich folgender Aufbau des Gespräches bewährt: „Wir merken, was hier stattfindet und haben

  1. ganz konkret beobachtet, dass …
  2. Das hatte für uns folgende unangenehme Auswirkungen: …
  3. Das wollen wir so nicht akzeptieren.
  4. Was ist los?“

Hier sollten Teams die Regeln für kritisches Feedback einhalten, damit es konkret und sachlich bleibt. Als Ergebnis versuchen Trittbrettfahrer meist ihr Verhalten zu rechtfertigen. Wenn die Argumente sich in Luft auflösen, dann versprechen Trittbrettfahrer meist, ihr Verhalten zu ändern (zweite Chance) oder sie verlassen das Team. Die Entscheidung, die Person im Team zu belassen, kann aus sozialen Gesichtspunkten verständlich sein. Auf jeden Fall ist dann eine engere Kontrolle des Verhaltens wichtig. Eine aufwändige Extra-Arbeit, in der sich die Person beweisen kann, ist ein hilfreiches Ritual, um die Person wieder voll im Team aufzunehmen, die Fehltritte und den Vertrauensverlust zu heilen. Beim zweiten Fehlverhalten sollte das Team dann allerdings konsequent sein und sich vom Trittbrettfahrer trennen. Ansonsten verspielt es seine Glaubwürdigkeit und erstellt implizit einen Freibrief für andere Trittbrettfahrer.

Möchte ein Trittbrettfahrer trotz allem sein Verhalten nicht ändern und auch das Team nicht verlassen, dann empfiehlt sich die Eskalation zur Führungskraft. Keine Führungskraft möchte ein instabiles Team mit Streit über Leistungsstandards. Sie wird also in aller Regel das Thema sehr ernst nehmen. Ein gemeinsamer Termin mit dem gesamten Team und der Führungskraft zur Klärung der Leistungsstandards schafft Klarheit für alle und kann das Trittbrettfahrerproblem lösen.

Dieser Beitrag zeigt: Soziales Trittbrettfahren ist eine Art sozialer Krankheit unter der Teams, ganze Organisationen und die Gesellschaft leiden (Latané, Williams und Harkins, 1979). Und es gibt dennoch gute Nachrichten dazu: Eine aufmerksame Führungskraft und leistungsorientierte Teams haben mehr als genug Möglichkeiten, das Trittbrettfahrer-Problem im Team zu verhindern, klein zu halten und notfalls auch abzuschalten, wenn es doch auftritt. Es gibt einen ganzen Blumenstrauß an wirksamen Maßnahmen gegen soziales Faulenzen.

Die nächsten Kapitel geben Definitionen. Was genau ist Teamarbeit? Was ist ein Team und was ist der Unterschied zu einer sozialen Gruppe?