9 Teamrollen nach Belbin: Gute Rollenverteilung im Team?

In seinem bekannten Modell unterscheidet Meredith Belbin Teamrollen. Insgesamt geht er von neun Rollen in Teams aus, die immer besetzt sein sollten. Als Professor der Psychologie beschäftigte er sich mit dem Verhalten der Mitglieder in Teams. Dabei stellte er fest, dass sie bestimmte typische Rollenmuster besetzen, aus denen eine Teamstruktur entsteht. Mit dem Rollenmodell nach Belbin können Teams ihre Stärken feststellen. Sie können aber auch analysieren, wo wichtige Handlungsfelder (Rollen) unbesetzt sind und wo Optimierungspotenzial besteht. Kurz: Haben wir eine sinnvolle und gute Rollenverteilung im Team?
Dieser Beitrag zeigt die Definition von Teamrolle, gibt eine Übersicht der neun Teamrollen nach Belbin und fundierte Kritik am Ansatz. Zum Abschluss gibt es einen einfachen Test zu Teamrollen, mit dem Teams feststellen und diskutieren, ob sie eine gute Rollenverteilung haben.

Autor: Diplompsychologe Professor Dr. Florian Becker

Teamrollen: Definition

Wenn Belbin Teamrollen definiert, was meint er damit? Was ist eine Teamrolle? Teamrollen sind definiert als die charakteristischen Verhaltensmuster einer Person in einem Team. Sie sind eine Sonderform der sozialen Rollen. Hier die genaue wissenschaftliche Definition:

Teamrollen sind charakteristische Verhaltensmuster, die ein Mitglied in einem Team zeigt, mit dem es sich identifiziert und das die anderen Teammitglieder von dieser Person erwarten.

Die Definition von Teamrollen zeigt auch mögliche Probleme:

  • Nimmt ein Teammitglied seine Rolle nicht wahr, enttäuscht es Erwartungen und gefährdet den Erfolg des Teams.
  • Ebenso ist es schlecht, wenn wichtige Rollen im Team gar nicht besetzt sind. Das Team gerät dann aus der Balance, ist nicht mehr handlungsfähig.
  • Oder mehrere Teammitglieder konkurrieren um die gleiche Rolle: Beispielsweise möchte jeder die Arbeit koordinieren aber niemand sie Aufgaben umsetzen.

In all diesen Fällen verliert ein Team seine Balance.

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Nach Belbin’s Modell kann ein Teammitglied auch mehrere Teamrollen besetzen. So kann jemand beispielsweise die Rolle eines „Spezialisten“ haben, der wertvolles Fachwissen zu einem bestimmten Bereich beisteuert. Gleichzeitig kann die Person ein „Koordinator“ sein, der Prioritäten setzt und die Zusammenarbeit der anderen im Team koordiniert. Das bedeutet, dass ein Team natürlich nach Belbin’s Teamrollen nicht neun Mitglieder braucht, um die neun Rollen auszufüllen.

Es gibt keine generell optimale Zusammenstellung der Teamrollen. Eine Zusammensetzung der Rollen, die für ein Team optimal ist, kann für ein anderes ungeeignet sein. Das liegt letztlich an den unterschiedlichen Aufgaben, an denen Teams arbeiten und Kontexten, in denen Teams arbeiten. Teams, die eher Entscheidungen treffen, brauchen beispielsweise weniger umsetzungsorientierte Rollen. Teams in einem leistungsorientierten Umfeld brauchen mehr Rollen, die sich um kontinuierliche Verbesserung des Teams kümmern.

Was bestimmt die Teamrolle einer Person? Menschen haben bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, Motive und Erfahrungen. Dennoch landen sie nicht automatisch in jedem Team in den gleichen Rollen. Die Rollenverteilung in Teams entsteht aus dem komplexen Wechselspiel aus den verschiedenen Teammitgliedern, der Aufgabe und dem Kontext. Sie ist Ergebnis einer Gruppendynamik.

9 Teamrollen nach Belbin: Übersicht

Belbin unterscheidet neun Rollen, die er in drei übergeordnete Kategorien gruppiert: Aufgabenorientierte Rollen, wissensorientierte Rollen und menschenorientierte Rollen (Belbin, 2010; Belbin, 2012).

Aufgabenorientierte Teamrollen

  • Macher (Shaper). Steht für Teamverbesserung. Macher fordern ihr Team stetig dazu auf, sich zu verbessern. Sie stellen das Bestehende in Frage, fokussieren auf dass Wesentliche und wollen Probleme gelöst sehen.
  • Umsetzer (Implementer). Steht für Umsetzung. Umsetzer legen los. Sie gehen Dinge sofort und systematisch an. Und sie hören damit nicht auf, bis das Ziel erreicht ist.
  • Perfektionist (Finisher-Completer). Steht für Perfektion. Perfektionisten bringen Dinge zur Perfektion und zum glänzenden Abschluss – und zwar termingerecht. Dabei halten sie sich streng an den Plan und achten auf Details. Sie hassen Abweichungen und Fehler, „polieren alle kleinen Dellen und Kratzer aus“.

Wissensorientierte Teamrollen

  • Spezialist (Specialist). Steht für Fachexpertise. Spezialisten sind die absoluten Experten in ihrem Fachbereich. Sie geben dem Team das Wissen und die Expertise, das es für gute Lösungen und erfolgreiche Arbeit braucht.
  • Beobachter (Monitor-Evaluator). Steht für Urteilsvermögen. Beobachter sind die Realisten im Team mit einem guten Urteilsvermögen. Sie behalten den distanzierten Überblick über das große Ganze und treffen rational und nüchtern Bewertungen.
  • Neuerer (Plant). Steht für Innovation. Neuerer tragen unkonventionelle Ideen und alternative Perspektiven bei. Mit frischem Denken fördern sie neue Lösungsansätze und Innovation.

Menschenorientierte Rollen

  • Koordinator (Coordinator). Steht für Teamleitung. Koordinatoren können Aufgaben effektiv delegieren. Sie lenken die Gruppe immer wieder zum gemeinsamen Ziel hin. Sie übernehmen die klassischen Teamleiter-Fuktionen.
  • Teamarbeiter (Teamworker). Steht für Zusammenhalt. Arbeitet am Wir-Gefühl und Zusammenhalt im Team. Teamarbeiter fördern gute Zusammenarbeit und ein gutes Klima im Team. Sie achten auf entstehende Konflikte und lösen bestehende Konflikte.
  • Wegbereiter (Resource Investigator). Steht für Networking. Wegbereiter suchen und knüpfen wichtige Kontakte außerhalb des Teams. Als extrovertierte, kommunikative und gesellige Menschen erschließen sie so wichtige Informationen, Chancen und Ressourcen für das Team.

Belbin sieht bei jeder Teamrolle bestimmte Stärken aber auch Risiken für Schwächen.

Es gibt also neun Teamrollen nach Belbin. Was bringt es jetzt, diese Rollen zu kennen, was ist der praktische Nutzen?

Kritik der Teamrollen nach Belbin

Belbin’s Ansatz Teams nach Rollen zu strukturieren hat viele Anhänger und ist das bekannteste Rollenmodell für Teams. Das hat seinen Grund, denn der Ansatz bietet bestimmte Vorteile:

  • Teamleiter und Teams können die Rollen nutzen, um zu erkennen, wo Schwächen und Defizite sind. Vielleicht ist eine wesentliche Rolle noch unbesetzt? Vielleicht fehlt es an Balance, weil zu viele Teammitglieder ähnliche Rollen anstreben?
  • Teammitglieder können mit den Teamrollen besser erkennen, was welche Personen zum Teamerfolg beitragen. Oft ist die Leistung nicht direkt auf die Umsetzung der Aufgabe gerichtet und wird daher wenig wahrgenommen.
  • Jedes Mitglied kann sich selbst mit den Rollen fragen, was es am meisten zum Teamerfolg beiträgt oder beitragen kann.

Aber es gibt auch berechtigte Kritik an Belbin’s Ansatz. Nachteile sind:

  • Belbin’s Modell der Teamrollen ist rein spekulativ anhand von eigenen Beobachtungen abgeleitet. Es fand von ihm keine Überprüfung statt, ob die Rollen wirklich klar abgrenzbar sind und ob wirklich so viele notwendig sind.
  • Neun Rollen sind ziemlich komplex. Kritiker führen an, dass die Teamrollen nach Belbin nahezu jedem Verhalten eine Rolle zuweisen: „Ah, da hat jemand pünktlich seine Arbeit geliefert, der hat die Rolle des Perfektionisten!“ oder „Da hat jemand was getan, das ist ein Umsetzer!“ In der Praxis kommt es teilweise gut an, wenn Beratungen und Trainingsinstitute inflationär mit Teamrollen umgehen nach dem Motto: „Die neun Rollen in Teams!“ Der nächste kommt dann um die Ecke mit 15 Rollen in Teams. Das stiftet keinen Mehrwert, schafft nur Verwirrung.
  • Die Annahme ist fragwürdig, dass ein Team idealerweise aus sehr verschiedenen Rollen besteht. Es ist plausibel, dass zu unterschiedliche Rollenvorstellungen und Orientierungen im Verhalten Konfliktpotenzial bergen. Der eine will sofort umsetzen, während der andere alles perfekt machen will. Wieder ein anderer möchte alles erneuern und Innovation, während sein Teamkollege vielleicht einfach nach bewährtem Standard arbeiten möchte.

Das Modell von Belbin hat also seine Vor- und Nachteile. Dennoch erlaubt es eine tiefgehende Diskussion der Rollenverteilung im Team.

Test: Gute Rollenverteilung im Team?

Das Rollenmodell von Belbin kann man in seinen Teams sinnvoll einsetzen. Es erlaubt eine systematische Beschäftigung mit der Rollenverteilung im Team und eine klarere Zuordnung von Rollen. Ziel ist eine gute Rollenverteilung im Team. Dazu der Schaukasten.

Übung: Gute Rollenverteilung im Team
Mit dem Modell von Belbin bietet sich folgende Teamübung an:

  1. Schreiben Sie die neun Rollen auf Pinnwandkarten geordnet nach den drei Kategorien auf. Hängen Sie die neun Karten an die Pinnwand.
  2. Jeder Rolle wird kurz vorgestellt, damit jedes Mitglied genau weiß, was sich hinter der jeweiligen Rolle konkret an Verhalten verbirgt.
  3. Jedes Teammitglied schreibt dann seinen Namen auf zwei weitere Karten.
  4. Jedes Mitglied im Team pinnt seinen Namen dann neben die entsprechenden Teamrollen, bei denen es sich am meisten im Team sieht. Das am besten der Reihe nach. Bei jedem Pinn begründet die Person kurz ihre Entscheidung.

Wenn alle ihre Namen an die Wand gepinnt haben, dann gibt das einen schönen Überblick. Das Team diskutiert mit diesem Gesamtbild vor Augen folgende Fragen:

  • Stimmen bei den einzelnen Personen jeweils Selbstwahrnehmung und Fremdbild überein? Sieht sich vielleicht jemand auf ganz anderen Rollen als die anderen im Team? Ggf. korrigiert das Team nach der Diskussion die Zuordnung der Namen zu den Teamrollen etwas.
  • Das Gesamtbild im Blick: Fühlt sich für wichtige Rollen vielleicht gar niemand zuständig?
  • Gibt es ggf. zu viele Personen, die sich auf einer Rolle sehen?
  • Wo entstehen Konfliktfelder durch verschiedene Rollenverständnisse?

Auf der Basis kann und sollte das Team mehrere Maßnahmen entwickeln, um die Rollenverteilung zu optimieren.

Nach dem Blick auf das Rollenmodell von Belbin folgt im nächsten Kapitel ein tiefer wissenschaftlicher Blick auf die Forschung zu sozialen Rollen und ihre Bedeutung in Teams.