Agile Teams: Definition und Führung

In einer Welt, die sich immer schneller wandelt, gewinnt Agilität. Kleine, schnelle Unternehmen mit agilen Teams wachsen schnell an und verdrängen andere. Beispiele dafür sind Tesla oder Google. Um im Wettbewerb zu bestehen, nutzen deshalb immer mehr Unternehmen agile Teams. Diese bieten immense Vorteile – wenn sie funktionieren.
Dieser kompakte Beitrag zeigt, worauf es hier ankommt. Bedeutung und Definition: Was ist Agilität? Merkmale: Was ist ein agiles Team? Welche Eigenschaften haben Teams, die agil sind? Führung: Wie führt man eine agile Arbeitsgruppe? Zahlreiche Beispiele aus der Praxis agiler Arbeitsgruppen zeigen, wie das gelingt. Der Beitrag verdeutlicht auch, warum die meisten Organisationen und Mitarbeiter noch nicht fit für die Arbeit mit und in agilen Teams sind.

Autor: Diplompsychologe Professor Dr. Florian Becker

Was ist Agilität? Definition

Der Begriff „agil“ ist in der Praxis schwer in Mode und mittlerweile fast in Bezug auf alles zu finden: Agiles Arbeiten, agile Methoden, agile Führung, agile Organisationsformen und natürlich agile Teams… Bleibt die Frage nach der konkreten Bedeutung: Was ist Agilität? Was bedeutet agil? Beginnen wir deshalb mit der genauen Definition: Agilität ist definiert durch vier Merkmale:

  1. Wahrnehmungsfähigkeit. Hier geht es darum, möglichst früh Veränderungen, Herausforderungen und Chancen zu erkennen. Ein Beispiel sind veränderte Kundenwünsche.
  2. Anpassungsfähigkeit. Es reicht allerdings nicht eine Chance oder Herausforderung nur zu erkennen. Man muss sie auch nutzen können, sich daran anpassen.
  3. Schnelligkeit. Es gewinnt meist nicht derjenige, der eine Chance als erstes sieht, sondern derjenige, der sie als schnellstes ergreift und nutzt. Daher ist Schnelligkeit ein wichtiges Merkmal, das Agilität definiert.
  4. Proaktivität. Wer eine Situation kommen sieht und sich frühzeitig darauf einrichtet, ist demjenigen haushoch überlegen, der wartet bis die Situation da ist und erst dann reaktiv handelt. Das Kontinuum von Passivität, Reaktivität und Proaktivität beschreibt daher die Bedeutung von Agilität.

Die Abbildung zeigt diese Merkmale, die Agilität definieren.

Die Merkmale und Definition von Agilität
Agilität: Definition und Merkmale

Soweit die theoretische Definition von Agilität. Im folgenden ein Beispiel, was Agilität in der Praxis bedeutet.

Beispiel für Agilität: Krabbe versus Krake
Ein Beispiel aus der Tierwelt: Die Krabbe ist groß, gepanzert und stabil. Sie verfügt mit ihren Scheren über gefährliche Waffen. Auf den ersten oberflächlichen Blick wirkt sie unbezwingbar. Jedoch sie ist auch langsam und unflexibel durch ihren starren Panzer. Und sie hat schlechte Augen. Der Oktopus (Krake) ist dagegen weich und verletzlich. Doch er ist sehr schnell und hoch flexibel. Zudem hat er hervorragende Augen und haushoch überlegene Intelligenz.

Was passiert? Der agile Oktopus findet die Krabbe. Er jagt die Krabbe. Sie versucht zu fliehen, sich in einer Felsspalte zu verkriechen. Umsonst. Es gibt kein Entkommen. Der flexible Krake folgt ihr in die engsten Spalten, zerrt sie mit seinen Fangarmen heraus. Die Krabbe möchte ihn mit den Scheren schnappen. Der Krake ist zu schnell, er ahnt ihr Verhalten voraus. Er handelt proaktiv, umschlingt die Krabbe, bevor sie ihm schaden kann, hält ihre Scheren fest – und frisst sie auf.

Das Beispiel für Agilität verdeutlicht ihre immense Bedeutung, um im Wettbewerb zu gewinnen. Das gilt natürlich auch für Agilität in Unternehmen. Große, starre und scheinbar mächtige Organisationen verlieren gegen schnelle und anpassungsfähige Herausforderer. Ein Beispiel ist die Firma Tesla, die extrem schnell und felxibel agiert. In der Chipkrise 2021 konnten viele Autokonzerne nicht mehr produzieren, weil ihnen Chips fehlten. Nicht so Tesla. Die Programmierer von Tesla schrieben innerhalb von Wochen die Software um, so dass sie ganz andere Chips als geplant nutzen konnten. Agile Methoden sind ein Schlüssel zum Erfolg im Wettbewerb. Deswegen versuchen viele Unternehmen agiler zu werden. Ein wichtiger Schlüssel dazu sind agile Teams.

Was sind agile Teams? Definition

Organisationen wollen agil werden, um im Wettbewerb zu bestehen und idealerweise zu gewinnen. Das betrifft besonders die Teams in diesen Firmen. Sie werden zu agilen Teams (Hoda, Noble und Marshall, 2012). Was sind agile Teams? Definition:

Agile Teams sind radikal ausgerichtet auf Wahrnehmungsfähigkeit, proaktive Anpassungsfähigkeit an Herausforderungen und Schnelligkeit.

Ein agiles Team ist definiert entlang der Kriterien für Agilität. Diese Definition von agilen Teams macht auch klar, dass es sich dabei nicht schwarz vs. weiß um eine feste Zuordnung handelt nach dem Motto: „Dieses Team ist agil. Das andere da nicht!“. Es handelt sich um ein Kontinuum. Teams können unterschiedlich agil sein. Agilität ist letztlich ein Leitgedanke, der ein Team durchdringt, seine Zusammensetzung, Struktur und Arbeitsmethoden prägt.

Zum besseren Verständnis, was Agilität und agile Teams definiert, zeigt der Schaukasten Definitionen und Perspektiven aus der wissenschaftlichen Literatur.

Perspektiven: Agilität im Blick der Wissenschaft

In der Wissenschaft ist Agilität bereits seit über 40 Jahren Thema. Hier eine Auswahl an Perspektiven verschiedener Autoren auf Agilität:

  • … capacity to react quickly to rapidly changing circumstances… (Brown und Agnew, 1982)
  • …is a persistent behavior or ability of a sensitive entity that exhibits flexibility to accommodate expected or unexpected changes rapidly, follows the shortest time span, uses economical, simple and quality instruments in a dynamic environment and applies updated prior knowledge and experience to learn from the internal and external environment. (Qumer und Henderson-Sellers, 2008)
  • … the ability to detect opportunities for innovation and seize those competitive market opportunities by assembling requisite assets, knowledge, and relationships with speed and surprise… (Sambamurthy, Bharadwaj und Grover, 2003)
  • … an effective integration of response ability and knowledge management in order to rapidly, efficiently and accurately adapt to any unexpected (or unpredictable) change in both proactive and reactive… (Ganguly, Nilchiani und Farr, 2009)

In diesen Definitionen und Aussagen zu Agilität spiegeln sich gut die vier Elemente von Agilität wieder: Schnelligkeit, Anpassungsfähigkeit, Wahrnehmungsfähigkeit und Proaktivität.

Die Perspektiven auf Agilität spiegeln sich in den typischen Merkmalen agiler Teams wieder.

Agile Teams: Merkmale

Agile Teams haben typische Merkmale. Die Forschung und Veröffentlichungen dazu sind mittlerweile sehr umfangreich (z.B. Stray, Moe und Dingsøyr, 2011; Stray, Moe und Aurum, 2012; Hoda, Noble und Marshall, 2012; Masood, Hoda und Blincoe, 2020). Dabei haben sich folgende typische Merkmale agiler Teams gezeigt:

  • intensive Kommunikation und häufiger Austausch
  • hohe Autonomie und Selbstorganisation des Teams
  • schnelle, optimierte Entscheidungsprozesse
  • Kundenfokus (Customer Centricity)
  • handlungsfähige Teammitglieder
  • flüssige statt starre Struktur
  • proaktives Verhalten
  • steile Lernkurve

Alle Eigenschaften eines agilen Teams ergeben sich direkt aus den Leitgedanken, aus der radikalen Ausrichtung auf Informationsvorsprung, Proaktivität, Schnelligkeit und Anpassungsfähigkeit. Die Abbildung zeigt diese Merkmale agiler Teams im Überblick.

Merkmale von agilen Teams
Agile Teams: Merkmale

Im Folgenden Schaukasten ein tiefer Blick auf diese einzelnen Merkmale agiler Teams.

Vertiefung: Merkmale agiler Teams

Diese Merkmale agiler Teams führen zu ganz konkreten Vorteilen. Der nächste Abschnitt schildert das.

Bedeutung agiler Teams: Vorteile

Agile Teams haben eine große Bedeutung in modernen Organisationen erlangt. Firmen sehen sie als Schlüssel für mehr Agilität im Wettbewerb. Was sind Vorteile agiler Teams?

  • größere Kundennähe
  • schnellere Entscheidungen
  • frühzeitiges Erkennen von Problemen
  • flexible Anpassung an neue Situationen
  • Entlastung und Abbau von Führungskräften
  • Handeln, bevor eine Situation voll eingetreten ist

Und die Bedeutung agiler Teams nimmt weiter zu. Anpassungsfähigkeit, Tempo und schnelle Kenntnis von Informationen sind immer entscheidender. Das liegt insbesondere an folgenden Treibern für agile Organisation: Intensiverer Wettbewerb, technologischer Fortschritt, teilweise disruptive Veränderungen der Spielregeln auf Märkten (z.B. Elektromobilität statt Verbrennungsmotor, Angriff durch neue Geschäftsmodelle wie Streaming statt TV) und Digitalisierung. All das führt zu einer immer dynamischeren und komplexeren Umgebung für Organisationen, die diese schwer vorhersagen können. Ihre Antwort darauf sind agile Teams.

Ein agiles Team hat also zahlreiche Vorteile. Wie aber führt man derartige Teams erfolgreich? Das zeigt der nächste Abschnitt.

Führung agiler Teams

Wie führt man ein agiles Team? Die Führung agiler Teams folgt der Logik der Agilität: Führungskräfte unternehmen alles, um agile Arbeitsgruppen zu maximaler Wahrnehmungsfähigkeit, Geschwindigkeit bei Entscheidungen und Schnelligkeit bei der Umsetzung zu befähigen. Am besten beschreiben kann man die Rolle einer Führungskraft von agilen Teams, mit einem fördernden aber auch sehr fordernden Coach.

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Führung kann agile Teams coachen und fördern indem sie

  • kompetente Teammitglieder auswählt und immer weiter entwickelt,
  • eine Vertrauenskultur im Team fördert,
  • kritische Fragen stellt,
  • dem agilen Team maximalen Entscheidungsspielraum und Selbständigkeit bei der Umsetzung und Wahl der konkreten Wege gewährt und
  • darauf achtet, dass die Teamstruktur flüssig bleibt.

Fordernd ist die Führung bei agilen Teams, weil die Führungskraft immer wieder

  • die Wünsche der Kunden und der Firma betont. Sie
  • fordert Ergebnisse und Fortschritte ein. Sie
  • definiert die Anforderungen an die Lösung (das Produkt),
  • kritisiert Defizite und verlangt deren Beseitigung und
  • verlangt, dass das Team agile Arbeitsmethoden (etwa die täglichen Kurz-Meetings) einhält.

Zudem beseitigen Führungskräfte agiler Teams Hindernisse im Umfeld ihrer Teams, um diese maximal frei und schnell handeln zu lassen. Ganz nach dem Motto von Konfuzius „Menschen stolpern nicht über Berge, sondern über Maulwurfshügel.“ planieren sie die vielen „Maulwurfshügel“ sei es in Technologie, Bürokratie, Administration etc., die ansonsten die tägliche Teamarbeit behindern und erschweren.

Diese Skizze der agilen Teamführung macht auch klar, was Führung agiler Teams nicht ist. Sie ist keine autoritäre Kontrolle der konkreten Umsetzung und sie vermeidet eine direkte Reglementierung der Arbeitsweise. Die Darstellung zeigt deutlich, dass agile Teamarbeit besondere Mitarbeiter braucht. Mit demotivierten, unselbständigen oder wenig kompetenten Teammitgliedern führt agile Führung nicht etwa zu schnelleren und besseren Entscheidungen oder schneller Umsetzung – sondern agile Führung führt dann direkt in eine Katastrophe aus Überforderung und Chaos. Freiheit braucht auch Kompetenz, Handlungsfähigkeit und Reife als Basis. Weil viele Mitarbeiter in modernen Unternehmen diese Voraussetzungen für agile Arbeit nicht mitbringen, sind die meisten Unternehmen nicht fit für agile Teamarbeit.

Zur Verdeutlichung der Theorie folgt ein praktisches Beispiel für ein agiles Team.

Beispiel für agiles Team: Scrum Team

Ein Beispiel für Agile Teams ist das Scrum Team. Der Schaukasten stellt es vor.

Beispiel für agiles Team: Scrum Team

Fazit: Scrum Teams sind ein gutes und konkretes Beispiel für agile Teams. Eine schnelle Wahrnehmung und Lösung von Problemen und (veränderten) Kundenbedürfnissen steht bei diesen Teams im Mittelpunkt. Sie zeigen uns zahlreiche Strukturen, Methoden und Einrichtungen mit denen Teams schneller und anpassungsfähiger sind, kurz gesagt agil werden.

Das folgende Kapitel stellt Arten von sozialen Gruppen aus Sicht der Psychologie vor.