Konfliktprävention: Konfliktursachen abstellen, Konflikt vorbeugen

Einige Konflikte sind positiv zu werten, viele Konflikte sind eher negativ in der Wahrnehmung. Deshalb ist Konfliktprävention wichtig – das Übel angehen, bevor es überhaupt da ist, die Konfliktursache beheben. Konflikte kommen meist nicht aus dem Nichts, sondern sind oftmals durch ungünstige Bedingungen im Umfeld von Menschen entstanden. Das typische Konfliktpotenzial. Man kann diese Ursachen von Konflikt bekämpfen, Rahmenbedingungen so gestalten, dass Zwist und Streit weniger wahrscheinlich ist.
Unerwünschtem Konflikt vorbeugen – wie geht das? Das zeigt dieses Kapitel. Es startet mit einer Definition und zeigt dann, wie man Konfliktpotenziale erkennt und reduziert. Dafür gibt es einen Überblick und Beispiele zu den wichtigsten Konfliktursachen. Der Abschnitt danach zeigt dann wirksame Methoden der Konfliktprävention und Konfliktvermeidung im Team.

Autor: Diplompsychologe Professor Dr. Florian Becker

Konfliktprävention: Konflikte lassen sich vermeiden, wenn man die Ursachen entschärft
Konfliktprävention: Konfliktursachen entschärfen, unerwünschten Konflikten vorbeugen

Konfliktprävention: Definition

Was ist Konfliktprävention? Beginnen wir mit der Definition:

Konfliktprävention bezeichnet die Vorbeugung von Konflikt durch Maßnahmen, die Konfliktpotenzial verringern, unerwünschten Konflikt unwahrscheinlich machen und Konfliktursachen beseitigen oder abschwächen.

Nach dieser Definition ist also jede Aktivität, die das Entstehen unerwünschter Konflikte unwahrscheinlicher macht als Konfliktprävention zu bezeichnen. Und das ist gerade am Arbeitsplatz bitter notwendig. Zeitdruck und Stress durch fordernde Kunden und Führungskräfte, immer unterschiedlichere Mitarbeiter mit verschiedensten Ansichten und Werten (Stichwort Diversity), verstärkte Interaktion durch Teamarbeit, wachsender Veränderungsdruck sind nur ein paar der Faktoren, die zu wachsendem Konfliktpotenzial beitragen.

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Um wirksam Konflikt vorbeugen zu können braucht es zwei zentrale Kompetenzen:

  1. Konfliktpotenzial erkennen. Nur wer die Ursachen für Konflikte kennt, kann diese als typische Konfliktauslöser auch beachten und abstellen.
  2. Konfliktpotenzial reduzieren. Zudem braucht es Methoden der Konfliktprävention, die wirksam die typischen Konfliktursachen abstellen.

Wie man diese zwei Kompetenzen aufbaut, das zeigen die folgenden Abschnitte.

Konfliktursachen: Beispiele

Als erstes gilt es das Konfliktpotenzial zu erkennen. Was sind typische Konfliktursachen? Welche Quellen von Konflikt gilt es aus zu trocknen, damit Konflikte im Team nicht entstehen? Ganz nach dem Motto: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Hier liefert die Psychologie wertvolle Einblicke in typische Konfliktauslöser. Vorneweg: Menschen sind unterschiedlich, haben verschiedene Ansichten, Werte und Persönlichkeiten. Und Menschen sind emotional. Ein gewisses Maß an Konflikt und Reibung ist daher normal. Gerade deshalb ist es wichtig, das Ausmaß auf notwendige Sachkonflikte zu begrenzen und dysfunktionale Konflikte zu minimieren, damit das Teamklima und die Arbeit nicht leiden.

Das sind Konfliktursachen und Beispiele dafür:

  1. Team ist in der Konfliktphase. In diesem Fall, ganz am Anfang der Zusammenarbeit, ist der Konflikt ein notwendiger Schritt der Teamentwicklung und begrüßenswert. Er sollte nicht unterbunden werden.
  2. Team ist zu groß. Sind Gruppen zu groß, dann explodieren negative Dynamiken, wie Verantwortungsdiffusion, Koordinationsprobleme und eben auch Konflikt.
  3. überflüssiger Koordinationszwang. Besteht zwischen Individuen oder zwischen Teams unnötiger Zwang zur Kooperation, dann fördert das das Risiko für Konflikt. Ein paar Beispiele: Ein Mitarbeiter muss immer durch das Büro eines anderen Mitarbeiters, um sein eigenes Büro zu erreichen. Drei Mitarbeiter teilen sich einen Drucker, bei dem regelmäßig Toner und Papier gewechselt werden müssen. Ein Mitarbeiter muss sich immer die Unterschrift eines anderen Mitarbeiters holen, um einen Prozess abschließen zu können.
  4. unklare Verantwortlichkeiten und Rollen. Kompetenzgerangel und Streit über Zuständigkeiten entspringen meist einer ungenügenden Definition von Hierarchie und Zuständigkeiten in Teams. Sie sind eine typische Konfliktursache. Sowohl bei Entscheidungen als auch bei allseits beliebten Tätigkeiten (Wer darf es machen?) als auch für die unbeliebten Tätigkeiten (Wer muss es machen?) sollte größtmögliche Klarheit geschaffen werden. Sind Teamrollen, wie etwa das Vertreten der Gruppe gegenüber den Kunden, nicht sauber definiert, dann entstehen oft Spannungen und Konflikte sind „vorprogrammiert“.
  5. starke Gruppenbildung. Häufig entstehen innerhalb von Unternehmen Gruppen, die sich weniger über das Unternehmen als über ihre eigene Identität (z.B. „Wir sind das Entwicklungsteam!“) definieren. Was in gewissem Umfang gut ist und den Zusammenhalt im Team fördert, kann dann zum Problem und zur Ursache von Konflikt werden, wenn zwei dieser Gruppen sich als zu unterschiedlich wahrnehmen und anfangen, die jeweils andere Gruppe als Außengruppe zu diskriminieren. Bei aus Fusionen entstandenen Unternehmen kommt es oft jahrelang zu Konflikten, wegen Gruppen, die nach wie vor ihre Identität aus den ursprünglichen Unternehmen ableiten. Kommen nationale und kulturelle Differenzierungsmerkmale hinzu, wird es besonders schwer. So war im Luft- und Raumfahrtkonzern EADS durch den einerseits starken deutschen und andererseits starken französischen Anteil an Mitarbeitern eine Linie vorprogrammiert, an der regelmäßig Konflikte auftreten. Insbesondere die Bildung von nicht vorgesehenen informellen Gruppen ist eine häufige Konfliktursache.
  6. Bildung von informellen Gruppen im Team. Lässt man zu, dass sich ein Team spaltet, Subgruppen mit engem Zusammenhalt und eigener starker Identität bilden, dann ist das häufig eine Sollbruchstelle. An den Grenzen dieser Gruppen entfacht sich dann Konflikt und Streit unter Mitarbeitern.
  7. inkompatible Teammitglieder. Manche Unterschiede sind gut: Etwa bei den Kompetenzen. Andere sind eher schädlich, wenn sie zu stark werden. Sind Mitglieder in einem Team sehr unterschiedlich in Kultur, Werten oder Persönlichkeitsmerkmalen erschwert das die Kooperation und führt zu regelmäßigem Konflikt und Reibungen in der Zusammenarbeit. Dabei ist sowohl oberflächliche Teamdiversität (z.B. Geschlecht, ethische Gruppenzugehörigkeit, Alter) als auch die sogenannte Deep-Level-Diversity (z.B. Persönlichkeit, Kompetenzen, Werte) wichtig. Ein einfaches aber typisches Beispiel für Konfliktursachen durch Persönlichkeitsunterschiede ist das Thema Ordnung am Arbeitsplatz oder andere Leistungseinstellungen.
  8. Mitglieder ohne Teamkompetenz. Oft fehlen Menschen einfach die Kompetenzen für Teamarbeit. Zum Beispiel mangelt es ihnen an sozialer Kompetenz. Sie geben Rückmeldung, die als Angriff verstanden wird, arbeiten nicht selbständig, können nicht zuhören und scheitern daran Kompromisse zu finden.
  9. Mangelnder Teamgeist. Häufig haben konfliktbehaftete Teams zuvor einen ganz schwachen Zusammenhalt als Gesamtteam. Die einzelnen Teammitglieder sind dann nicht bereit, für ihr Team einzutreten und eigene Interessen zu opfern.
  10. Trittbrettfahrer. Ist ein Team von Trittbrettfahrern befallen, dann kann es zum Konflikt kommen. Er ist dann eher eine Art natürlicher Immunreaktion der anderen Teammitglieder, die nicht die Dummen sein wollen und wieder klare Leistungsstandards etablieren wollen.
  11. Nullsummen-Situationen. Überall wo der Gewinn des einen einen Verlust für den anderen bedeutet, ist Konflikt wahrscheinlich. Ein Beispiel für diese Konfliktursache: Bei General Electric wurde lange auf ein System eingesetzt, das man als „Differentiation“ bezeichnete. Dabei wurde die Leistung aller Mitarbeiter gemessen und diese miteinander vergleichen. Die in einem Jahr jeweils 20 Prozent besten Mitarbeiter eines Bereiches wurden mit einem Bonus belohnt, die 10 Prozent der leistungsschwächsten Mitarbeiter wurden dagegen jeweils entlassen. Das Problem an solchen Systemen: Sie untergraben Kooperation und das Teilen von Informationen. Ein Mitarbeiter findet heraus, wie er seine Arbeit wesentlich effektiver erledigen kann. Wird er den anderen im Team davon erzählen? Mitunter führen solche Nullsummenspiele auch zu aktiver Sabotage der „Wettbewerber“ im Team und Konflikten.
  12. Gefühl der Fremdbestimmung. Wenn Teammitglieder das Gefühl haben, dass ihnen Entscheidungen aufgezwungen werden, entsteht eine schwache Bindung und Identifikation mit den Zielen bis hin zum offenen oder verdeckten Widerstand. In der Psychologie spricht man von Reaktanz. Menschen werden reaktant, wenn sie ihren Entscheidungsspielraum als sehr eingeengt erleben.
  13. Organisation ohne Teamorientierung. Nicht jede Firma ist teamorientiert. Oft achten Personaler zu wenig darauf, wen sie als Mitarbeiter einstellen und den Kollegen zumuten. Oft haben Führungskräfte zu wenig Verständnis davon, wie Teams funktionieren und wie man diese führt. Nicht selten wird unwissentlich in ganzen Unternehmen Individualismus und Einzelkämpfertum belohnt und Kooperation bestraft.

Sollen Konflikte vermieden werden oder ein bestehender Konflikt reduziert werden, dann ist die Kenntnis dieser Konfliktursachen wesentlich.

So kann man diese typischen Konfliktauslöser abstellen und Konflikten vorbeugen. Dazu der nächste Abschnitt.

Konfliktprävention: Methoden

Nach dem Erkennen geht es um das Entschärfen der Konfliktpotenziale. Wie können Ursachen für Konflikt reduziert werden? Die im vorangehenden Abschnitt genannten Ursachen für Konflikte geben ganz direkt Hinweise auf Methoden zur Konfliktprävention, der Vorbeugung und Lösung von Konflikten. Diese zeigt der Schaukasten.

Praxistipps: Konfliktprävention

Maßnahmen der Konfliktprävention:

  • Als Maßnahme der Konfliktprävention ist hilfreich, das Ausmaß der strukturellen Risikofaktoren zu erheben. Am besten als kurzen Scan über alle Bereiche, Abteilungen und Teams hinweg, etwa mit dem Instrument Conflict-Scan von Wirtschaftspsychologische Gesellschaft. So stellen Sie rasch fest, in welchen Teams besonders hohe Risiken für Konflikt bestehen und können genau dort zielgerichtet ansetzen.
  • Zudem ist eine wesentliche Methode der Konfliktprävention, den überflüssigen Koordinationszwang zwischen Teams und zwischen einzelnen Personen von vornherein zu reduzieren. Wenn eine Partei immer auf Schritte der anderen Partei angewiesen ist, folgt daraus oft Unzufriedenheit und Streit. Als Lösung können weitgehend selbständig entscheidende Teams gelten. Koordinationszwang kann auch durch soziale Enge entstehen. Somit ist auch die räumliche Gestaltung von Arbeitsplätzen wichtig für die Konfliktprophylaxe.
  • Klare Rollen, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen reduzieren von Beginn an Machtkämpfe, Rollenkonflikte und Streit um Zuständigkeiten. Das ist eine zentrale Aufgabe jeder Konfliktvermeidung dies herzustellen – und es ist auch Aufgabe jedes Mitglieds im Team, klare Rollen und Zuständigkeiten für sich und andere einzufordern.
  • Vermeidung von zu starker interner Gruppenbildung und Zersplitterung bei Organisationen. Es ist schön, wenn Teams und Gruppierungen ihre eigenen Identitäten haben, aber dominant und steuernd sollte immer die Unternehmenskultur sein. Diese sollte dazu aktiv geführt werden, etwa mit dem Instrument Culture-Scan von Wirtschaftspsychologische Gesellschaft.
  • Zu heterogene Gruppen und Kulturen innerhalb einer Organisation sollten wo möglich vermieden werden. Gravierende kulturelle Differenzen, unterschiedliche Persönlichkeiten und Werte der Teammitglieder führen oftmals zu Prozessverlusten und Konflikt. Auf diese Methode der Konfiktprävention ist bereits bei der Zusammenstellung von Teams zu achten.
  • Vermeidung von Nullsummen-Situationen, etwa in den Anreizsystemen. Überall wo der Gewinn des einen einen Verlust für den anderen bedeutet ist Konflikt wahrscheinlich. Entsprechend sollte bei Ansätzen zur Motivation von Mitarbeitern (wie etwa der leistungsbezogenen Bezahlung) darauf geachtet werden, dass diese sich an der absoluten und nicht an der relativen Leistung orientieren.
  • Auch eine Partizipation an Entscheidungen reduziert das Konfliktpotenzial, da die Betroffenen die Ergebnisse eher akzeptieren und Widerstand gegen Ziele weniger wahrscheinlich ist.

Idealerweise entsteht durch diese Methoden der Konfliktprävention erst einmal gar kein Konflikt oder der Konflikt wird gelöst. Wenig ratsam ist es Konfliktpotenziale nicht zu beachten und einfach zu belassen. Bleibt ein Konflikt ungelöst, so besteht die Hoffnung, dass er von selbst verebbt, etwa weil das Thema nicht mehr präsent ist, um das gestritten wurde. Allerdings besteht hier die Gefahr einer Konfliktverschiebung auf die Beziehungsebene. Beziehungskonflikte sind dann umso schwerer zu lösen. Zudem besteht die Gefahr, dass sich Konflikte ausweiten. Bisher völlig unbeteiligte Personen werden dann in den Konflikt hineingezogen und schließlich selbst Konfliktpartei.

Der abschließende Abschnitt gibt Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung.

Konfliktprävention im Team: Literatur

Aktuelle Literatur-Tipps zu Konfliktprävention.

Tipp
Tipp

Nicht immer genügen derartige strukturelle Maßnahmen, um einen Konflikt zu lösen. Deshalb stellt das nächste Kapitel einen Lösungsprozess für Konfliktsituationen vor.