Ungelöste Konflikte sind für viele Mitarbeiter und Teams eine traurige Realität. Sie stören das Betriebsklima und behindern die Arbeit. Wie ist ein Konflikt definiert? Welche Konfliktarten gibt es? Ist ein Konflikt automatisch schlecht? Wer die Definitionskriterien für einen Konflikt und die Konfliktarten kennt, kann Konflikte rechtzeitig erkennen, richtig einordnen und verhindern.
Hier setzt dieser Beitrag an. Er zeigt die Psychologie und Forschungsergebnisse dazu. Als erstes gibt es eine Definition für Konflikt. Dann zeigt der Beitrag die wichtigsten Arten von Konflikt mit Beispielen.
Autor: Diplompsychologe Professor Dr. Florian Becker
In diesem Beitrag:
Konflikt: Definition und Kriterien
Was ist ein Konflikt? Die wissenschaftlichen Kriterien, die einen sozialen Konflikt definieren, sind (vgl. v. Rosenstiel, Molt und Rüttinger, 2005):
- ein gemeinsames Interaktionsfeld besteht (Konfliktfeld),
- es besteht eine Spannungssituation,
- zwei oder mehrere Parteien sind beteiligt,
- die Ziele und Handlungspläne und werden von den Beteiligten als unvereinbar wahrgenommen,
- es besteht bei den Beteiligten Bewusstsein über die Gegnerschaft.
Nach dieser Definition für Konflikt braucht eine Partei der anderen Partei gar nicht tatsächlich mit unvereinbaren Handlungsplänen schaden, damit es zum Konflikt kommt – es genügt wenn die andere Partei lediglich glaubt, dass dies so sei.
Mit dieser Definition ist klar, was Konflikte sind. Und es ist noch etwas klar: Die vier Definitionskriterien zeigen auch klar, was keine Konflikte sind. Eine bloße Verschiedenheit von Meinungen reicht nicht aus, wenn diese nicht zu unvereinbaren Handlungsplänen führen und sich die Parteien auch wechselseitig darüber bewusst sind. Es gibt dann eben unterschiedliche Meinungen zu einem Thema und jeder „macht sein Ding“, ohne die andere Partei groß zu tangieren. Darüber hinaus kommt es auch nicht zum Konflikt, wenn eine Partei der anderen noch so schadet, so lange sich die andere Partei dessen nicht bewusst ist.
Als Fazit gilt folgende Definition für Konflikt:
Der hier definierte soziale Konflikt (oder interpersonelle Konflikt) grenzt sich ab vom intrapersonellen Konflikt. Intrapersoneller Konflikt ist der Fall, wenn innerhalb einer Person selbst ein Motivkonflikt besteht, weil sie verschiedene Motive und Ziele nicht integrieren kann. Ein typisches Beispiel: Ein Mann empfindet Zuneigung zu einer Frau und würde diese gerne näher kennenlernen – er hat aber gleichzeitig Angst sie anzusprechen und sich zu offenbaren.
Der nächste Abschnitt zeigt die verschiedenen Arten von interpersonellem Konflikt.
Konfliktarten
Es gibt verschiedene Arten von Konflikten. Viele davon können auf dem Dimensionen funktional vs. dysfunktional, manifest vs. latent und Sachkonflikt vs. Beziehungskonflikt angesiedelt werden. Hier eine Übersicht.
Die wichtigsten Konfliktarten sind:
- funktionaler Konflikt
- dysfunktionaler Konflikt
- manifester Konflikt
- latenter Konflikt
- Beziehungskonflikt
- Sachkonflikt
- Verteilungskonflikt
- verschobener Konflikt
- Rollenkonflikt
- Zielkonflikt
Wer diese Konflikt-Typen kennt, kann Konflikte schneller erkennen. Er kann dort eingreifen, wo Konflikte das Miteinander bedrohen, bevor diese voll ausbrechen
Es folgt eine Beschreibung der verschiedenen Arten von Konflikt.
Funktionaler Konflikt
So gibt es funktionale Konflikte in Teams, bei denen es um die Sachebene geht, um diese für alle Beteiligten zu verbessern. Diese Konflikte sind wichtig, da ohne sie keine Veränderung und Innovation möglich ist. Häufig treten solche Konflikte bei Veränderungsprozessen auf, die naturgemäß nicht ohne Spannungszustände ablaufen.
Ein Beispiel für einen funktionalen Konflikt: Mit dem Führungswechsel bei Siemens im Zuge der Korruptionsaffäre kam mit Peter Löscher viel Veränderung. Die schwarzen Kassen wurden abgeschafft, die Klage in den USA wegen Korruption wurde geklärt, für Missstände verantwortliche Führungskräfte wurden entfernt, zahlreiche Beratungsaufträge wurden gekündigt. Das alles ging nicht ohne Konflikt, war aber notwendig und führte auf der Sachebene zu Verbesserungen, in der Regel zum Vorteil der Beteiligten.
Damit Konflikte funktional bleiben, ist es sinnvoll Mitarbeiter zu schulen. Wesentliche Themen in solchen Schulungen sind: Kritik konstruktiv äußern, Feedback annehmen, argumentieren und Präsentieren sowie aktives Zuhören.
Dysfunktionaler Konflikt
Am anderen Pol der Dimension funktional und dysfuntional stehen die dysfunktionalen Konflikte. Diese schaden allen Beteiligten mehr, als sie nutzen. Ein Beispiel wäre ein Rosenkreig, bei dem sich ehemalige Ehepartner gegenseitig vor Gericht „zerfleischen“. Es geht dann im Extremfall nicht mehr darum, einen Vorteil zu erreichen, sondern der anderen Partei maximal zu schaden. Ähnliches findet sich auch bin Teams und am Arbeitsplatz. So kann bei manchen erbitterten Streiks davon ausgegangen werden, dass sich letztendlich beide Parteien schaden.
Ein Beispiel für einen dysfunktionalen Konflikt: Streiken die Lokführer zu lange ohne Einigung mit der Unternehmensführung der Bahn, dann trifft es wirtschaftlich die Bahn und gefährdet letztendlich die Profitabilität und damit auch die eigenen Gehälter und Arbeitsplätze. Die Fernbus-Anbieter und Fluggesellschaften profitieren davon im Wettbewerb als lachende Dritte.
Ein wesentlicher Aspekt, um dysfunktionale Konflikte zu verhindern und vorzubeugen sind Maßnahmen, die den Teamgeist und Zusammenhalt stärken.
Latenter Konflikt
Latente Konflikte schwelen vor sich hin, ohne wirklich aufzufallen. Die Mitarbeiter in einem Unternehmen sind beispielsweise unzufrieden aber das äußert sich noch nicht wirklich. Ebenso kann die Bevölkerung eines Landes mit der politischen Führung unzufrieden sein, ohne dass sich lange Zeit etwas direkt bemerkbares tut.
Allerdings gibt es Hinweise für latente Konflikte, wie etwa hohe Fluktuation in einer Abteilung oder ein hoher Krankenstand.
Ein latenter Konflikt kann schlagartig manifest werden. Manifeste Konflikte äußern sich direkt und sind klar beobachtbar, zum Beispiel in Form von Streik oder Protest. In so fern sollten latente Konflikte bereits möglichst frühzeitig behandelt werden, bevor sich diese manifestieren.
Maßnahmen, um latente Konflikte zu verhindern sind: Keine ungeeigneten Persönlichkeiten in ein Team platzieren, Teams nicht mit zu hoher Diversität aus unterschiedlichen Menschen aufbauen. Zu große Unterschiede bilden häufig die latenten Sollbruchstellen, an denen irgendwann Konflikt ausbricht.
Sachkonflikt
Ein Sachkonflikt dreht sich um eine Sache, etwa um eine Ressource wie eine attraktive Position im Unternehmen. Auch gehören Konflikte über Ziele für ein Team oder den richtigen Ansatz, um bestimmte Ziele zu erreichen typischerweise zu den Sachkonflikten.
So findet man beispielsweise, dass zwei oder mehr Mitarbeiter um eine Führungsposition konkurrieren. Nur eine Person kann diese Position jedoch haben. Sobald die Position besetzt ist, ist der Konflikt auf der Sachebene gelöst. Es besteht aber die Gefahr, dass sich Sachkonflikte auf die Beziehungsebene verlegen, wenn sie nicht nach akzeptierten Regeln gelöst werden.
Sachkonflikte sind oftmals funktionale Konflikte, führen also zu sinnvollen Veränderungen und Verbesserungen auf der Sachebene: Ein Unternehmen bekommt dadurch neue und bessere Ziele, ein neuer Weg wird entwickelt, mit dem man bestimmte Ziele schneller und effektiver erreicht.
Eine Art von Sachkonflikt sind Verteilungskonflikte. Hier geht es um die Verteilung von attraktiven (Geld, bestimmte Tätigkeiten) oder weniger attraktiven (andere Arbeitstätigkeiten) Prozessen und Ressourcen. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass es nicht gerecht zugeht bei der Arbeitsverteilung oder den Gehältern, kann schnell ein Verteilungskonflikt ausbrechen. Ein Beispiel ist, wenn verschiedene Personen für die gleiche Tätigkeit sehr unterschiedlich viel Geld bekommen. Typischerweise bekommen Professoren für eine Lehrveranstaltungsstunde wesentlich mehr Geld als angestellte Lehrbeauftragte. Das empfinden manche als ungerecht.
Zielkonflikte gehören ebenfalls zu den Sachkonflikten. Menschen priorisieren dann unterschiedliche Ziele. Eine Beispiel für einen Zielkonflikt: Eine Führungskraft im Vertrieb hat das Ziel, dass Mitarbeiter möglichst viele Kunden möglichst schnell bearbeiten, um Personalkosten zu sparen. Eine Mitarbeiterin hat aber das Ziel, sich Zeit für die einzelnen Kunden zu nehmen und diese wirklich zufrieden zu machen.
Sachkonflikte erfordern ähnliche Maßnahmen wie funktionale Konflikte. Teammitglieder sollten folgendes beherrschen: Kritik konstruktiv äußern, Feedback annehmen, argumentieren und Präsentieren sowie aktives Zuhören.
Beziehungskonflikt
Beziehungskonflikte haben eher etwas mit emotionaler Verfeindung der betroffenen Personen als mit Verbesserungen auf der Sachebene zu tun.
Ein Beispiel für einen Beziehungskonflikt: Zwei Mitarbeiter haben um eine Stelle konkurriert, diese ist aber mittlerweile vergeben. Die Entscheidung über die Stelle ist also gefallen, der Konflikt auf der Sachebene entschieden. Der unterlegene Mitarbeiter kann das dennoch emotional nicht verarbeiten und ist langfristig nachtragend. Er versucht fortgesetzt die Arbeit des anderen zu sabotieren. Der Konflikt geht also auf der Beziehungsebene weiter. Eine sachliche und funktionale Verbesserung kann hierdurch nicht erreicht werden. Wie in diesem Beispiel sind Beziehungskonflikte daher ganz über wiegend auch dysfunktionale Konflikte.
Beziehungskonflikte sind oft latent und dysfunktional. Daher bieten sich vergleichbare Maßnahmen an, um dieser Konfliktart professionell zu begegnen: Den Teamgeist und Zusammenhalt stärken, keine ungeeigneten Persönlichkeiten in ein Team platzieren, Teams nicht mit zu hoher Diversität aus unterschiedlichen Menschen aufbauen.
Verschobener Konflikt
Eine weitere interessante Art von Konflikt ist der verschobene Konflikt. Der Konflikt findet dann nicht auf dem eigentlichen Schauplatz statt, sondern auf einem Nebenkriegsschauplatz. Das kann daran liegen, weil es auf dem eigentlichen Feld schon eine Entscheidung gibt oder sozialer Druck eine offene Auseinandersetzung verhindert. Ein guter Hinweis auf so eine Situation ist, wenn Parteien immer wieder neue Themen finden, sich zu streiten, die es eigentlich nicht rechtfertigen. Typischerweise finden verschobenen Konflikte scheinbar auf der Sachebene statt – im Hintergrund liegt aber ein Beziehungskonflikt. Zwei Personen oder Gruppen können sich nicht leiden und finden daher immer wieder Sachen über die sie sich streiten.
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Hier geht es vor allem darum, verschobene Konflikte auch als solche zu erkennen. Ansonsten wird man sich immer wieder mit scheinbaren Konflikten befassen und diese lösen – die Konfliktparteien finden aber schon bald darauf ein neues Schlachtfeld. Sobald man erkannt hat, welcher Konflikt im Hintergrund liegt, kann man diesen mit geeigneten Maßnahmen angehen.
Rollenkonflikt
Rollenkonflikte finden im Gegensatz zu den bisher beschriebenen Konflikten innerhalb einer Person statt. Es sind intrapersonale Konflikte. Ein Rollenkonflikt tritt auf, wenn zwei Rollen, die eine Person hat nicht gut zu integrieren sind.
Ein Beispiel für einen Rollenkonflikt: Professoren sollen gute Lehre leisten, forschen und publizieren, in der Praxis aktiv sein und sich an der Selbstverwaltung von Hochschulen beteiligen. Zeit ist nicht unendlich, daher kann es zwischen diesen verschiedenen Rollen zum Konflikt kommen kann. Es geht dann darum „ich als Wissenschaftler“, „ich als Praktiker“ und „ich als Lehrender“ in ein gutes Miteinander zu bringen mit maximaler Synergie.
Rollenkonflikte verhindert man durch klare und sinnvolle Ziele für Mitarbeiter. Diese sollten nicht widersprüchlich sein und wo doch Widersprüche entstehen, sollte es klare Prioritäten geben. welches Ziel hat im Zweifel Vorrang?
Der nächste Abschnitt gibt weitere Tipps rund um Konflikt und seine verschiedenen Arten.
Konflikte: Tipps
Aus der Definition von Konflikt und den beschriebenen Arten lassen sich wichtige Tipps für die Praxis ableiten.
Als Zwischenfazit lässt sich festhalten:
- Konflikte sind nicht von Haus aus negativ. Funktionale Konflikte und Konflikte auf der Sachebene sind notwendig für Organisationen, damit es Fortschritt und Verbesserungen geben kann. Die Kunst ist also: Funktionale Konflikte ermöglichen, ggf. sogar zu fördern – ohne dass diese Konflikte zu dysfunktionalen Konflikten werden.
- Es ist darauf zu achten, dass Konflikte nicht auf der Beziehungsebene stattfinden und in dysfunktionale zerstörerische „Teufelskreise“ eskalieren.
- Teammitglieder sind dafür so konfliktfähig zu machen, dass Konflikte zu sachlichen Verbesserungen führen können, ohne den Beziehungen zu schaden. Dafür sind einfach Kompetenzen im Bereich der Kommunikation mit entscheidend: Zuhören können, Feedback geben können, Feedback empfangen können, unterschiedliche Interessen ansprechen und verhandeln können.
- Beziehungskonflikte müssen auch auf der Beziehungsebene gelöst werden. Häufig äußern sich Beziehungskonflikte auf der Sachebene, man spricht von verschobenem Konflikt. Es gilt dann genau zu prüfen, ob die Sachebene den Konflikt wirklich rechtfertigt oder sich der Beziehungskonflikt hier nur äußert. Ansonsten liegt der Verdacht auf einen Beziehungskonflikt nahe. Ein Lösung auf der Sachebene würde den Konflikt dann nicht lösen können, die Parteien finden eine neue Sache, um die sie sich streiten können.
- Konflikte können auch bestehen, bevor sie sich in offener Konfrontation äußern. Je früher so ein latenter Konflikt gelöst wird, desto einfacher geht es noch. Mit zunehmender Manifestation des Konfliktes verschärft sich dieser und eine Lösung wird immer herausfordernder.
Der letzte Abschnitt gibt Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung.
Konflikte: Literatur
Aktuelle Literatur-Tipps zu Teamarbeit.
- Jiranek, Heinz (Autor)
Das nächste Kapitel befasst sich mit weiteren Arten von Konflikten nach Ebenen.