Team-Diversity gewinnt? Diversität als zweischneidiges Schwert

Was bedeutet Diversität? Diversity in Unternehmen ist eine Tatsache. Das trifft besonders auf die Teamarbeit zu. Unternehmen, Führungskräfte und Teams stehen vor der Herausforderung, wie sie mit Vielfalt erfolgreich umgehen. Rund um das Thema gibt es viel „Hurra“ – aber auch einige Skepsis und Erfahrung in der Praxis. Sind „bunte Teams“ tatsächlich leistungsfähiger? Welche Vorteile hat Diversität? Welche Nachteile gibt es? Es sind komplexe und auch ideologisch umkämpfte Fragestellungen. Hier die Wissenschaft im Überblick dazu.
Das Kapitel skizziert die Forschung und leitet daraus pragmatische Leitlinien für die Praxis ab. Es zeigt, wie wir die Früchte ernten, die Diversität uns bietet – ohne die Nachteile zu erleiden. Es gibt eine Definition und beschreibt Diversitätsmerkmale, diskutiert Vorteile und Nachteile und liefert entscheidende Tipps zum Diversity Management. Leser erfahren, welche Art von Diversität ihre Teams eher bremst – und auf welche Diversität es wirklich ankommt, damit Teamarbeit erfolgreich ist.

Autoren: Diplompsychologe Professor Dr. Florian Becker und Diplomkauffrau Professor Dr. Xiaojuan Ma

Diversität in Teams: Wann ist Team-Diversity sinnvoll, wann nicht?
Diversität in Teams: Wie viel „hurra“ ist sinnvoll?

Diversität: Definition

Was ist Diversität? Viele Wissenschaften verwenden diesen Begriff, um Vielfalt zu definieren. In der Psychologie bezieht sich der Begriff naturgemäß auf Menschen. Aus Sicht der Psychologie bietet sich folgende Definition für Diversität an:

Diversität bezieht sich auf das Ausmaß der Streuung bei (demografischen) Merkmalen der Mitglieder einer Gruppe.

Nach dieser Definition ist Diversität eine Tatsache in vielen Teams. Mitarbeiter in Unternehmen werden immer vielfältiger, was demografische Aspekte wie Geschlecht, Alter, Berufserfahrung, Ausbildung oder kulturelle Herkunft angeht. Die Trends dahinter sind die wachsende Berufstätigkeit von Frauen, längere Lebensarbeitszeit sowie Globalisierung und multikulturelle Gesellschaften (vor allem bei den jungen Generationen, den Mitarbeitern der Zukunft). Dazu kommen staatliche Regulierungen für Menschen mit bestimmten Merkmalen (z.B. Quoten, Zielvorgaben und Förderprogramme) in vielen Ländern – etwa Quoten für den Anteil von Frauen in Vorstandsteams. Das Schlagwort Diversität bzw. das englische Diversity hat sich eingebürgert, um dieses Ausmaß von demografischen Unterschieden in Teams zu bezeichnen.

Entsprechend können wir Team-Diversity definieren:

Team-Diversity bezieht sich auf das Ausmaß der Streuung bei (demografischen) Merkmalen der Mitglieder eines Teams.

Das Wort „demografischen“ ist in der Definition von Team-Diversity in Klammern gesetzt. Warum? Weil die ganze Diskussion um Diversität noch sehr an der Oberfläche klebt: an den offensichtlichen Merkmalen wie Geschlecht, kultureller Herkunft oder Alter. In der Psychologie bezeichnet man das als Surface-Level-Diversity (Harrison et al., 2002). So beschränkt sich die öffentliche Diskussion zu Diversity bisher sehr auf diese rein oberflächlichen Merkmale der Teammitglieder. Tiefere Aspekte wie Persönlichkeitsmerkmale oder Kompetenzen kommen zu kurz, sind bisher ignoriert. Die Wissenschaft, insbesondere die Psychologie, ist schon weiter und beachtet Deep-Level-Diversity. Sie interessiert  sich für tiefgehende Aspekte von Diversität wie Persönlichkeitsmerkmale und Kompetenzen. Darauf gehen dann die beiden folgenden Kapitel im Detail ein.

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Dimensionen von Diversität

Was sind wichtige Dimensionen von Diversität? Aktuell ist der Blick sehr stark auf demografische Merkmale und Eigenschaften von Menschen verengt. Motto: „Wie hoch ist der Frauenanteil im Vorstand?“ Typischerweise beachtete Dimensionen von Diversität sind:

  • das Geschlecht
  • das Alter
  • die kulturelle Herkunft
  • Religionszugehörigkeit

Hinter dieser Oberfläche gibt es eine weitere Ebene: die so genannte Deep-Level-Diversity (Phillips und Loyd, 2006). Tiefergehende Dimensionen der Diversität, vor allem psychologische, finden noch kaum Beachtung und Aufmerksamkeit. Wichtige psychologische Dimensionen von Diversität sind:

Unternehmen und Führungskräfte können bis zu einem gewissen Grad gestalten, wie sie Teams zusammensetzen. Besonders relevante demografische Merkmale bei Teammitgliedern sind das Geschlecht, das Alter der Mitglieder und die kulturelle Herkunft sowie die Zeit der Organisationszugehörigkeit.

Was sind die Vorteile und Nachteile von Diversität? Dazu der nächste Abschnitt.

Diversity: Vorteile und Nachteile

Was bedeutet Diversität für Teamarbeit? Sind diverse Teams erfolgreicher? Ist Diversity im Team eher ein Nutzen oder Hindernis? Was sind Vorteile von Diversität? Gibt es Nachteile von Diversität? Bei der Zusammensetzung von Teams ist vor allem relevant, welche Auswirkungen Unterschiede bei den Merkmalen haben. Wie viel Unterschied im Team ist zielführend? Wie so oft ist die Antwort: It depends. Tatsächlich ist Diversität ein zweischneidiges Schwert in der Praxis (Milliken und Martins, 1996). Weder die Hurra-Rufer noch die Pessimisten haben in der Form recht!

Folgende Abbildung zeigt, dass Diversität Vorteile und Nachteile für Teams haben kann. Diese Effekte finden sich in der statistischen Tendenz, wenn man die Ergebnisse vieler Studien verdichtet (z.B. Srikanth, Harvey und Peterson, 2016). Sie können natürlich im Einzelfall anders sein. Die folgenden Abschnitte zeigen dann viele dieser Forschungsergebnisse.

Team-Diversity: Diversität hat Vorteile und Nachteile für Teamarbeit
Team-Diversity: Diversität hat Vorteile und Nachteile für Teamarbeit

So haben heterogene Teams vor allem drei Vorteile von Diversität:

  • unterschiedlicheres Wissen,
  • intensivere Diskussionen von Entscheidungen und
  • höhere Leistung bei der Entwicklung von vielfältigen Ideen.

Gleichzeitig treffen sie häufig diese Nachteile von Diversität:

  • erschwerte Kommunikation,
  • erhöhter Beziehungs-Konflikt (der nichts für die Arbeitsaufgabe beiträgt),
  • weniger Zusammenhalt im Team und geringere Identifikation damit (vgl. auch Tsui, Egan und O’Reilly, 1992),
  • mehr Fluktuation von Mitgliedern,
  • höhere Krankenstände sowie
  • verringerte Leistung bei der Umsetzung von konkreten Prozessen.

Teams mit geringer Diversität (homogene Teams) haben bei den letztgenannten Aspekten klare Vorteile. Diversität kann also je nach Aufgaben und Einsatzspektrum von Teams Vorteile oder Nachteile bringen. Forschungsergebnisse zur Rolle von einzelnen demografischen Merkmalen bei der Teamarbeit verdeutlichen diese „Zweischneidigkeit“ von Diversität.

Praxistipps

Die Vorteile- und Nachteile von Diversität lassen wichtige Schlüsse für die Praxis zu:

  • Vielfalt bei demografischen Merkmalen ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite lässt sich hier mehr Kreativität und Diskussion bei Entscheidungen erwarten, auf der anderen Seite drohen dysfunktionale Konflikte, höhere Abwesenheit und Fluktuation, geringerer Zusammenhalt, weniger Leistung bei der Umsetzung und mehr Erkrankungen bei Mitarbeitern.
  • Der Trick bei der demografischen Zusammensetzung von Teams ist die richtige Balance: Neues Denken und Innovation ermöglichen, ohne zu großen Konflikt zu erzeugen. Sollen Entscheidungen getroffen und gründlich durchdacht werden, sind eher heterogene Teams geeignet. Sollen Entscheidungen schnell getroffen sowie effektiv und routiniert umgesetzt werden, wird man homogenere Teams einsetzen.
  • Teams sind nicht statisch, sie können je nach Bedarf in der Zusammensetzung angepasst werden (Srikanth, Harvey und Peterson, 2016). Davon können Führungskräfte (ähnlich wie bei einem Spielerwechsel während eines Fußballspieles) Gebrauch machen. So wird man in frühen Phasen der Teamarbeit (Marks, Mathieu und Zaccaro, 2001), bei der eine Umsetzung vorbereitet wird, ggf. eher heterogene Teams einsetzen, später bei der Umsetzung eher auf homogene Teams setzen. Was bedeutet das konkret? Zum Beginn von Teamarbeit und in bestimmten Phasen geht es eher darum, grundlegende Entscheidungen zu treffen und das Projekt zu strukturieren. Hier kann Diversität wichtig sein. Es kann sinnvoll sein hier sehr unterschiedliche Personen ins Team zu holen, die als Experten bestimmte Blickwinkel einbringen. Später geht es um das effektive und effiziente Implementieren. Hier kann es sinnvoll sein, die Diversität im Team zu reduzieren und stark abweichende Teammitglieder in andere Teams zu platzieren.
  • Eine noch elegantere aber anspruchsvolle Möglichkeit kann folgende sein: Fokus auf Deep-Level-Diversity. Surface-Level-Diversity in Feldern wie Geschlecht, soziale Schicht oder ethnische Herkunft stellt „Bruchstellen“ dar, an denen sich Missverständnisse, Konflikt, sozialer Stereotypisierung und Diskriminierung entzünden können. Dagegen anzukämpfen verlangt dauerhaft Ressourcen (Zeit und Aufmerksamkeit) von den Teammitgliedern und der Führung. Darunter leidet dauerhaft der Fokus auf die Arbeitsaufgaben. Deep-Level-Diversity in Feldern wie Wissen, Perspektiven auf die Realität und Kompetenzen ist dagegen die Diversität, auf die es wirklich ankommt für gute Entscheidungen.
    Warum ist dieser Weg anspruchsvoll zu gehen? Surface-Level-Diversity sieht man und kann diese direkt berücksichtigen. Deep-Level-Diversity ist dagegen viel anspruchsvoller zu erkennen. Dieser Weg erfordert kompetente Führungskräfte und psychologisch geschulte Personaler. Zudem sind oberflächliche Merkmale teilweise mit tieferen Merkmalen verknüpft – etwa das Dienstalter mit dem fachlichen Wissen und Erfahrungen oder kulturelle Herkunft mit Werten. Dieser „Königsweg“ zum Umgang mit Team-Diversity erfordert also eine wirklich professionelle Teamzusammenstellung.

Die folgenden Abschnitte behandeln Forschungsergebnisse zu einzelnen Aspekten der Diversität.

Gender-Diversity: Auswirkungen in Teams

Was bedeutet Gender-Diversity für Teamarbeit? Ein auch ideologisch umkämpftes Thema ist die Frage, welche Effekte die Zusammenstellung von Teams in Hinblick auf das Geschlecht der Mitglieder hat – nicht zuletzt durch die Einführung von Frauenquoten für Führungspositionen in zahlreichen europäischen Ländern wie Deutschland, Frankreich, Holland, Island, Norwegen oder Spanien. So sind prinzipiell homogene Teams möglich (entweder nur Frauen oder nur Männer) oder heterogene Teams in allen Schattierungen – von weiblich dominierten über ausgewogene bis hin zu männlich dominierten Teams.

Mittlerweile gehen Wissenschaftler von Vor- und Nachteilen geschlechtlich heterogener Teams aus (Hamilton, Nickerson und Owan, 2012). So sind auf der einen Seite Nachteile durch Prozessverluste bei der Koordination und Kommunikation zwischen Geschlechtern zu befürchten, auf der anderen Seite erhofft man sich Gewinne durch unterschiedliches Wissen und vielfältigere Kompetenzen.

Wie auch immer ist die empirische Bestätigung für eine politisch oft proklamierte Überlegenheit von gemischtgeschlechtlichen Teams dünn, sobald man reine Korrelationsstudien verlässt, die naturgemäß keine glaubhaften Schlüsse über Ursachen und Wirkungen zulassen. Mitunter zeigt sich sogar, dass homogene Teams überlegen sind (z.B. Adams und Ferreira, 2009; Apesteguia, Azmat und Iriberri, 2012). Zudem wird die Effektivität der Teams von den eigenen Mitgliedern als geringer eingestuft, wenn diese heterogen sind (Baugh und Graen, 1997).

Forscher berichten bei gemischt-geschlechtlichen Teams auch von stärkerem Konflikt (z.B. Pelled, 1996), höheren Fluktuationsraten, geringerem Zusammenhalt und geringerer Teamleistung (z.B. Milliken und Martins, 1996). Kritisch scheint vor allem zu sein, wenn der Anteil an Frauen über die Hälfte steigt. Statistische Auswertungen (Wegge et al., 2008) zeigen für diesen Fall geringere Leistungen und sogar höhere Raten an Erkrankungen in den Teams (was auf größere Stresswerte z.B. durch Konflikte zurückgeführt werden kann). Andere Untersuchungen zeigen, dass ein hoher Frauenanteil die Kündigungswahrscheinlichkeit für Frauen und Männer steigert – ein hoher Männeranteil aber die Kündigungswahrscheinlichkeit von Frauen und Männern verringert (Leonard und Levine, 2006).

Alters-Diversität: Auswirkungen in Teams

Wie wirkt sich Alters-Diversität aus? Jüngere und ältere Mitarbeiter zeigen über verschiedene Tätigkeiten hinweg sehr ähnliche Leistung (Warr, 1999). Ältere Teammitglieder scheinen aber dann positive Effekte auf die Teamleistung zu haben, wenn es um komplexe Tätigkeiten geht, die viel von Erfahrung profitieren. Bearbeiten die Teams Routinetätigkeiten, die schnell zu erledigen sind, scheinen jüngere Mitglieder effektiver zu sein.

Studien, die sich Effekte der Heterogenität von Alter in Teams angesehen haben, kommen in der Tendenz zu negativen Ergebnissen (vgl. Williams und O’Reilly, 1998; Ely, 2004), auch wenn einzelne Studien positive Effekte berichten. Insgesamt scheinen große Differenzen im Alter bei Teammitgliedern die Leistungsfähigkeit zu senken.

Kulturelle Diversität und Teamarbeit

Was bedeutet kulturelle Diversität für Teamarbeit? Im Bereich der kulturellen Herkunft gibt es zum einen Studien, in welchen Kulturen Teams generell besser funktionieren. Die Ergebnisse zeigen, dass Personen aus kollektivistischen und egalitären Kulturen in Teams mehr leisten. So eignen sich beispielsweise Skandinavier besser zur Teamarbeit als US-Amerikaner (Earley, 1999; Kirkman, Gibson und Shapiro, 2001). Ein zunehmend wichtiges Thema im Rahmen von Internationalisierung und demografischem Wandel sind zum anderen multinationale und multiethnische Teams (Watson, Kumar und Michaelsen, 1993).

Untersuchungen im Kontext der kulturellen Diversität von Teams sprechen für eine Unterlegenheit der kulturell heterogenen Teams in der Leistungsfähigkeit. Zwar haben diese Teams als Stärke, dass sie verschiedene Sichtweisen zu einer Aufgabe einbringen aber die verschiedenen Sichtweisen, Normen und Kommunikationsgewohnheiten erschweren die produktive Zusammenarbeit. Ein weiteres Problem kulturell heterogener Teams ist, dass diese Gruppen offenbar einen niedrigeren Zusammenhalt aufweisen (vgl. McGrath, 1984). Auch diese geringere Gruppenkohäsion kann die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.

Entsprechend zeigen umfangreiche statistische Metaanalysen (Stahl et al., 2010), dass kulturelle Diversität zu erhöhter Kreativität aber auch zu erhöhtem Konflikt (Sessa, 1993) und reduzierter sozialen Integration in Teams führt. Die bessere Leistung bei der Entwicklung von Ideen und kreativen Aufgaben verwundert nicht, denn hier muss nicht wirklich so stark interagiert werden, wie bei der Umsetzung. Die einzelnen Mitglieder bringen ihre Gedanken vor, ohne sich eng mit anderen koordinieren zu müssen. Kulturelle Diversität führt zudem in größeren Teams zu umso schlechterer Kommunikation im Vergleich zu homogenen Teams. Allerdings scheinen sich die Unterschiede in der Leistungsfähigkeit zwischen kulturell homogenen und kulturell heterogenen Teams nach mehreren Monaten anzugleichen, die jeweiligen Teams zueinander zu finden und sich „zusammen zu raufen“.

Konsequenzen der Zeit der Organisationszugehörigkeit von Teammitgliedern

Die Zeit der Zugehörigkeit zu einer Organisation hat ebenfalls Bedeutung für die Teamarbeit (Williams und O’Reilly, 1998). Starke Heterogenität ist auch hier eher ungünstig und führt zu erhöhtem Konflikt, schlechterer Kommunikation, hoher Fluktuation und geschwächtem Zusammenhalt. Mitarbeiter, die schon sehr lange dabei sind, verharren oftmals an hergebrachten und gewohnten Herangehensweisen, neue Mitglieder im Team dagegen stellen diese in Frage, was zu Spannungen führt.

Diversity-Management in Teams: Maßnahmen und Tipps

Welche Tipps und Maßnahmen lassen sich aus der Diversitätsforschung für die Teamarbeit ableiten?

Wichtig bei allen Zusammenhängen und Tipps ist folgender Leitgedanke: Alle Eigenschaften von Gruppen wie älteren oder jüngeren Mitarbeitern, verschiedenen Kulturen und Geschlechtern sind Aussagen über Mittelwerte. Sie lassen keine sichere Aussage über einzelne Mitarbeiter zu, beschreiben lediglich Wahrscheinlichkeiten – d.h. für die Praxis sie beschreiben Chancen und Risiken für Eigenschaften und Verhalten. Es wäre daher ethisch nicht gerechtfertigt, einzelne Personen aufgrund der Mittelwerte ihrer Gruppen, denen sie angehören, zu behandeln. Ansonsten besteht die Gefahr einer sozialen Stigmatisierung von einzelnen, wegen ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen. Diesen Leitgedanken im Kopf fasst der Schaukasten die entscheidenden Maßnahmen für ein Diversity-Management bei Teams zusammen.

Praxistipps

Fasst man die Forschungsergebnisse zu demografischen Aspekten von Teammitgliedern zusammen, so lassen sich wichtige Erkenntnisse für Führungskräfte gewinnen, die immer unter dem vorausgehenden Leitgedanken betrachtet werden sollten:

  • Ein massiver Fokus auf soziale Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit der Teammitglieder lohnt sich. Das ermöglicht es dem Team die Vorteile von Diversität zu ernten – ohne die Risiken zu erleiden. Teammitglieder müssen zuhören können, konstruktiv Feedback geben, Feedback annehmen können und eigne Ideen und Interessen verständlich und wertschätzend mitteilen können.
  • Ungünstig wirken sich in der Regel große Lücken in der Verteilung von demografischen Merkmalen aus – etwa wenn die eine Hälfte des Teams sehr jung ist und die andere Hälfte bereits eher alt. Hier kann Spannung entstehen und eine Blockbildung eintreten. Unterschiedlichste Vorgehensweisen und Blickwinkel werden dann die Zusammenarbeit erschweren (Lau und Murnighan, 1998; Lau und Murnighan, 2005). Wichtig ist daher – wo möglich – für fließende Übergänge auf diesen Merkmalen zu sorgen, um den Zusammenhalt zu gewährleisten. So ist es beispielsweise sinnvoll, in ein Team mit zwei über 45 Jährigen und zwei unter 25 Jährigen, eine Person aus dem Altersbereich um die 35 zu platzieren.
  • Persönliches Wachstum entscheidet. Teammitglieder sollten persönlich schneller wachsen, als die Herausforderungen. So kann ein Team über alle Herausforderungen mit Diversität hinauswachsen. Das erfordert Mitarbeitende für die es normal ist, aus ihrer Komfortzone zu gehen, heute besser als gestern zu sein und morgen besser als heute zu sein. Um das zu erreichen, sollten Personaler stark auf Lernwilligkeit, Lernfähigkeit und Selbständigkeit bei den Teammitgliedern achten.
  • Es gibt Hinweise, dass Teams mit sehr hohem Frauenanteil von besonderer Sensibilität und Aufmerksamkeit im Bereich Konfliktmanagement profitieren.
  • Teams mit älteren Mitarbeitern scheinen besser geeignet zu sein, bei komplexeren Arbeiten, die Erfahrung verlangen, Teams mit jüngeren Mitarbeitern scheinen stark bei Standardprozessen zu sein, die schnell umgesetzt werden können.
  • Kulturelle Diversität von Teams hat Vor- und Nachteile. So können kulturell heterogene Teams bei der Ideenfindung nützlich sein, für die konkrete Umsetzung sollten homogene Teams bevorzugt werden. Herkunftskulturen die individualistische Werte und Statusunterschiede stark betonen, sind für Teamarbeit weniger geeignet.
  • Bei Projekten mit kürzeren Zeithorizonten (unter einem halben Jahr) sollten möglichst kulturell homogene Teams angestrebt werden, um höhere Leistung bei der Umsetzung zu erreichen. Ausnahmen sind Teams mit Aufgaben, die verschiedene Kulturen stark betreffen und bei denen die Nationalität daher als kulturelle Kompetenz gewertet werden kann.

Fazit: Wer bei einer oberflächlichen Perspektive auf Diversität (Surface-Level-Diversity) stehen bleibt, der wird eher die Nachteile von Teamdiversität ernten – Abstimmungsprobleme, mangelnder Zusammenhalt und Konflikte. Wer tiefer geht und sich der darunter liegenden psychologischen Ebene von Diversität öffnet (Deep-Level-Diversity), der kann die Nachteile umgehen und die Vorteile von Diversität ernten – Kreativität, bessere Entscheidungen und innovative Lösungen.

Der letzte Abschnitt gibt Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung.

Diversity bei Teams: Literatur

Aktuelle Literatur-Tipps rund um Team-Diversity.

Tipp
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Teamarbeit, Teamentwicklung, Teamberatung: Ein Praxisbuch für die Arbeit in und mit Teams
  • Nowak, Claus (Autor)
  • Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ohne Altersbeschränkung

Bei den oberflächlichen demografischen Merkmalen von Teammitgliedern, die in diesem Kapitel vorgestellt wurden, ist Diversität oftmals ungünstig. Das ist bei tieferliegenden Merkmalen von Menschen wie Kompetenzen anders. Dazu das nächste Kapitel.