Agile Führung: Definition, Prinzipien, Tipps

Die Welt ist immer komplexer und ändert sich schnell auf oft unvorhersehbare Weise. Darauf schnell und flexibel zu reagieren, ist überlebensnotwendig für Unternehmen. Agil führen – das beschreibt diese Herausforderung für viele Führungskräfte. Wie das gelingt, zeigt dieses Kapitel.
Der erste Abschnitt liefert eine Definition für agile Führung, der zweite Abschnitt zeigt agile Prinzipien und Führungsmethoden, danach kommen Merkmale agiler Führung und Tipps für agiles Führen in der Praxis. …

Agilität: Manche Organismen können sich extrem gut an veränderte Bedingungen anpassen – diese Fähigkeit in Organisationen herzustellen, ist das Ziel agiler Führung

Definition von agiler Führung

Was ist agile Führung? Mit Agilität verbinden Menschen hohe Beweglichkeit. Das trifft es gut, was mit agil führen gemeint ist. Hier die Definition:

Agile Führung beinhaltet alle Maßnahmen, die Entscheidungen und Verhalten in einem Verantwortungsbereich schnell, flexibel und gut angepasst machen.

Ein agiler Führungsstil definiert also eine Führungskraft, die das im Führungsverhalten verinnerlicht hat. Diese Definition zeigt: Agile Führung ist eine Denkrichtung, die sich auf verschiedenste Maßnahmen stützt. Agiles Führen ist also ein grundlegendes Mindset, an Führung heranzugehen – nicht ein einzelnes klar umrissenes Verhalten. Es kann daher bei verschiedenen Führungskräften sehr unterschiedlich aussehen. Und es kann sehr verschiedenes betreffen: Wie Prozesse ablaufen (etwa Entscheidungen nach unten verlagern), welche Strukturen bestehen (etwa selbstorganisierte Teamarbeit statt einzelner direkt geführter Mitarbeiter), wie Mitarbeiter ausgewählt und entwickelt werden (z. B. Fokus auf Handlungsfähigkeit) oder welche Kultur im Bereich herrscht (beispielsweise Vertrauen statt Detailplanung und Kontrolle).

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An dieser Stelle ist klar: Weder ist agile Führung etwas Neues, noch macht sie überall Sinn. Es handelt sich um eine Mischung bekannter Prinzipien, Methoden und Maßnahmen, die immer dort sinnvoll sind, wo das Umfeld sich schnell und unberechenbar ändert und man flexibel agieren möchte. Und für viele Führungskräfte ist genau das Realität. Ihre Welt und die Rahmenbedingungen unter denen sie führen, verändern sich immer schneller und oft unberechenbar. Und einige Führungskräfte gehen diese Herausforderung proaktiv an, indem sie ein agiles Mindset und agile Werte entwickeln und diese Denkrichtung in jede Führungsentscheidung einfließen lassen.

Wie aber äußert sich ein agiles Mindset dann ganz konkret in Maßnahmen? Dazu geht es weiter im nächsten Abschnitt.

Agile Prinzipien und Methoden beim Führen

Wie kann man agiler führen? Das Ziel ist klar: Entscheidungen und Verhalten sollen schneller, flexibler und besser angepasst sein. Doch wo kann man konkret ansetzen, um agiler zu führen? Theoretiker und Praktiker haben eine Unzahl von agilen Methoden dafür vorgeschlagen (z.B. bei Scrum-Teams), die sich glücklicherweise auf wenige zentrale agile Prinzipien zusammenfassen lassen. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick.

Agile Führungsmethoden: Prinzipien und Merkmale

Konkret helfen folgende agile Methoden und Prinzipien bei der Führung.

Entscheidungen optimieren
Je weiter oben in der Hierarchie Unternehmen ihre Entscheidungen treffen, desto später sind diese getroffen und desto weniger haben sie mit dem aktuellen Bedarf zu tun. Je näher man die Entscheidungen an den Prozessen treffen kann, desto schneller und kundenorientierter sind diese. Dass Mitarbeiter nicht von Haus aus gute Entscheidungen treffen wollen und können, ist eine bittere Tatsache. Darum gibt es zwei Kapitel in diesem Fachtext, die sich nur damit beschäftigen, wie man Entscheidungen optimiert. In einem Kapitel geht es darum, was gute Entscheidungen sind und wie man sie trifft. Ein zweites Kapitel zeigt, wie man Mitarbeiter in Entscheidungen erfolgreich einbindet.
Voraussetzung für gute Entscheidungen sind auch handlungsfähige Mitarbeiter mit entsprechender Kundenorientierung. Dazu der nächste Punkt.

Handlungsfähige Mitarbeiter und Teams herstellen
Agilität gelingt nur mit motivierten Mitarbeitern, die wirklich gute Lösungen anstreben ­ und die zudem in der Lage sind diese selbständig zu entscheiden, sich im Team abzustimmen und umzusetzen. Selbstorganisierte Mitarbeiter und Teams sind hier das Ziel. Mit demotivierten oder wenig selbständigen bzw. wenig kompetenten Mitarbeitern führt Agilität in die Katastrophe. Hier wird oft gar nicht entschieden (den Mitarbeiter interessiert dann nur seine unmittelbare Ruhe, der Unternehmenserfolg ist mental weit weg und abstrakt) und Kunden werden missachtet und verärgert. Für die Themen Teamarbeit und Mitarbeitermotivation gibt es jeweils einen ganzen Fachtext, der zeigt, wie das geht.

Vertrauenskultur und gute Beziehungen schaffen
Handlungsfähige und motivierte Mitarbeiter verdienen Vertrauen. Eine Vertrauenskultur, die auf eigene Entscheidungen und selbständige Arbeit in klar definierten Handlungsbereichen setzt, erhöht das Tempo. Gute, vertrauensvolle Beziehungen sind auch die Grundlage, damit Teamarbeit funktionieren kann. Konflikte zersetzen die Motivation, dagegen motiviert ein positives emotionales Klima die Mitarbeiter. Ein eigenes Kapitel beschreibt, wie Führungskräfte so eine Vertrauenskultur aufbauen können.

Effektive Kommunikation – auch mit der Umwelt
Um schnell, kreativ und flexibel auf veränderte Anforderungen von Kunden oder anderen Aspekten der Umwelt zu reagieren, ist Kommunikation entscheidend. Gutes Zuhören und regelmäßiger Austausch sind eine wesentliche Basis, um Veränderungen frühzeitig mitzukriegen und berücksichtigen zu können. Das gilt nicht nur innerhalb des Teams, sondern gerade für die Kommunikation mit dem Umfeld: Informationen, etwa über automatisierte Datenerhebung, Marktforschung oder Informationen von Händlern und anderen Partnern helfen in engen Kontakt mit der Umwelt zu bleiben und frühzeitig zu reagieren.

Wenig direkte Führung und Reglementierung
Wenn die oben beschriebenen Prinzipien umgesetzt sind, dann kann sich Führung verändern. Abstrakt kann man dann eine Führungskraft eher als jemanden sehen, der gute Rahmenbedingungen schafft, anstatt nach command and control zu führen. Wie diese wenig direkte Führung gelingt, zeigt ein eigenes Kapitel zu nachhaltiger Führung.
Auch sonst gibt es weniger Reglementierung in agilen Umfeldern. Konkret bedeutet das beispielsweise Projekte starten mit eher unscharfen Anforderungen, diese klärt das Team dann im Verlauf selbständig, etwa mit den Kunden, die Führungskraft ist nur bei wirklich zentralen Entscheidungen eingebunden, die Initiative dafür geht aber vom Team aus.

Aus diesen Prinzipien ergeben sich dann in der Praxis bestimmt Merkmale, woran man agile Führung erkennen kann. Diese stellt der nächste Abschnitt vor.

Agile Führung: Merkmale

An welchen Merkmalen kann man erkennen, ob Führung agil ist? Wenn Führungskräfte lange genug und intensiv genug die oben genannten Prinzipien umsetzen, dann entsteht eine Agile Kultur. Unter stabilen Bedingungen entsteht dagegen meist eine wenig agile Führungskultur. Diese ist unter anderem gekennzeichnet durch langsame hierarchische Entscheidungen, direkte Anweisungen im Detail und starre Regeln. So lange die Welt so bleibt, funktioniert das meist. Wehe aber die Bedingungen ändern sich – dann bleibt oft eine Führung erhalten, die nicht mehr zu den Anforderungen passt.

Es gibt typische Merkmale: Agile Führung und wenig agile Führung sind in der Tabelle gegenübergestellt für eine schnelle Übersicht.

wenig agile Führung: Merkmale agile Führung: Merkmale
  • langsame, autoritäre Entscheidungen (wenn überhaupt entschieden wird) auf oberen Hierarchieebenen ohne Einbindung der Mitarbeiter und Kunden
  • schnelle, prozessnahe Entscheidungen mit starker Einbindung von Mitarbeitern und Kunden; Entscheidungen findet dort statt, wo sie am schnellsten und besten getroffen werden können
  • unselbständige, individuell geführte Mitarbeiter, die auf direkte Anweisungen warten und auf extrinsische Belohnungen reagieren
  • selbständige Mitarbeiter in selbstorganisierten Teams, die eigeninitiativ gute Lösungen anstreben
  • Kultur des Misstrauens, mit kleinauflösenden Zielen, direkten Aufträgen, Kontrolle und Konsequenzen (Belohnungen/Strafen)
  • Kultur gegenseitigen Vertrauens und gegenseitiger Wertschätzung zwischen den Mitarbeitern und zwischen Mitarbeitern und Führungskraft
  • Orientierung nach innen, Konzentration auf eigene Technologie und Kompetenzen
  • Orientierung nach außen, intensiver Austausch mit Kunden und Partnern
  • viel Reglementierung in Form von klaren Plänen, Vorschriften, Anträgen, Formularen, Koordinationszwang und Abstimmung
  • wenige zentrale Regeln, kaum Bürokratie, viel Vertrauen, selbstständige und selbstorganisierte Arbeitsgestaltung

Die Auflistung macht klar, dass agile Führung meist agile Teams einsetzt und letztlich bedeutet, einzelne Mitarbeiter weniger zu führen.

Was ist jetzt zu tun? Der letzte Abschnitt liefert die entscheidenden Tipps für die Praxis.

Tipps für agiles Führen

Zum Abschluss dieses Kapitels zeigen die zentralen Tipps, wie man agiler führen kann.

Tipps für agile Führung

Der letzte Abschnitt gibt Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung.

Agile Führung: Literatur

Aktuelle Literatur-Tipps zu agiler Führung.

Immer mehr Unternehmen befinden sich in der Situation, dass der Druck zu Innovation und Erneuerung stetig ansteigt. Das erfordert entschlossene Führung. Hierzu das nächste Kapitel.