Change-Management Prozess: Phasen und Ablauf

Wer sich mit Veränderungsmanagement in Organisationen befasst, steht irgendwann vor Fragen: Was ist ein Change-Management Prozess? Wie sieht der geeignete Ablauf aus? Womit fangen wir an? Es gilt einen Change-Management Prozess zu entwickeln, der alle wichtigen Phasen und Schritte des Wandels in der richtigen Reihenfolge beinhaltet. Nur: Gibt es tatsächlich klar aufeinander folgende Phasen oder Schritte, die sich in der Praxis bewährt haben? Oder sind Veränderungsprozesse einfach zu verschieden? Dazu dieses Kapitel.

Change-Management Prozess: Welche Schritte sind wichtig, damit das Projekt nicht abstürzt?

Phasen im Change-Management Prozess

Um Veränderungen erfolgreich herbeizuführen, hat sich ein Prozess aus Teilschritten bewährt. Phasenmodelle haben eine lange Tradition im Change-Management (z.B. Lewin, 1947; Schein, 1996; Kotter, 1996). Aus heutiger Sicht scheint es sinnvoll folgende Phasen im Change-Management Prozess abzugrenzen:

  • Vorbereitung der Veränderung
  • Initiieren der Veränderung
  • Begleitung der Veränderung
  • Abschluss der Veränderung

Für jede Phase gibt es geeignete Schritte. Diese sind als Angebote zu verstehen, die im Einzelfall mehr oder minder stark betont und auch in anderen Phasen reaktiviert werden können.

Die nächsten Abschnitte stellen diese Prozessphasen im Change-Management jeweils vor.

Vorbereitung des Change-Management Prozesses

Hier geht es darum, den Prozess vorzubereiten, die Rahmenbedingungen zu analysieren und das soziale System in die gewünschte Richtung zu motivieren. Geeignete Schritte im Veränderungsprozess sind hier:

Analyse des sozialen Systems. Wichtigste Grundlage für jede Transformation ist eine treffende Beschreibung der politischen Situation. Wer sind vermutlich Unterstützer der Veränderung? Warum? Welche Personen und Gruppen werden wohl Gegner der Veränderung sein? Welche Interessen und Einwände haben sie? Wer steht dem Change-Management Prozess eher neutral entgegen? Wie könnten diese Gruppen ein Interesse an der Veränderung bekommen?

Vision und konkreten Plan entwickeln. Wenn nicht gerade eine offensichtliche Krise ausgebrochen ist, dann ist Veränderung schwer zu vermitteln. Häufig entsteht Veränderungsbedarf aber schleichend. Und es ist besser das Change-Management anzugehen, bevor die Krise da ist und jeder merkt, dass etwas getan werden muss. Dann sind attraktive Visionen einer möglichen Zukunft eine wichtige Grundlage, um zur Transformation zu motivieren. Die berühmte Rede von Martin Luther King junior „I have a dream…“ ist hierfür ein Beispiel. Die Vision kann in einem Workshop gemeinsam mit den betroffenen entwickelt werden. Neben der Vision als emotionalisieren Zielzustand ist ein Plan mit notwendigen Schritten und Zwischenzielen sinnvoll.

Notwendigkeit vermitteln. Argumente sind wichtig. Sie alleine reichen aber meist nicht, um Menschen für eine größere Veränderung wachzurütteln. Daher ist es in Change Prozessen wichtig, die Notwendigkeit zusätzlich emotional zu vermitteln. Was wird Schlimmes passieren, wenn die Veränderung jetzt nicht erfolgt? Wie schlimm ist die Situation jetzt schon? Dieses sollte von den Betroffenen wirklich bildhaft und emotional in ihrer Vorstellung erlebt werden. Statistiken sind schön, aber es braucht hier zusätzlich Erlebnisse. Ein Mobilfunkunternehmen hat daher einen Parkour aufgebaut, den alle Mitarbeiter durchwandern und dort erleben, wie Kunden das Unternehmen aktuell erleben. Unter anderem gab es einen Mitschnitt aus der Hotline anzuhören, in dem ein Kunde zehn Minuten lang weitervermittelt und hingehalten wurde, ohne ihm zu helfen. Am Ende wurde übrigens einfach aufgelegt.

Erwartungsmanagement. Enttäuschte Erwartungen sind eine Quelle von Unzufriedenheit und Demotivation im Change Prozess. Für ein langfristiges Commitment der Mitarbeiter zum Change ist es daher wichtig, eventuelle Herausforderungen und Anforderungen zur Anpassung klar zu kommunizieren. Natürlich in einem optimistischen Grundton. Veränderungen nur als Wundermittel darzustellen und Herausforderungen zu verschweigen, ist kurzfristig vielleicht wirksam, zerstört aber langfristig mehr Vertrauen und Unterstützung. Neben der klaren Kommunikation, welche Herausforderungen anstehen, sollte auch dargestellt werden, wie diese Herausforderungen zu lösen sind und welche Ressourcen dafür zur Verfügung stehen.

Initiierung des Change-Management Prozesses

Die Vorbereitung ist abgeschlossen, der „Startknopf“ zur Transformation ist zu drücken. In dieser Change Managment Phase geht es darum, ein Team aus fähigen Personen zu aktivieren, zu ermächtigen und zu befähigen. Ein Start mit einfachen ggf. symbolischen ersten Schritten bestätigt die Erfolgsaussichten und bringt die aktive Veränderung in Fahrt.

Koalition an Unterstützern aktivieren. Sobald das soziale System analysiert ist, die Veränderung als attraktive Vision steht und die emotionale Notwendigkeit erarbeitet ist, braucht man eine Koalition an Unterstützern. Hier bieten sich die Personen an, die man als mögliche Unterstützer bei der Analyse identifiziert hat. Wenn die Initiative nicht ohnehin vom Top-Management kommt, dann muss dieses jetzt für die Ideen gewonnen werden. Dabei helfen die erarbeiteten Visionen und die emotional aufbereitete Notwendigkeit. Generell ist es wichtig, auch untere Führungskräfte für die Veränderung zu gewinnen, damit diese den Wandel nicht auflaufen lassen und torpedieren (Beer, 1988).

Verantwortliche benennen und ermächtigen. Für den Erfolg des Transformationsmanagements ist es jetzt wichtig, klar Verantwortliche zu benennen und mit der entsprechenden Macht und Entscheidungskompetenz auszustatten. Das kann in Form einer Projektgruppe geschehen, in der von jedem wichtigen Bereich, der von der Veränderung betroffen ist, ein Vertreter ist und seinen Teil für den erfolgreichen Wandel koordiniert. Alle Schlüsselpositionen sollten mit Personen besetzt sein, die den Wandel wirklich wollen und unterstützen. Personen, die die Vergangenheit repräsentieren und ihr festhalten, sollten an der Stelle von den relevanten Positionen entfernt werden.

Befähigen der Beteiligten. Wo noch nicht vorhanden, gilt es bei den Betroffenen die entsprechenden erforderlichen Kompetenzen für die neuen Rollen und Tätigkeiten aufzubauen. Dieser Schritt kann im Veränderungsprozess sehr lange laufen und jederzeit reaktiviert werden, wenn Kompetenzdefizite sichtbar werden.

Mit symbolischen Schritten starten. Um den Wandel psychologisch zu unterstreichen und zu verdeutlichen, sind erste hoch sichtbare symbolische Schritte sinnvoll. So gibt es Beispiele, dass eine Qualitätsoffensive damit startete, dass der Vorstand fertige Produkte vor allem Mitarbeitern mit einem Vorschlaghammer zertrümmerte. Ein Wandel von einer zentralistischen Struktur zu einer Struktur mit autonomen Geschäftseinheiten begann in einem Unternehmen damit, dass das große gemeinsame Bürogebäude geräumt wurde und jede Einheit ein eigenes neues Gebäude bezog. Auch im kleineren Bereich gibt es die Beispiele von Einwanderern in die USA, die ihre bisherigen Personaldokumente vor den Kindern verbrannten und den Familiennamen änderten, so dass er im Englischen besser ausgesprochen werden konnte. Die Integration gelingt den Kindern dann besser, als in den Familien, welche die neue Sprache ablehnen und immer noch die „Fahne des Herkunftslandes schwenken“.

Begleitung des Veränderungsprozesses

Die Realität ist meistens anders als der Plan. Und Motivation lässt nach. In dieser Change-Management Phase geht es darum, das Veränderungsmomentum aufrecht zu erhalten. Der „Schlitten“ muss weitergleiten, darf sich nicht festsetzen. Wenn die Veränderung stockt, besteht die große Gefahr, das neue Themen die Aufmerksamkeit bannen und Dinge einfach halbfertig liegen bleiben. Schritte in dieser Phase des Change-Managements sind:

Experimentieren und verbessern. Neue Programme funktionieren selten von Anhieb perfekt. Oft gibt es unerwartete Effekte und Nebenwirkungen. Dafür ist es sinnvoll agil heranzugehen, in kleineren Bereichen zu testen und zu verbessern. Wenn ein Ansatz dann richtig gut funktioniert, kann man ihn Unternehmensweit ausrollen. Das Erfolgsbeispiel lässt sich dann zur Motivation der Mitarbeiter in anderen Bereichen nutzen. Entsprechend diesem experimentellen Ansatz testet etwa die chinesische Regierung in verschiedenen kleineren Zonen Ansätze für soziale Credit-Point-Programme. Diese sind unterschiedlich gestaltet und werden parallel entwickelt und getestet. Die Erfahrungen kann man dann analysieren und auf der Basis ein landesweites Programm gründen.

Monitoring des Fortschritts. Während des Wandels sollte ein Monitoring erfolgen, welche Schritte des Veränderungsprozesses bereits abgeschlossen sind und wo Hindernisse auftreten. Es passiert immer unerwartetes. Hindernisse sollten wo möglich aus dem Weg geräumt werden. Wenn eine Veränderung des Plans notwendig ist, sollte dies klar kommuniziert werden an die Mitarbeiter, damit sich keine Gerüchte und Verwirrung bilden.

Kontinuierlich motivieren. Veränderungen bringen oft längere Perioden der Anpassung, Belastung und Neuorientierung mit sich. Betroffene erleben das als Stress. Sinnvoll ist daher die bereits gemachten Fortschritt zu visualisieren und die Schritte aufzuzeigen, die bereits erfolgreich abgeschlossen sind. Das kann gut mit einem klaren sequenziellen Plan des Veränderungsprozesses geschehen. Wenn Hindernisse auftreten, dann sollten diese offen benannt werden und gezeigt werden, wie man diese lösen wird. Zudem hilft es, kontinuierlich die emotionale Notwendigkeit zu verdeutlichen und die Vision der Zukunft nach der Veränderung präsent zu halten. Es reicht beispielsweise nicht, einfach eine europäische Union zu gründen und dann darauf zu bauen, dass sie schon so bestehen bleibt. Wenn keine emotional positive Vision der Zukunft präsent ist, sinkt die Bereitschaft der Mitglieder dabei zu bleiben.

Abschluss des Change-Management Prozesses

Man kann natürlich mit einigem Recht sagen „Nach der Veränderung ist vor der Veränderung! Es gibt immer Wandel.“ Dennoch ist wichtig, dass ein soziales System nicht in permanenter Unruhe und schnellem Wandel bleibt, denn so entwickeln sich keine Routinen und die Leistung bleibt dann sehr niedrig. Beim Abschluss eines Veränderungsprojektes ist daher wichtig, dass es keine Rückfälle in alte Gewohnheiten gibt, neue soziale Normen und Routinen zu festigen.

Soziale Normen festigen. Das neue Verhalten soll zu festen Bestandteil der Teamkultur werden. Soziale Normen regeln das Verhalten von Mitgliedern in Gruppen. Jedes sichtbare Verhalten unterliegt einer sozialen Norm, die anderen Mitglieder reagieren darauf. Diese Reaktion ist entweder Zustimmung oder Ablehnung. Oft stehen Teams den Zielen von Organisationen entgegen. Sie belohnen dann Verhalten, das unerwünscht ist und sanktionieren das gewünschte Verhalten. Ein typisches Beispiel ist das Mobbing von Personen die mehr leisten als die soziale Norm – etwa als „Streber“ in der Schule. Es geht deshalb zum Abschluss des Veränderungsprozesses darum, dass das neue gewünschte Verhalten am Arbeitsplatz auch tatsächlich soziale Zustimmung und Anerkennung erfährt. Führungskräfte achten dafür darauf, dass besonders Mitarbeiter mit hohem sozialen Prestige und Einfluss das neue Verhalten als Vorbilder zeigen.

Individuelle Gewohnheiten festigen. Gewohnheiten sind hartnäckig – und daher nachhaltig. Was die soziale Norm für die Gruppe ist, das ist die Gewohnheit für den einzelnen. Ein großer Teil des menschlichen Verhaltens läuft ohne großes Bewusstsein „automatisch“ ab. Das ist sehr effizient, schnell, zeitlich stabil und macht geistige Kapazität frei für andere Themen. Nach einer gewünschten Veränderung ist es daher wichtig, dass das neue erwünschte Verhalten von Menschen zur Gewohnheit wird.

Monitoring der Situation. Situationen ändern sich. Daher gilt es zum Abschluss von Maßnahmen das Monitoring aktiv zu lassen. Es braucht Wachsamkeit, ob kleine inkrementelle Anpassungen nützlich sind. Und irgendwann steht dann tatsächlich eine neue Anpassung an.

Es gibt Stimmen die sagen: „Das erneute Festigen von Gewohnheiten und sozialen Normen ist falsch! Das muss man dann alles wieder aufbrechen, wenn wieder etwas geändert wird. Lieber gar keine Routinen und Normen entstehen lassen.“ Diese theoretische Auffassung, dass man Menschen am besten in einem permanentem Zustand des Wandel und der Veränderung lässt, geht an der praktischen Realität vorbei. Soziale Gruppen brauchen eine Phase der Normierung und Strukturierung, bevor sie in die Leistungsphase kommen können. Lässt man Menschen in einer Situation permanenten starken Umbruchs, dann kommen diese nicht in die Leistungsphase, verlieren Orientierung und verlieren jede Motivation für weitere Veränderung. Das bedeutet natürlich nicht, dass es kein Dazulernen und kleinere Anpassungen geben sollte. Nur der große umfassende Wandel sollte auf Phasen beschränkt bleiben, nach denen wieder Ruhe und Stabilität einkehrt.

Konsequenterweise sollten außer von Merkmalen der Situation an sich auch die Merkmale der Geführten in die Führungsmodelle aufgenommen werden. Davon handelt das nächste Kapitel.