Soziale Gruppen: Beispiele und Arten

Welche Arten von Gruppen gibt es? Das Kapitel zeigt Beispiele für soziale Gruppen aus Sicht der Psychologie und Soziologie. Es definiert die verschiedenen Typen und Arten der sozialen Gruppe, grenzt diese voneinander ab und gibt Tipps für die Praxis. Leser erhalten eine kompakte Übersicht der psychologischen Gruppentypen.

Autor: Diplompsychologe Professor Dr. Florian Becker

Arten von Gruppen und Teams: In Praxis und Wissenschaft treten Teams und Gruppen in verschiedenen Formen auf
Arten von Gruppen: In Praxis und Wissenschaft kategorisiert man soziale Gruppen in verschiedene Arten

Arten von sozialen Gruppen: Beispiele

Welche sozialen Gruppen gibt es? Psychologie betrachtet und unterscheidet soziale Gruppen nach vielfältigen Aspekten. Hier die wichtigsten Beispiele für soziale Gruppen. Es gibt folgende Arten von Gruppen:

  • Mitgliedsgruppen
  • Fremdgruppen
  • Bezugsgruppen
  • Primärgruppen
  • Sekundärgruppen
  • teilautonome Arbeitsgruppen
  • formelle Gruppen
  • informelle Gruppen

Die Abbildung stellt die wichtigsten Beispiele und Arten von sozialen Gruppen gegenüber.

Wichtige Arten von sozialen Gruppen
Soziale Gruppen: Beispiele und Arten

Es folgt eine detaillierte Beschreibung dieser Gruppenarten.

Mitgliedsgruppen, Fremdgruppen und Bezugsgruppen

Aus der Perspektive der einzelnen Person unterscheiden sich Mitgliedsgruppen und Fremdgruppen. Den Mitgliedsgruppen gehört die Person selbst an (Johnson et al., 2006). Dabei lassen sich grob drei Arten von Mitgliedsgruppen abgrenzen:

  1. intime Mitgliedsgruppen, wie etwa die Familie oder ein Freundeskreis
  2. aufgabenbezogene Mitgliedsgruppen, beispielsweise die Teams am Arbeitsplatz oder Sportteams
  3. sozial kategorisierende Mitgliedsgruppen, mit Zugehörigkeit nach Geschlecht, Alter, sozialer Schicht und anderen Merkmalen

Die sozial kategorisierende Mitgliedsgruppe ist freilich keine soziale Gruppe im eigentlichen Sinn, wenn man die wissenschaftliche Definition für soziale Gruppe anwendet. Sie hat aber ebenfalls eine wichtige identitätsstiftende Funktion für das Individuum.

Fremdgruppen sind außen stehende Gruppen, denen die Person nicht angehört. Eine wesentliche Art von Fremdgruppe sind Bezugsgruppen (Singer, 1981). Bezugsgruppen sind durch ihren starken Einfluss auf ein Individuum und seine Einstellungen definiert. Diesen Einfluss entfalten Bezugsgruppen auf Menschen, die ihnen gar nicht angehören. Ein Beispiel für diese Art von Gruppe: Kompromisslos streikende und verhandelnde Mitarbeiter eines anderen Unternehmens können bei Erfolg zur Bezugsgruppe für die Mitarbeiter werden. So mag ein erfolgreicher Streik von Lokomotivführern als Bezugsgruppe Piloten in ganz anderen Unternehmen oder auch Erzieher inspirieren, ebenfalls zu streiken. Auch im Marketingbereich sind vergleichbare Effekte bekannt (Childers und Rao, 1992). Zielgruppen neigen dazu, etwas zu kaufen, was wichtige Bezugspersonen oder Bezugsgruppen verwenden. So können beispielsweise Gruppen von Extremsportlern Einfluss auf Kaufentscheidungen von Personen ausüben, die selbst in ihrem Leben meist noch nie diesem Sport nachgegangen sind. Bezugsgruppen entsprechen dabei nicht immer in allen Bereichen der engen Definition von sozialen Gruppen und können auch eine sehr schwache Struktur und Interaktion aufweisen.

Primärgruppen vs. Sekundärgruppen

Soziale Gruppen unterscheiden sich nach der Anzahl der Mitglieder und der Intensität der Interaktion. Es gibt einerseits Primärgruppen mit wenigen Mitgliedern und intensiver Interaktion (Elliott, 2007). Ein typisches Beispiel ist eine Abteilung in einem Unternehmen oder eine klassische Kernfamilie mit Eltern und Kindern.

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Die Sekundärgruppen befinden sich dagegen am gegenüberliegenden Pol dieser Dimensionen, haben wenig Interaktion und eher zahlreiche Mitglieder. Ein Beispiel für eine klassische Sekundärgruppe sind Bereichsleiter, die sich als Gruppe zur Abstimmung einmal im Monat selten treffen aber in ihren Bereichen mit den Mitarbeitern jeweils eine Primärgruppe bilden. Andere Beispiele für Sekundärgruppen sind Sportvereine oder Kirchengemeinden.

Praxistipps
Sekundärgruppen sind wichtig für den Austausch von Informationen und Ideen und die Koordination der Zusammenarbeit, klassischerweise treffen sie sich beispielsweise in Kommissionen und halten Meetings ab. Sie können zu unproduktiver Zeitverschwendung neigen, wenn falsche Personen in den Gruppen sind oder sie langatmig unwichtige Aufgaben bearbeiten. Nicht selten sind diese Gruppen zu groß, werden aus Gewohnheit gepflegt, auch wenn sich der Bedarf geändert hat – und auf der anderen Seite fehlt es an Zeit für zentrale Aufgaben.

Für Führungskräfte stellen sich hier wichtige Fragen:

  • Welche Sekundärgruppen bestehen, welche Aufgaben bearbeiten diese und welche Personen sind in den einzelnen Gruppen vertreten?
  • Bestehen für Bereiche, in denen Informationsaustausch, Ideenentwicklung und Zusammenarbeit erforderlich ist, geeignete Sekundärgruppen?
  • Gibt es ggf. Sekundärgruppen, die nicht diesen Kriterien entsprechen und überflüssig sind?
  • Sind die relevanten Personen in diesen Gruppen vertreten? Welche Personen sind ggf. überflüssig in der Gruppe und lassen sich andernorts wirksamer einsetzen?
  • Sind die Treffen dieser Gruppen ausreichend strukturiert und moderiert, so dass immer die richtigen Personen zur richtigen Zeit vertreten sind aber keine falschen Personen in Meetings festhängen und unproduktiv sind?

Teilautonome Arbeitsgruppen

Auch das Ausmaß an Autonomie von Gruppen ist eine wichtige Perspektive zur Differenzierung. Teilautonome Arbeitsgruppen (TAG) sind vielerorts durch die Verflachung von Hierarchien entstanden (Gulowsen, 2017Ingvaldsen und Rolfsen, 2012). Diese Gruppen entscheiden sehr unabhängig über Arbeitsabläufe und Arbeitszeit, Verantwortungsbereiche einzelner Mitglieder und die Zusammenarbeit mit Zulieferern und Kunden. Sie bereiten typischerweise selbst die Arbeit vor, planen diese, führen diese selbständig durch und kontrollieren die Ergebnisse. Im Extremfall entscheiden dann so genannte Autonome Gruppen sogar über ihre Mitglieder – etwa über Einstellung oder Entlassung und deren Bezahlung. Solche (teil)autonomen Arbeitsgruppen brauchen natürlich wenig Führung, können schnell entscheiden und umsetzen. Zudem versprechen sich Unternehmen dadurch höhere Zufriedenheit und Motivation sowie eine stärkere Mitarbeiterbindung und weniger Konflikte im Team. Aus diesen ursprünglich in den 60er Jahren in den skandinavischen Ländern entstandenen Arbeitsformen hat sich eine zunehmend verbreitete moderne Form entwickelt: Agile Teams. Diese sind für viele Unternehmen die Antwort auf eine immer dynamischere und wettbewerbsorientierte Geschäftsumgebung.

Praxistipps
Autonomie von Teams kann Segen oder Fluch sein – es kommt dabei ganz auf die Aufgabe und das Team an. So erhöht Autonomie im Idealfall die Selbständigkeit, Geschwindigkeit, Akzeptanz und Qualität von Entscheidungen. Es kann aber auch ganz anders laufen. Teilautonome Arbeitsgruppen versinken dann im Chaos, weil Mitglieder nicht fähig zur selbständigen Arbeit sind und einzelne Gruppen und Personen sich in für die Unternehmen nachteilige Richtungen entwickeln. Mitarbeiter mit geringer Motivation schließen sich dann zusammen in Gruppen, die Arbeit vermeiden, soziales Trittbrettfahren und Konflikte gedeihen. Das führt zu geringer Teamleistung und Unzufriedenheit bei vielen Beteiligten.

Führungskräfte sollten daher regelmäßig analysieren:

  • Wie viel Autonomie hat ein Team in welchen Bereichen?
  • Ist dieses Ausmaß dem Team (etwa vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen, Kompetenzen und Motivation) und der Aufgabe angemessen?

Das richtige Ausmaß an Freiraum für Teams zu gestalten, ist eine anspruchsvolle aber entscheidende Führungsaufgabe.

Formelle Gruppen vs. informelle Gruppen

Aufmerksamkeit hat in der Psychologie auch die Formalität von Gruppen gefunden (Carnabuci, Emery und Brinberg, 2018). Damit ist gemeint, wie sehr Gruppen den von der Organisation geplanten Strukturen entsprechen. Formelle Gruppen sind in der Organisation vorgesehene Gruppen. Informelle Gruppen sind soziale Gruppen nach sozialwissenschaftlicher Definition, die nicht im Organisationsplan vorgesehen sind. Sie entstehen spontan aus der sozialen Dynamik heraus, sind nicht von den Unternehmen geplant. Dennoch beeinflussen diese Gruppen das Verhalten von Mitarbeitern stark. Dabei ist an Arbeitsleistung und Informationsfluss aber auch an Themen wie Mobbing zu denken. So reichen informelle Gruppen vom Kollegenkreis, der sich beim Rauchen auf der Dachterrasse trifft über Netzwerke, die sich für bestimmte Themen interessieren und austauschen, bis hin zu Seilschaften im Management, die sich Posten zuschieben und gegenseitig den Rücken frei halten.

Der letzte Abschnitt gibt Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung.

Arten von Gruppen: Literatur

Aktuelle Literatur-Tipps zu Arten von Gruppen.

Tipp
Sozialpsychologie der Gruppe
  • Stürmer, Stefan (Autor)
Tipp

Eine für die Teamarbeit in der Praxis besonders wesentliche Art von Gruppen sind informelle Gruppen. Das nächste Kapitel richtet daher den Blick darauf.