Dieses Kapitel behandelt folgende Fragen: Was genau sind soziale Normen und warum sind diese einflussreich für Teams? Wie können Führungskräfte mit Normen in Teams erfolgreich umgehen?
Soziale Normen regeln das Verhalten in Teams und sozialisieren die neuen Mitglieder. Die in einem Team ausgeprägten Normen schlagen auf das konkrete Verhalten und damit auf die Ergebnisse durch. Dabei ist einerseits zu denken an Arbeitsleistung aber auch an andere Aspekte wie Kreativität – mit dem entsprechenden Output an Ideen als Ergebnis (Gilson & Shalley, 2004), Lernen und Lerntransfer (Smith-Jentsch, Salas & Brannick, 2001), Kundenorientierung mit dem Ergebnis Kundenzufriedenheit (Schneider, Ehrhart, Mayer, Saltz & Niles-Jolly, 2005) oder Arbeitssicherheit mit Auswirkungen auf die Rate von Arbeitsunfällen (Zohar, 2000).
In diesem Beitrag:
Eigenschaften von Normen in Teams
Bei Normen sind einige Eigenschaften zu beachten (vgl. Jackson, 1965), die auch die folgende Abbildung verdeutlicht:
Regelung von Verhalten
Normen können sämtliches Verhalten betreffen, das in einem Team stattfindet. Sie können vom äußeren Erscheinungsbild über die soziale Interaktion bis hin zur Verteilung von Ressourcen alles betreffen und regulieren. So wird man als Beispiel für Normen des äußeren Erscheinungsbildes bei Automobilkonzernen in den Arbeitsgruppen der Ingenieure meist eher legerere Kleidungsnormen vorfinden als bei den Betriebswirten. Auch bei der Verteilung von Ressourcen wie Gehalt wird man in Teams verschiedene Ansätze finden. In einer Abteilung wird eher das Prinzip der Leistung gelten, in anderen Abteilungen wird eher auf die Seniorität der Mitarbeiter geachtet werden und derjenige, der schon länger dabei ist, mehr erhalten – und sei es dadurch, dass der Vorgesetzte ihm vordergründig eine bessere Leistungsbeurteilung ausstellt, um der Norm gerecht zu werden.
Regelung von Einstellungen und Meinungen
Neben den beobachtbaren Verhaltensweisen wirkt sich der Uniformitätsdruck auch auf Einstellungen und Meinungen aus. Personen mit abweichender Einstellung werden ebenfalls sanktioniert, wenn dies im Verhalten sichtbar wird oder auch nur durch das Unterlassen von Verhaltensweisen vermutet wird.
Toleranzbereich und Reaktionen
Normen besitzen generell einen gewissen Toleranzbereich (vgl. Jackson, 1965). Wird die Norm erfüllt, wird das Teammitglied mit Zustimmung belohnt. Liegt ein Teammitglied allerdings über der Norm oder auch darunter wird er von den übrigen Teammitgliedern sanktioniert. Interessant ist hier besonders, dass auch derjenige sanktioniert wird, der mehr als die Norm leistet. Ein anschauliches Beispiel sind Schulklassen, wo der Leistungsstarke von den Mitschülern oftmals als Streber sanktioniert wird – ähnliches zeigt sich mitunter am Arbeitsplatz in den Teams.
Herstellen von Konformität
Normen führen langfristig zur Konformität des Verhaltens in Teams. Das hat für die Mitglieder den Vorteil der Berechenbarkeit und Verlässlichkeit bei der Zusammenarbeit.
Für Führungskräfte bedeutet dies, dass Normen in ihren Teams ein wichtiges sozialtechnisches Handlungsfeld sind, das nicht sich selbst überlassen werden sollte.
Abbildung: Normen und Sozialisierung
Teams können sich bei Normen auch darin unterscheiden, ob sie vorwiegend mit Belohnung und Zustimmung oder überwiegend mit Sanktionen auf Abweichungen reagieren. Zudem findet sich, dass in manchen Teams verschiedene Mitglieder recht unterschiedlich behandelt werden. Bei einem Mitglied mit hohem Rang wird gewöhnlich eine größere Abweichung von der Norm toleriert als bei einem rangniederen Mitglied.
Leistungsnormen in Teams
Besonders interessant sind für die Praxis Leistungsnormen, die je nach Team unterschiedlichste Aspekte betreffen können und direkt mit der Produktivität zusammenhängen. Leistung kann natürlich je nach Team einen ganz anderen Fokus haben: So wird etwa bei einer Schulklasse die Leistungsnorm im Bereich der Schulnoten liegen, bei Anhängern von Sekten in der Akquise neuer Mitglieder.
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Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Normen mit der Kohäsion im Wechselspiel stehen. Normen führen besonders innerhalb von Teams mit hoher Kohäsion zu Konformität, denn hier möchte man Mitglied sein und bleiben und passt sich daher besonders an. Das bedeutet, die Einstellungen und das Verhalten der Teammitglieder passen sich bei hoher Teamkohäsion besonders an die Normen an, die interindividuellen Unterschiede schwinden.
Abbildung: Leistungsnormen, Kohäsion und Leistung
Je höher Leistungsnormen bei hoher Kohäsion angesiedelt sind, desto größer also auch die Teamleistung (Seashore, 1954). Die geringsten Leistungen wird man in Teams mit hoher Kohäsion und geringen Leistungsnormen finden. Wenn Leistungsnormen niedrig sind, ist für die Teamleistung sogar eine geringe Kohäsion besser als eine hohe Kohäsion.
Praxistipps
Wie sollten Führungskräfte mit Normen umgehen?
Normen gelten für viele wichtige Bereiche und bestimmen maßgeblich das Verhalten im Team. Führungskräfte sollten deshalb aufmerksam sein und genau analysieren, welche Normen in welchen kritischen Verhaltensbereichen bestehen. Sind die vorgefundenen Normen förderlich für Aufgabe und Ziele des Teams? Wenn nicht, gilt es zu handeln.
Besonders wichtig wird in der Praxis meist die Leistungsnorm sein. Für das Erreichen von hohen Leistungsnormen empfiehlt es sich, als Kern für Teams besonders leistungsfähige Personen auszuwählen, früh in Teams zu platzieren und mit hohem Status zu versehen. Wird ein neues Team gegründet, dann sollten zunächst diese besonders leistungsmotivierten und fähigen Personen Normen entwickeln können. Erst später sollten neue Mitarbeiter mit niedrigeren Leistungsnormen (diese Personen gibt es in den meisten Unternehmen auch) in diese Teams integriert werden, damit die Leistungsnormen wie gewünscht sozialisiert werden können.
Leistung wird meist von Organisationszielen abhängig gemacht. Damit sich die Teammitgliedermit den Zielen identifizieren können und entsprechende Normen selbst entwickeln, ist auch Partizipation bei entsprechenden Entscheidungen hilfreich. So werden die Mitglieder zu „Miteigentümern“ der Entscheidungen gemacht. Das sollte aber erst stattfinden, wenn das Team bereits hohe Leistungsnormen hat.
Normen und Kohäsion haben auch Schattenseiten. Vor allem wenn Leistungsnormen gering ausgeprägt sind. Sind bereits niedrige Leistungsnormen in einem Team installiert, ist das ein Problem. Dann werden die neuen Mitglieder nach unten sozialisiert. Ähnlich wie sich das bei Schulen in sozialen Brennpunkten beobachten lässt. Kinder aus der Mittelschicht werden in solchen Umfeldern häufig von den Normen der Unterschicht sozialisiert, was sich in der Sprache, im Sozialverhalten und den Leistungen niederschlägt. Ähnliches sollte auch in wirtschaftlichen Organisationen auf jeden Fall vermieden werden. In diesen Fällen kann es sogar sinnvoll sein, die Kohäsion in einem Team zu senken oder das Team aufzulösen und neu entlang von hohen Leistungsnormen aufzubauen.
Ebenfalls hat sich ein bedeutender Einfluss von Normen auf antisoziales und unerwünschtes Verhalten gezeigt – wie Diebstahl oder Mobbing. Auch hier mag das Bild einer Schule in einem sozialen Brennpunkt als anschauliches Beispiel zur Illustration der wissenschaftlichen Ergebnisse bei Teams dienen. Die vorhandenen unerwünschten Normen in den Schulklassen sozialisieren neue Mitglieder sozusagen “nach unten”, wenn das System erst einmal gekippt ist.
Zudem stehen hohe Kohäsion und starke Normen frischem Denken und Innovation im Wege.Die Sanktion von neuem Denken und verändertem Verhalten kann bremsen, in Situationen in denen Veränderungen notwendig sind. In diesen Fällen wird man ggf. versuchen, die Kohäsion im Team zu reduzieren und neue Normen zu implementieren. Idealerweise gelingt es in solchen Umfeldern sogar Veränderung als Normzustand zu sozialisieren. Entsprechende Ansätze lassen sich auch im politischen Bereich beobachten, wenn militärisch besiegte Bevölkerungen durch eine Stärkung des Föderalismus und andere Maßnahmen (etwa ethnisch heterogene Staatsgebilde, die gerne von Kolonialmächten gebildet wurden) an einer starken Kohäsion gehindert werden und gleichzeitig neue Werte und Normen aufgebaut werden, die den Machthabern genehm sind.
Teams sind nicht statisch, sondern entwickeln sich über Zeitphasen hinweg weiter. Diese Teamentwicklungsphasen hängen auf das engste mit der Teamleistung zusammen. Das nächste Kapitel zeigt, wie man mit einem Team schnell in die Leistungsphase kommt und das Team möglichst fest dort verankert.