Jede Führungskraft hat Ziele. Den meisten ist klar, dass diese einen entscheidenden Beitrag zum Führungserfolg leisten. Dennoch geht man in der Praxis oft erstaunlich oberflächlich und wenig systematisch mit dieser Erfolgsgrundlage um. Führung ist ein bewusster Prozess, der klare Ziele braucht. Sind Führungsziele aber unklar oder auf der falschen Ebene, verschenken Führungskräfte ihr Potenzial. Führung läuft dann ins Leere, Erfolg ist dann bestenfalls Zufall. Es gibt also allen Grund, sich als Führungskraft regelmäßig über seine Ziele systematisch und tief gehend Gedanken zu machen, zu überlegen: Was ist zu tun? Welche Führungsziele sollten Führungskräfte bei ihren Mitarbeitern verfolgen? Auf welchen Ebenen sollte ich Ziele haben und wie viele? Was kann ich tun, damit ich nicht nur „an der Oberfläche kratze“? Diese Fragen beantwortet das Kapitel.
Es liefert eine Übersicht über Führungsziele und zahlreiche Beispiele für die verschiedenen Arten. Dazu gehören betriebswirtschaftliche Ziele (oft harte Ziele genannt) wie Umsatz, Gewinn oder Marktanteile. Eine andere Ebene (oft weiche Ziele genannt) sind Verhaltensziele, psychologische Ziele und Entwicklungsziele auf Ebene der einzelnen Mitarbeiter. Zum Schluss geht es auf die grundlegendste und zentralste Ebene: Die Kultur in einem ganzen Bereich zu prägen. Der Text gibt viele Anregungen, damit Ziele für Führungskräfte in der Praxis gelingen. …
In diesem Beitrag:
Überblick über Führungsziele
Wir sind es gewohnt, Wirtschaft als harte Welt der Zahlen zu betrachten: Produktivität, Absatzzahlen, Aktienkurse, BIP sind Begriffe aus dieser Welt. Häufig haben Führungskräfte auf dieser Ebene harte Ziele, schließlich arbeiten sie meist in gewinnorientierten Unternehmen, die nach betriebswirtschaftlichen Kennzahlen steuern. Hier ist es natürlich erforderlich, die Leistung von Organisationen, Teams oder Einzelpersonen möglichst objektiv zu definieren und zu messen. Dafür bieten sich betriebswirtschaftliche Indikatoren an, wie Umsatz, Gewinn, Stückzahlen oder Stückkosten. Viele Ziele von Führungskräften kommen auch einfach aus der operativen Aufgabe heraus. Die Einheit, die eine Führungskraft verantwortet, hat schließlich eine Funktion im Unternehmen, die es zu erfüllen gilt – beispielsweise Teile zu produzieren, die möglichst selten Fehler aufweisen. Führung ist also sehr häufig auf solche harten operativen Ziele ausgerichtet. Diese sind wichtig und oft auch dringend, drängen sich in den Vordergrund.
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Das bindet Aufmerksamkeit und Zeit und vernebelt die Sicht auf psychologische Ziele bzw. weiche Ziele. Bei der Fokussierung auf Ziele wie Umsatz, Gewinn, Absatzzahlen, Fehlerraten oder Produktivitätskennwerte gerät leicht in Vergessenheit, dass hinter dieser harten Ebene der betriebswirtschaftlichen Führungsziele die mehr oder minder bewussten Entscheidungen von Menschen als Ursache liegen: die Bereitschaft eines Mitarbeiters, hoch motiviert zu arbeiten, einen Vorschlag für Verbesserungen und Innovation zu erarbeiten, die Entscheidung eine Weiterbildung zu besuchen oder eine Überstunde zu leisten. Die Mitarbeiter mit ihrer Motivation, Zufriedenheit, Kompetenz und auch ihrem Verhalten sind ein wichtiger Erfolgsfaktor, um betriebswirtschaftliche Ziele erreichen zu können, wie folgende Abbildung zeigt.
Führungsziele auf Ebene der Mitarbeiter sind also die Grundlage und Voraussetzung für den Erfolg bei den „harten“ betriebswirtschaftlichen Ziele. Darum ist der Blick hinter die betriebswirtschaftlichen Ziele so entscheidend. Auf einer tieferen Ebene sind die Fragen zu Führungszielen daher andere: Welche Verhaltensweisen sollten bei uns normal sein – und welche nicht? Wie sollen sich meine Mitarbeiter fühlen, wenn sie arbeiten oder an die Arbeit denken? Welche Eigenschaften bei Menschen schätzen und fördern wir – und welche nicht?
Ein häufiger Grund für erfolgloses Management liegt im Unvermögen, die Entscheidungen von Menschen als Ursache von betriebswirtschaftlichen Größen und Erfolgsbasis für harte betriebswirtschaftliche Ziele zu verstehen, vorherzusagen und beeinflussen zu können. Man bewegt sich nur an der Oberfläche der Ziele und übersieht die Erfolgsfaktoren darunter. Umgekehrt sind es die erfolgreichsten Unternehmen und Führungskräfte, die stark auf psychologische Ziele achten. Sie können Entscheidungen ihrer Kunden, Mitarbeiter, Investoren und anderer Zielgruppen am besten verstehen, vorhersagen und beeinflussen. Es gelingt ihnen, diese Gruppen wirksam für ihre Ziele zu gewinnen, das Denken und Verhalten zu prägen.
Der nächste Abschnitt stellt die psychologischen Führungsziele vertieft dar.
Psychologische Führungsziele
Versteht man Führung als Beeinflussung von Menschen in Organisationen, dann ist also immer dort Führung gefragt, wo betriebswirtschaftliche Ziele von diesen Menschen abhängen. Führungsziele auf der Ebene der Mitarbeiter liegen in den Eigenschaften, dem Erleben und dem Verhalten von Mitarbeitern oder Gruppen in Organisationen. Dabei gibt es jeweils Aspekte, die aufgebaut und verstärkt werden (Ziele im positiven Sinne, Annäherungsziele), aber auch Aspekte, die verhindert oder zumindest vermindert werden (Ziele im negativen Sinne, man spricht von Vermeidungszielen). Die Tabelle zeigt die drei Kategorien und gibt Beispiele für mögliche Ziele innerhalb dieser Kategorien.
Aspekt bei Mitarbeitern | Beispiele für Annäherungsziele | Beispiele für Vermeidungsziele |
---|---|---|
Eigenschaften | Kompetenzen, Belastbarkeit | Burnout, physische Erkrankungen |
Erleben | Arbeitszufriedenheit, Identifikation mit dem Unternehmen | Gefühl von Ungerechtigkeit, Überlastungsempfinden |
Verhalten | Arbeitsleistung, Weiterbildung | Kündigung, Beschäftigung mit arbeitsfremden Inhalten (etwa Cyberloafing) |
Führungskräfte unterscheiden sich hier: Verfolgen sie überhaupt bewusst psychologische Ziele? Welche psychologischen Ziele priorisieren sie?
Letztendlich geht es natürlich um das Verhalten der Mitarbeiter. Die Eigenschaften von Mitarbeitern (etwa Kompetenzen) und das Erleben (etwa Motivation) sind dem gewünschten Verhalten als wichtige Grundlagen vorgelagert. Der folgende Abschnitt listet daher als erstes typische Führungsziele im Verhalten der Mitarbeiter auf.
Führungsziele im Verhalten: Beispiele
Welche Ziele im Verhalten der Mitarbeiter streben Führungskräfte häufig an? Typische Annäherungsziele sind:
- eine höhere Arbeitsleistung,
- das Mitwirken der Mitarbeiter an Innovationsprozessen wie z.B. dem Vorschlagswesen,
- die Unterstützung von Veränderungsmaßnahmen und Verhaltensflexibilität,
- Kooperation und Zusammenarbeit mit anderen,
- die Entwicklung von Kompetenzen (Lernen),
- das (pünktliche) Erscheinen am Arbeitsplatz,
- ein positives Sprechen über die Organisation im sozialen Umfeld,
- das angemessene Repräsentieren der Organisation nach außen (äußeres Erscheinungsbild und Verhalten),
- eine hohe Selbstständigkeit bei der Arbeit und
- Organizational Citizenship Behavior (OCB). Dies ist die Bezeichnung für eine Gruppe von Verhaltensweisen, die nicht in der eigentlichen Tätigkeitsbeschreibung liegen aber wesentlich für das Wohlergehen der Organisation sind. Man verhält sich einfach als „guter Bürger“ der Organisation. Dazu gehört etwa ein positives Verhalten gegenüber den Kollegen.
Führungskräfte sollten sich aber auch um die Schattenseiten des Verhaltens von Mitarbeitern kümmern, diese verhindern oder zumindest eindämmen. Typische Vermeidungsziele im Verhalten der Mitarbeiter sind:
- arbeitsfremdes Verhalten (etwa Cyberloafing auf Facebook, Youtube, Onlinespielen etc.),
- Fluktuation,
- Beziehungskonflikte ohne sachlichen Verbesserungsbeitrag,
- Mobbing, Beleidigung und sexuelle Belästigung,
- Vandalismus und Diebstahl,
- Verbreitung von Gerüchten,
- Verletzung von Sicherheitsvorschriften,
- Geheimnisverrat,
- Verschwendung von Ressourcen,
- Diskriminierung und
- Gesetzesverstöße, Vetternwirtschaft und Korruption.
Verhalten ist wichtig und oft gut beobachtbar. Es hat allerdings psychologische Größen wie Motivation oder Fähigkeiten als Grundlage. Im nächsten Abschnitt folgt daher ein Überblick über Führungsziele im Erleben der Mitarbeiter.
Führungsziele im Erleben: Beispiele
Neben dem Verhalten gibt es natürlich zusätzlich eine Menge Ziele im Erleben von Mitarbeitern. Diese „weichen“ Ziele sind wichtig, da sie den Verhaltenszielen häufig vorgelagert sind. Dabei ist etwa zu denken an
- Kenntnis wichtiger Informationen zur Aufgabe (Wissen),
- Einstellungen zu Arbeit, Kunden und Kollegen,
- Akzeptanz von Zielen,
- Zufriedenheit,
- Arbeitsmotivation,
- Vertrauen,
- Optimismus,
- Identifikation mit dem Unternehmen und emotionale Bindung,
- Teilen der Werte des Unternehmens,
- das Gefühl etwas bedeutsames zu tun,
- gute Laune am Arbeitsplatz und positives Teamklima,
- die Art, wie Entscheidungen getroffen werden (z. B. bewusste Entscheidungen statt Gewohnheitsentscheidungen),
- Entscheidungen für oder gegen etwas und
- Zusammenhalt von Teams (Kohäsion).
Es bestehen auch psychologische Vermeidungsziele, die es zu reduzieren gilt. Dazu gehören negative Emotionen und Motive, etwa empfundene Ungerechtigkeit, Stress- und Erschöpfungsgefühle oder sogar Hassgefühle gegenüber Kollegen, Unternehmen und Führungspersonen.
Der nächste Abschnitt behandelt Ziele bei den Eigenschaften von Mitarbeitern.
Führungsziele bei Eigenschaften von Mitarbeitern: Beispiele
Eigenschaften von Mitarbeitern sind wichtig – aber nicht alle davon lassen sich durch Führungskräfte beeinflussen und verändern. Zu diesen sehr stabilen Eigenschaften gehören beispielsweise Intelligenz und Persönlichkeitseigenschaften wie Offenheit für Veränderung. Hier ist die Personalauswahl das Mittel der Wahl. Daneben gibt es aber eine Menge an Eigenschaften, die wichtig für das Verhalten der Mitarbeiter sind und sich durchaus entwickeln lassen. Die wichtigsten Entwicklungsziele bei Eigenschaften von Mitarbeitern sind
- fachliche Kompetenzen,
- soziale Kompetenzen (etwa zuhören können, konstruktive Rückmeldung geben können),
- Selbstkompetenzen (etwa sich motivieren können, von der Arbeit regenerieren können),
- Methodenkompetenz (z. B. Informationen zu sammeln, zu strukturieren, auszuwerten, zu interpretieren und Konsequenzen daraus abzuleiten),
- Belastbarkeit (beispielsweise Resistenz gegen Stress),
- Gesundheit (psychisch und physisch),
- Transformation der Mitarbeiter (Ideologisierung und Begeisterung, um über rein eigennützige Interessen hinaus Leistung zu erbringen – vgl. Barling, Weber und Kelloway, 1996) und
- Selbstwirksamkeit (Selbstwirksamkeit beschreibt die Überzeugung einer Person, dass sie Herausforderungen kompetent lösen kann – vgl. Chen, Gully und Eden, 2001).
Oft sind diese Eigenschaften von Mitarbeitern (etwa Kompetenzen) Zielen im Erleben (etwa der Arbeitsmotivation) und Verhalten (z. B. der Arbeitsleistung) vorgelagert. Beispielsweise zeigen sich deutliche Verbindungen zwischen Weiterbildung und Training auf der einen Seite und Arbeitsmotivation auf der anderen Seite (Crawford, LePine und Rich, 2010).
Der nächste Abschnitt zeigt, wie Führungskräfte erfolgreich Führungsziele auswählen.
Ziele für Führungskräfte in der Praxis
Wir haben jetzt einen breiten Überblick zu Führungszielen gesehen. Wie kommt man aber zu seinen ganz persönlichen Führungszielen? Was sind geeignete Ziele für Führungskräfte? Überraschend wenige Führungskräfte fragen sich regelmäßig selbst, was ihre konkreten Ziele sind – sie haben von außen Ziele vorgegeben. Gefangen im Tagesgeschäft, fragen sich Führungskräfte häufig, wie etwas zu tun ist, selten, was zu tun ist. Dabei besteht die Gefahr, dass man sich nur auf die operativen aufgabenbezogenen Ziele und betriebswirtschaftliche Ziele konzentriert.
Klar ist auch, dass man nicht zu viele Ziele auf einmal angehen kann. Verzettelung in zu vielen unklaren und nicht priorisierten Zielen ist eine weitere Ursache für ausbleibenden Erfolg von Führungskräften. Eine klare Priorisierung von Zielen ist also zwingend notwendig für erfolgreiche Führung. Dabei ist es sinnvoll, wenige zentrale Ziele auszuwählen und konsequent zu verfolgen, aber andere nachgelagerte Ziele zu kennen und nicht aus den Augen zu verlieren. Hier ist wichtig, zu beobachten, ob bedenkliche Abweichungen entstehen, und dann frühzeitig einzugreifen.
Psychologie und Führungserfolg sind eng verknüpft. Dieses Kapitel zeigt gut, warum die Psychologie als Wissenschaft vom Erleben und Verhalten der Menschen so bedeutsam für das Thema Führung ist. Wie bei einem Kartenhaus stehen die betriebswirtschaftlichen Ziele (z.B. Produktivität) auf einem Fundament aus dem Verhalten der Mitarbeiter (z.B. Arbeitsleistung). Und dieses Verhalten der Mitarbeiter basiert zum Teil wieder auf Erlebniszuständen (etwa Arbeitsmotivation). Wer die psychologischen Themen nicht beachtet, der läuft Gefahr, dass ihm sein Kartenhaus zusammenfällt.
Es folgt noch ein Abschnitt der noch eine Ebene tiefer blickt und eine Beziehung zur Kultur im Unternehmen herstellt.
Kultur als Führungsziel: Eine Kultur schaffen
„Ich kann doch eh nur wenige Führungsziele gleichzeitig verfolgen, warum soll ich so viele auflisten und auf dem Schirm haben?“ „Ist es nicht besser, nur ein Ziel zu haben, als ganz viele und die Orientierung zu verlieren?“ „Verhalten von Mitarbeitern, das ist doch immer noch sehr an der Oberfläche, geht es nicht viel mehr um die Unternehmenskultur? Wie kann ich so eine Kultur im Team schaffen?“ Das sind berechtigte Fragen. Eine Antwort ist, dass wir auch mit den psychologischen Zielen tatsächlich nur an einer weiteren Oberfläche kratzen, die noch grundlegender ist: Die Kultur. Bevor wir zur Frage kommen, wie man als Führungskraft eine Kultur in seinem Verantwortungsbereich schafft, kommt ein Schaukasten mit einer Analogie zu einem einzelnen Menschen.
Ähnlich wie mit dem Beispiel der persönlichen Entwicklung läuft das auch mit sozialen Kollektiven – etwa Teams oder größeren Einheiten, vielleicht ganzen Unternehmen. Es ist als Führungskraft wichtig, tatsächlich eine Inventur an Verhaltensweisen, Erlebniszuständen, Eigenschaften zu machen, die man schätzt und fördern möchte – und auch an solchen, die man im Unternehmen reduzieren will. Nicht weil man alles auf einmal angehen könnte, sondern als großen Kompass, in welche Richtung man grundlegend die Kultur eines Teams, vielleicht eines ganzen Bereiches entwickeln möchte. Man wird einzelne Themen nacheinander angehen, so wie auch ein Mensch als Persönlichkeit nicht alles auf einmal ändern kann. Und die Welt ändert sich. Daher ist es gut, die Liste gelegentlich zu überprüfen und anzupassen. Am Ende hat man die Kultur im Unternehmen, die man braucht.
Noch ein paar Worte zu Unternehmenskultur. Kultur ist natürlich am Ende alles und nichts, sie hat zu tun mit Werten, Denkhaltungen, Symbolen, Verhaltensweisen, Ritualen und Ergebnissen. Daher gibt es auch vielfältige Definitionen, was Unternehmenskultur ist (z.B. Hofstede, 2001; Jung et al., 2009; Schein, 2010). Besonders treffend scheint aber diese Definition:
In so fern setzen psychologische Führungsziele alle als kleine Brecheisen an der Unternehmenskultur an. Zusammengenommen, als großer Kompass, entwickeln sie immenses Potenzial. Sie prägen bzw. schaffen dann als gewaltiger Schmiedehammer eine Kultur.
Der letzte Abschnitt gibt Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung.
Führungsziele: Literatur
Aktuelle Literatur-Tipps zu Führungszielen.
- Kolb-Leitner, Veronika (Autor)
- Matyssek, Anne Katrin (Autor)
- Wagner, Friedrich (Autor)