Die transformationale Führung gilt als Wunderwaffe der modernen Führung. Wie in Sekten oder politisch ideologischen Gruppierungen arbeiten Mitarbeiter nicht mehr aus Eigennutz, sondern aus innerer Überzeugung. Gehalt wird zweitrangig, die Leistung und Opferbereitschaft wachsen exponentiell. Sie wird sich als der überlegene Ansatz durchsetzen – so glauben viele. Doch was ist dran an diesem Mythos, was geben die nackten Forschungsdaten her? Was bedeutet transformational, was bedeutet transaktional? Was ist ein transformationaler Führungsstil? Welche Wirkung kann dieser bei Mitarbeitern tatsächlich entfalten? Was ist der Unterschied zum Begriff transaktionale Führung und stehen beide Arten zu führen wirklich im krassen Widerspruch?
Dieses Kapitel zeigt den Stand der Forschung. Es liefert eine Definition für beide Begriffe und zeigt anhand vieler Beispiele die Stärken und Vorteile sowie die Merkmale. Zudem klärt das Kapitel eine wichtige Frage: Kann man beide Arten der Führung kombinieren? Und es liefert die entscheidenden Tipps für die Praxis. …
In diesem Beitrag:
Transaktionale Führung: Definition
Was bedeutet transaktional? Klassischerweise werden Unternehmen eher transaktional geführt. Das bedeutet, Leistung wird gegen Geld getauscht, die Ergebnisse werden honoriert (z.B. mit Bonuszahlungen und mit variablem Gehaltsanteil). Die Definition:
Es besteht also ein sachliches Austauschverhältnis (daher der Begriff transaktionale Führung), das einen rationalen Mitarbeiter unterstellt, der sich aus rein finanziellem Kalkül engagiert – ein Menschenbild, das die Psychologie längst widerlegt hat. Auch in der Praxis wurden immer mehr Zweifel daran laut, dass dies der effektivste Führungsansatz ist. Man beobachtete beispielsweise, dass Personen ehrenamtlich ohne materielle Entlohnung arbeiten oder dass Menschen ihre gesamte materielle Existenz, teilweise ihr Leben „höheren Zielen“ in Organisationen zur Verfügung stellen. Man denke an religiös (z.B. Sekten) oder stark ideologisch (z.B. Politik) geprägte Organisationen.
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Es ist also verständlich, dass man in Unternehmen auf derartige Erscheinungen aufmerksam wurde, denn ein Mitarbeiter, der aus innerer Überzeugung ohne materiellen Austausch arbeitet und gebunden ist, erscheint betriebswirtschaftlich erstrebenswert.
Transformationale Führung: Definition
Dieser Abschnitt zeigt die Definition für transformationale Führung. Ein Ziel von Führung ist mittlerweile in manchen Unternehmen die Transformation der Geführten (Becker, 2015). Diese strebt an, dass sich Mitarbeiter anstatt nur von äußeren Anreizen (etwa der Bezahlung) aus innerer Verbundenheit für die Organisation und deren Ziele einsetzen. Wie die Abbildung mit dem Modell (vgl. Becker, 2015) zeigt, konzentriert sich transformationale Führung nicht direkt auf klassische Ziele wie die Arbeitsleistung der Mitarbeiter – transformationale Führung konzentriert sich auf die Mitarbeiter selbst, auf ihre Veränderung hin zu begeisterten Anhängern.
Daher lautet die Definition:
Was sind die Vorteile transformationaler Führung? Dazu der nächste Abschnitt.
Vorteile, die transformationale Führung bietet
Mit derartig transformierten Mitarbeitern lassen sich dann letztendlich auch überlegene Ergebnisse erzielen. So bieten Mitarbeiter, die transformational geführt werden folgende Vorteile,
- eine höhere Arbeitsmotivation (Aryee et al., 2012),
- mehr Kreativität (Shin und Zhou, 2007),
- Engagement über den eigenen Tätigkeitsbereich hinaus (Sosik, 2005),
- stärkeres Vertrauen in und höhere Zufriedenheit mit der Führungskraft (Podsakoff et al., 1990),
- ein höheres Commitment (Barling, Weber und Kelloway, 1996),
- höhere Leistung als traditionell geführte Mitarbeiter (z.B. MacKenzie, Podsakoff und Rich, 2001; Gong, Huang und Farh, 2009; Avolio, 2010) und
- verbesserte Leistung auf Teamebene (Lim und Ployhart, 2004).
- Transformationale Führung des CEO hängt wiederum positiv mit der Leistung von kompletten Organisationen zusammen (Colbert et al., 2008).
Die Vorteile sind also überzeugend – aber wie lässt sich das alles konkret erreichen? Es erfordert Führungskräfte, die ihre Geführten für das Unternehmen und dessen Ziele begeistern können und einen besonderen Einfluss auf diese Personen ausüben. Das zeigt der nächste Abschnitt.
Merkmale und Beispiele transformationaler Führung
Transformationale Führung hat ganz bestimmte Merkmale. Dieser Abschnitt zeigt diese Merkmale und gibt dazu jeweils Beispiele für transformationale Führung. Dabei wirken transformationale Führungskräfte mit vier zentralen Ansatzpunkten auf die Motivation der Mitarbeiter (Bass, 1985; Bass und Riggio, 2006; Moss, 2009):
Diese Auflistung macht klar, dass transformationale Führung aus einer Mischung an verschiedenen sinnvollen Maßnahmen besteht. Ein gemeinsames Ziel vereint diese Maßnahmen: Das Denken, die Emotionen und letztendlich die Motivation der Mitarbeiter tiefgreifend zu verändern.
Was sind jetzt im Überblick die Unterschiede beider Ansätze der Führung? Darum geht es im nächsten Abschnitt.
Der Unterschied: Transaktionale und transformationale Führung
Folgende Tabelle stellt transaktionale und transformationale Führung gegenüber. Sie zeigt die Unterschiede sowie die Stärken und das Einsatzspektrum der jeweilige Ansätze.
Transaktionale Führung | Transformationale Führung |
---|---|
Tausch-Gedanke: Betrachtet Führung als Austauschbeziehung, berücksichtigt dabei die vorhandenen Motive und Interessen der Mitarbeiter. | Veränderungs-Gedanke: Betrachtet Führung als Einflussnahme, verändert die Mitarbeiter. |
Spricht Mitarbeiter rational an. | Spricht Mitarbeiter emotional an. |
Lässt den Mitarbeiter als Menschen wie er ist und versucht gemeinsame Interessen zu finden und für die Motivation zu nutzen. | Versucht Mitarbeiter zu begeisterten Anhängern zu wandeln – ähnlich dem Motto: „Wir machen Interessierte zu Anhängern, Anhänger zu Mitgliedern und Mitglieder zu Märtyrern!“ |
Betont Aufgabenstrukturen mit klaren und transparenten Zielen und Leistungsanforderungen. | Setzt auf übergreifende emotionale Visionen und Ideologie, um Mitarbeiter zu binden und zu begeistern. |
Setzt auf attraktive Anreize, die Mitarbeiter dann erhalten, wenn sie die Ziele erreichen (Tausch-Gedanke). | Verändert das Denken der Mitarbeiter, so dass auch sehr ambitionierte Ziele erreichbar scheinen. |
Eignet sich besonders bei Arbeitstätigkeiten, die wenig Raum für Kreativität und Freiraum bieten (Wang et al., 2011). | Eignet sich besonders bei Arbeitstätigkeiten, die viel Kreativität und Selbständigkeit erfordern (Wang et al., 2011). |
Wirkt vor allem bei den zentralen Arbeitsaufgaben (Wang et al., 2011), da diese eher klar definiert und messbar sind. Hier können Führungskräfte Anreize gut einsetzen. | Wirkt insbesondere über die zentralen Arbeitsaufgaben hinaus (Wang et al., 2011). Diese Verhaltensweisen sind oft nicht klar vorgegeben, werden nicht gemessen und incentiviert. Sie brauchen daher inneren Antrieb. Dafür sogt die Transformation der Mitarbeiter. |
Führt zu den stärksten Effekten, wenn es darum geht, die Leistung einzelner Mitarbeiter zu motivieren (Wang et al., 2011). In Teams lässt sich die Leistung schwieriger einzelnen Mitarbeitern zuordnen und belohnen. | Greift besonders gut, wenn man die Leistung ganzer Teams oder Organisationen steigern möchte (Wang et al., 2011). |
Das sieht doch beides für sich nicht schlecht aus. Kann und sollte transformationale Führung also klassische Führungsansätze ersetzen, wie es oft gefordert wird? Darum geht es im nächsten Abschnitt.
Transaktionale und transformationale Führung: Ersetzen oder kombinieren?
Sollte man also voll auf transformationale Führung bauen und klassische Führungsansätze einstellen? Oder beides kombinieren? In Veröffentlichungen hat man nicht selten transformationale Führung und transaktionale Führung als entweder-oder gegenübergestellt (z.B. Bycio, Hackett und Allen, 1995). Oft in der Annahme, dass mit dieser überlegenen Art zu führen, materielle Anreize überflüssig sind. Diese entweder-oder Perspektive ist überholt, sogar schädlich (Schriesheim et al., 2006). Tatsächlich spricht nichts dagegen, gleichzeitig wirksame materielle Anreizsysteme einzusetzen und transformational zu führen (Wang et al., 2011).
Fazit: Beide Ansätze der Führung kann und sollte man kombinieren, um die volle Wirkung zu erreichen (Wang et al., 2011), wie folgende Abbildung zeigt.
Je nach Situation, gilt es dabei den Schwerpunkt auf den ein oder anderen Ansatz zu legen. Insgesamt erfordert transformationale Führung einen geringeren Aufwand bei der Implementierung, wirkt breiter und sofort in neuen Verhaltensbereichen. Ihre Bedeutung steigt weiter durch zunehmende Teamarbeit und hochqualifizierte Tätigkeitsprofile. In so fern sollte man hier nicht sparen.
Was bedeuten diese Forschungsergebnisse für die Führung in der Praxis? Der nächste Abschnitt liefert die wichtigsten Tipps für transformationale Führung.
Tipps für transformationale Führung
Es liegt auf der Hand, dass bei einer Transformation von Geführten ethische Fragen auftreten. Die Transformation eines Mitarbeiters zum innerlich überzeugten Anhänger stellt schließlich einen tiefgehenden persönlichen Eingriff dar. Darauf gehen auch die folgenden Tipps ein.
Der letzte Abschnitt gibt Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung.
Transformationale Führung: Literatur
Aktuelle Literatur-Tipps zu transformationaler Führung.
- Heyna, Phil (Autor)
- Furtner, Marco (Autor)
- Finckler, Peter (Autor)
- Glaser, Christoph (Autor)
- Ziegler, Oliver (Autor)
Die Transformation von Mitarbeitern steht in engem Zusammenhang mit dem Charisma der Führungskraft. Davon handelt das nächste Kapitel.