Wie können Teams die Mitarbeiter motivieren? Hier sind insbesondere drei Aspekte bedeutsam: Soziale Normen, die in einem Team gelten, der Zusammenhalt in Teams und der Einfluss von Vorbildern in Teams. Davon handelt dieses Kapitel. …
Teams motivieren ihre Mitglieder – oder sie demotivieren
In diesem Beitrag:
Motivation durch soziale Normen im Team
Andere Personen im Team beeinflussen den Einzelnen und sein Verhalten. So motiviert ein leistungsorientiertes Umfeld den Einzelnen zu mehr Leistung. Anders geht es, wenn das Umfeld Leistung ablehnt. Dann ist man der Streber und wird sanktioniert. Das gilt am Arbeitsplatz genauso wie schon in den Schulklassen.
Um diese sozialen Mechanismen, und wie diese zur Motivation von Mitarbeitern beitragen können, geht es in diesem Abschnitt.
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Soziale Normen regeln das Verhalten in Teams und sozialisieren neue Mitglieder. Eine soziale Norm beschreibt letztendlich, welches Verhalten die Mitglieder in einem Team voneinander erwarten. Keiner möchte gerne von den Normen abweichen, denn Abweichungen werden mit negativen Reaktionen sanktioniert. Wer die Normen im Team erfüllt, erfährt dagegen Zustimmung und positive Reaktionen. Damit wirken die in einem Team ausgeprägten Normen stark motivierend und schlagen auf das konkrete Verhalten der Mitglieder und damit auf die Ergebnisse durch.
Letztendlich regeln Normen jedwedes Verhalten in Teams. Bei der Auswirkung dieser Normen in Teams ist damit einerseits zu denken an
Arbeitsleistung aber auch an andere Aspekte wie
Kreativität – mit dem entsprechenden Output an Ideen als Ergebnis (Gilson und Shalley, 2004),
Lernen und Lerntransfer (Smith-Jentsch, Salas und Brannick, 2001),
Kundenorientierung mit dem Ergebnis Kundenzufriedenheit (Schneider et al., 2005) oder
Arbeitssicherheit mit Auswirkungen auf die Rate von Arbeitsunfällen (Zohar, 2000).
Es ist also alles andere als egal, welche Normen für das Verhalten in einem Team gelten. Für Führungskräfte bedeutet dies, dass die Normen in ihren Teams und im Umfeld von ihren Mitarbeitern ein wichtiges Handlungsfeld sind. Überlassen sie diese Normen sich selbst, dann läuft Motivation oft in die falsche Richtung, das soziale Umfeld arbeitet dann im ungünstigen Fall gegen die Führungskraft und die Ziele des Unternehmens. Sind soziale Normen aber zweckmäßig ausgeprägt, dann sorgt die Einbindung eines Mitarbeiters in ein Team automatisch dafür, dass gewünschtes Verhalten zunimmt und unerwünschtes Verhalten abnimmt.
Wie funktionieren soziale Normen genau und wie lassen sie sich gestalten? Das zeigt der nächste Abschnitt.
Eigenschaften von sozialen Normen
Bei Normen sind einige Aspekte zu beachten (vgl. Jackson, 1965), die in folgender Abbildung dargestellt sind.
Abbildung: Normen und Sozialisierung (Becker, 2016, S. 71)
Diese wichtigen Aspekte von Normen sind im Einzelnen:
Sozialisierung von Verhalten
Normen können sämtliches Verhaltensozialisieren, das in einem Team stattfindet. Sie können vom äußeren Erscheinungsbild über die soziale Interaktion bis hin zur Verteilung von Ressourcen alles betreffen und regulieren. So wird man als Beispiel für Normen des äußeren Erscheinungsbildes bei Automobilkonzernen in den Arbeitsgruppen der Ingenieure und Informatiker meist eher legerere Kleidung vorfinden als bei den Betriebswirten. Auch bei der Verteilung von Ressourcen wie Gehalt, gibt es in Teams verschiedene Ansätze. In einer Abteilung gilt eher das Prinzip der Leistung, in einer anderen Abteilungen wird eher auf die Seniorität der Mitarbeiter geachtet und derjenige, der schon länger dabei ist, erhält mehr – und sei es dadurch, dass der Vorgesetzte ihm vordergründig eine bessere Leistungsbeurteilung ausstellt, um die Norm zu erfüllen.
Sozialisierung von Einstellungen und Meinungen
Neben den beobachtbaren Verhaltensweisen wirkt sich der Uniformitätsdruck auch auf Einstellungen und Meinungen aus. Personen mit abweichender Einstellung werden dann sanktioniert, wenn dies im Verhalten sichtbar wird oder auch nur durch das Unterlassen von Verhaltensweisen zu vermuten ist. In der Folge trauen sich Mitglieder mit abweichenden Meinungen nicht mehr, diese zu äußern und es entsteht ein Gruppendenken (Rose, 2011).
Toleranzbereich und Reaktionen
Normen besitzen generell einen Toleranzbereich (vgl. Jackson, 1965). Je nachdem, ob ein Verhalten innerhalb dieses Toleranzbereiches liegt und wie weit das Verhalten ggf. von diesem Toleranzbereich abweicht, erfolgen Reaktionen. Erfüllt ein Teammitglied die Norm, wird es mit positiven Reaktionen belohnt (z.B. Lob), was die Arbeitsmotivation steigert (Bakker et al., 2007). Liegt ein Teammitglied allerdings über der Norm oder auch darunter, erfolgen Sanktionen von den übrigen Teammitgliedern (z.B. unfreundliche Blicke und Kommentare oder soziale Meidung). Interessant ist hier besonders, dass auch derjenige Sanktionen erhält, der mehr als die Norm leistet. Ein anschauliches Beispiel sind Schulklassen, in denen Leistungsstarke oftmals als Streber Sanktionen erfahren – ähnliches zeigt sich mitunter am Arbeitsplatz in den Teams.
Herstellen von Konformität
Diese positiven oder negativen sozialen Reaktionen wirken stark motivierend. Mitarbeiter wollen sich innerhalb des Toleranzbereiches ihrer Teams verhalten, um Zustimmung zu erfahren und negative Reaktionen zu vermeiden. Normen führen daher zur Konformität des Verhaltens in Teams. Das hat für die Mitglieder den Vorteil der Berechenbarkeit und Verlässlichkeit bei der Zusammenarbeit.
Teams können sich bei Normen auch darin unterscheiden, ob sie vorwiegend mit Belohnung und Zustimmung oder überwiegend mit Sanktionen auf Abweichungen reagieren. Als positive oder negative Reaktion kann dabei alles erfolgen, was die Mitglieder im Team als belohnend oder bestrafend erleben. Teams erweisen sich hier als sehr phantasievoll. In einem Studiengang in Bayern tragen beispielsweise alle Studierenden ab einem gewissen Semester einen schwarzen Hut – das ist eine Norm, wer den Hut vergisst, muss einen Tag lang einen „Hut der Schande“ tragen, um weiterer Ausgrenzung zu entgehen.
Praxistipps
Wie sollten Führungskräfte mit Normen umgehen?
Normen bestimmen maßgeblich das Verhalten im Team – und das in fast allen Bereichen. Im Kapitel zur Motivation von Verhalten in der Praxis befindet sich ein Überblick zu Verhaltensbereichen, die in der Praxis oft relevant sind. Um richtig zu motivieren, sollten Führungskräfte deshalb aufmerksam sein und genau analysieren. Welche Normen bestehen in wichtigen Verhaltensbereichen? Sind die vorgefundenen Normen förderlich für die Ziele und Arbeitsaufgaben? Wenn nicht, gilt es zu handeln.
Normen haben auch Schattenseiten. So hat sich ein bedeutender Einfluss von Normen auf antisoziales und unerwünschtes Verhalten gezeigt – wie Diebstahl oder Mobbing. Ein Beispiel mit einer Schule in einem sozialen Brennpunkt: Es ist zur Norm geworden, die Hausaufgabe nicht zu machen. Der Unterricht startet erst 10 Minuten nach dem eigentlichen Beginn, da dann erst alle von der Pause zurück und halbwegs befriedet sind. Leistungs- und Lernziele werden kollektiv abgelehnt. Wer den Unterricht stört und Lehrer provoziert, erfährt hohen sozialen Status und definiert dann aus dieser Position die sozialen Normen. Die vorhandenen unerwünschten Normen in den Schulklassen sozialisieren neue Mitglieder „nach unten“, wenn das System erst einmal gekippt ist. Fazit: Normen sind also auch ein zentraler Zugang, um unerwünschtes Verhalten zu steuern.
Normen führen zu Konformität und Stabilität im Verhalten und sind daher häufig ein Hindernis bei Veränderungen. Möchte man Innovation und Wandel, dann gelingt es idealerweise, Veränderung selbst als Norm zu vermitteln. Veränderung ist dann normal. Wer sich nicht verändern möchte, den sanktioniert das Team. Wer dagegen mitmacht, der erhält positive Reaktionen und wird damit motiviert.
Der nächste Abschnitt behandelt die Bedeutung des Zusammenhaltes im Team für die Motivation.
Teamgeist: Motivation durch Zusammenhalt im Team
Wie hängen Teamzusammenhalt und Motivation zusammen? Hat Teamgeist nur positive Wirkungen? Ein zentraler Aspekt ist hier, dass Normen mit dem Zusammenhalt (Kohäsion) in Teams im Wechselspiel stehen (z.B. Stogdill, 1972), wie folgende Abbildung zeigt. Normen führen besonders innerhalb von Teams mit hohem Zusammenhalt zu Konformität, denn hier möchte man Mitglied sein und bleiben und passt sich daher besonders an. Bei Teams mit geringem Zusammenhalt, sind Normen dagegen entsprechend wenig einflussreich – die Anerkennung oder Ablehnung der anderen ist für das einzelne Teammitglied hier einfach nicht so wichtig.
In der Abbildung liegt der Fokus auf der Teamleistung, denn diese ist besonders wichtig in der Praxis. Leistung kann natürlich je nach Team einen ganz anderen Fokus haben: So wird etwa bei einer Schulklasse die Leistungsnorm im Lernen und bei Schulnoten liegen, bei Anhängern von Sekten in der Akquise neuer Mitglieder. Dennoch gilt das gleiche Prinzip: Die Einstellungen und das Verhalten der Teammitglieder passen sich bei hoher Teamkohäsion besonders an die Normen an, die Unterschiede zwischen Mitarbeitern verschwinden. Folglich ist die Leistungsmotivation in Teams am höchsten, wenn es eine hohe Leistungsnorm und eine hohe Kohäsion gibt. Kohäsion ist aber ein zweischneidiges Schwert. Die niedrigste Leistungsmotivation zeigt sich ebenfalls bei Teams mit hohem Zusammenhalt. Und zwar immer dann, wenn gleichzeitig die Leistungsnormen gering ausgeprägt sind. Es gibt dann eben besonderen sozialen Druck auf die Teammitglieder wenig zu leisten. Ein Extrembeispiel für ein Team mit hohem Zusammenhalt und niedrigen Leistungsnormen ist eine Meuterei – die Mannschaft stellt sich geschlossen gegen die Ziele der Führungskraft.
Abbildung: Leistungsnormen, Kohäsion und Leistung (Becker, 2016, S. 72)
Fazit: Je höher Leistungsnormen bei hoher Kohäsion sind, desto größer also auch die Leistungsmotivation (Berkowitz, 1954; Seashore, 1954; Stogdill, 1972). Hier herrscht oft ein Klima der Unterstützung und Ermutigung, das die Arbeitsmotivation fördert (Saks, 2006; Gorter et al., 2008; Xanthopoulou et al., 2009). Die geringsten Leistungen findet man dagegen in Teams mit hoher Kohäsion und geringen Leistungsnormen. Wenn die Leistungsnormen niedrig sind, dann ist für die Teamleistung sogar eine geringe Kohäsion besser als eine hohe Kohäsion.
Praxistipps
Wie sollten Kohäsion und Normen im Wechselspiel gestaltet werden?
Sind bereits niedrige Leistungsnormen in einem Team installiert, ist das ein Problem für die Motivation. Dann werden die neuen Mitglieder „nach unten“ sozialisiert. Auch hier mag das Bild einer Schule in einem sozialen Brennpunkt als anschauliches Beispiel zur Illustration dienen: Kinder aus der Mittelschicht werden in solchen Umfeldern häufig von den Normen der Unterschicht sozialisiert, was sich in der Sprache, im Sozialverhalten und den Leistungen niederschlägt. Ähnliches sollte auch in wirtschaftlichen Organisationen auf jeden Fall vermieden werden. Eine weitere Förderung des Zusammenhaltes wäre hier genau das Falsche. In diesen Fällen kann es sogar sinnvoll sein, die Kohäsion in einem Team zu senken oder das Team aufzulösen und in neuer Zusammensetzung aufzubauen – diesmal entlang von hohen Leistungsnormen.
Zudem stehen hohe Kohäsion und starke Normen mitunter frischem Denken und Innovation im Wege. Sanktion von neuem Denken und verändertem Verhalten kann Motivation bremsen, in Situationen, in denen Veränderungen notwendig sind. In diesen Fällen wird man sinnvollerweise versuchen, die Kohäsion im Team zu senken und anschließend neue Normen einführen. Entsprechende Ansätze lassen sich auch im politischen Bereich beobachten, wenn militärisch besiegte Bevölkerungen durch eine Stärkung des Föderalismus und andere Maßnahmen (etwa ethnisch heterogene Staatsgebilde, die gerne von Kolonialmächten gebildet wurden) an einem starken Zusammenhalt gehindert werden – und Machthaber gleichzeitig neue Werte und Normen aufbauen, die ihnen genehm sind (etwa ein anderes politisches System oder ein anderes Wirtschaftssystem).
Die Rolle von Vorbildern im Team für die Motivation diskutiert der nächste Abschnitt.
Motivation durch Vorbilder im Team
Vorbilder in Teams haben einen großen Einfluss auf die Normen und das Verhalten der anderen. Der soziale Statusvon einzelnen Mitgliedern innerhalb von Teams ist dafür entscheidend (vgl. Berger, Cohen und Zelditch, 1972). Hier gilt:
Je höher der Status eines Teammitglieds ist, desto größer ist auch die Toleranz für Abweichungen desjenigen von den Normen. So findet man beispielsweise bei Normen zum äußeren Erscheinungsbild nicht selten, dass besonders angesehene Manager oder auch Wissenschaftler sich im äußeren Erscheinungsbild Abweichungen erlauben können, die bei anderen Personen im Team nicht toleriert werden würden.
Je höher der Status eines Mitglieds im Team ist, desto größer ist auch sein Einfluss bei der Gestaltung von Normen. Das Mitglied formt das Verhalten der anderen. Nicht umsonst spricht man manchmal von informellen Führungskräften. Einzelne Mitglieder in Teams haben dann, wenn auch nicht offiziell, das Ansehen und die Funktion einer Führungskraft.
Aus diesen Erkenntnissen lässt sich leicht erkennen, dass den Teammitgliedern mit hohem Status eine besondere Bedeutung für die Motivation zukommt. Sie prägen die Normen und damit das Verhalten der anderen als Leitfiguren und Vorbilder. Das gilt sowohl dafür, welches Verhalten stattfindet als auch dafür, welches Verhalten nicht stattfindet. Sie können Normen verändern, da bei ihnen Abweichungen von bisherigen Normen eher akzeptiert sind und die anderen Teammitglieder das neue Verhalten eher nachahmen.
Praxistipps
Mitglieder mit hohem Status sind ein Motor für Motivation von Verhalten. Aus den Erkenntnissen, zum besonderen Einfluss von Vorbildern, kann man folgende praktische Maßnahmen ableiten:
Für das Erreichen von hohen Leistungsnormen empfiehlt es sich, als Kern für Teams zunächst besonders leistungsfähige Personen auszuwählen, früh in Teams zu platzieren, und mit hohem Status zu versehen. Wird ein neues Team gegründet, dann können somit zunächst diese besonders leistungsmotivierten und -fähigen Personen die Normen entwickeln. Erst später sollten neue Mitarbeiter mit niedrigeren Leistungsnormen (diese Personen gibt es in den meisten Unternehmen auch) in diese Teams integriert werden. Die bereits vorhandenen leistungsorientierten Normen sozialisieren diese späteren Mitglieder dann wie gewünscht.
Teammitglieder mit hohem Status wirken als eine Art Medizin bei Teams, wenn die Normen und das Verhalten der Mitglieder vom wünschenswerten Zustand abweichen. Ranghohe Vorbilder, die das gewünschte Verhalten zeigen, motivieren die anderen im Team in die beabsichtigte Richtung.
Ein weiterer Aspekt ist, dass sich Investitionen – etwa in Form von Trainings – bei den Mitgliedern mit hohem Status besonders auszahlen, da positive Ansteckungseffekte wahrscheinlich sind. Sie bieten anderen Gruppenmitgliedern als Vorbilder Orientierung und stecken dann sozusagen mit ihrem optimierten Verhalten an. So wirken Trainings weit über die einzelnen Personen hinaus. Entwicklungsmaßnahmen sollten sich also besonders auf Teammitglieder mit hohem Status konzentrieren, um maximale Wirkung zu entfalten.
Auch als Agenten für Veränderung und Change-Management eignen sich Mitglieder mit hohem Status gut (Howell und Higgins, 1990). Die Akzeptanz für neue Wege ist größer und die Bereitschaft der anderen zur Nachahmung ist höher, wenn die ranghohen Personen diese mittragen, besser noch vorangehen. Gelingt es nicht, diese informellen Führungskräfte einzubinden, dann blockiert das die gewünschten Veränderungen.
Sehr interessant, jedoch in der Praxis noch zu wenig systematisch beachtet, ist die Frage: Wie können Aufgaben gestaltet werden, damit sie von sich aus motivieren? Davon handelt das nächste Kapitel.