Wirtschaftspsychologie: Berufe und Karriere

Was macht man mit Wirtschaftspsychologie? In welche typischen Berufe führt ein Studium der Wirtschaftspsychologie, welche Berufschancen eröffnen sich? Was macht ein Wirtschaftspsychologe? Wirtschaftspsychologen finden sich in vielen Berufen. Das liegt daran, dass Psychologie fast überall in der Wirtschaft zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor geworden ist – im Umgang mit Kunden, im Umgang mit Mitarbeitern, in der Gestaltung von Arbeit, Produkten und Kommunikation, im Umgang mit Investoren, im Umgang mit Politik und der Öffentlichkeit. Entsprechend vielfältig sind die Jobs.
Dieses Kapitel zeigt die wichtigsten Berufe für Wirtschaftspsychologen, stellt Anwendungsbeispiele für Psychologie in diesen Berufen vor und diskutiert Jobaussichten, Berufswege und Karriereperspektiven. …

Beispiel Kundenentscheidungen. Wirtschaftspsychologen arbeiten in den verschiedensten Berufen – aber immer mit dem Fokus auf Menschen

Was macht man mit Wirtschaftspsychologie? Stärken von Psychologen

Psychologen haben bestimmte Stärken, die sie beruflich einbringen können.

  • Sie haben ein grundlegendes Verständnis darüber, wie Menschen funktionieren und Entscheidungen treffen, das weit hinaus geht über oberflächliche Betrachtungen und Perspektiven, die man in anderen Studiengängen dazu vermittelt.
  • Sie haben gelernt mit Menschen umzugehen, Informationen über sie zu gewinnen und andere zu beeinflussen.
  • In der Regel haben sie durch eine umfassende Methodenausbildung Kenntnisse zu Versuchsplanung, experimentellen Designs und statistischen Methoden, wie es sie in keinem anderen Studiengang in dieser Kombination gibt.

Diese Stärken braucht man in ganz verschiedenen Bereichen der Wirtschaft – denn Menschen und ihr Verhalten spielen fast überall eine Rolle. Vielleicht finden sich gerade deshalb bei Wirtschaftspsychologen die vielfältigsten Karrieren.

Die folgenden Abschnitte skizzieren jeweils knapp einzelne typische Berufsfelder für Wirtschaftspsychologen.

Karriere in der Personalpsychologie 

Begriffe wie „Human Resources“ oder „Humankapital“ waren vielleicht ursprünglich nicht so gemeint, wie sie sich anhören, sie sind aber nicht mehr zeitgemäß: Mitarbeiter sind Menschen, keine leblose Ressource und Psychologie hilft, wenn es darum geht, die besten Mitarbeiter auszuwählen, wirksam einzusetzen, zu motivieren und zu entwickeln.

  • Personalpsychologen geht es einmal um die Auswahl der geeigneten Personen. Typischerweise gestalten sie Bewerbungsprozesse, Auswahlgespräche und setzen eignungsdiagnostische Verfahren (psychologische Tests oder Assessment Center) ein.
  • Sie helfen bei der Zuordnung der Mitarbeiter zu den geeigneten Stellen und Tätigkeiten und
  • steuern die Weiterentwicklung des Personalbestandes.

Diese Expertise ist in der Praxis dringend notwendig, wie folgendes Beispiel zeigt.

Beispiel: Psychologie verbessert die Trefferquote bei der Auswahl von guten Führungskräften

Für diese Anforderungen sind psychologisches Fachwissen und insbesondere methodische und diagnostische Kompetenz von hoher Bedeutung. Vor dem Hintergrund der Globalisierung empfehlen sich interkulturelle Kenntnisse.

Experte für Arbeitspsychologie, Motivation, Führung und Veränderung

Psychologen können auch sehr gut Prozesse gestalten – etwa Arbeit. Die psychologische Optimierung von Arbeit zur Steigerung von Zufriedenheit, Motivation, Gesundheit und Leistung ist ein klassisches psychologisches Handlungsgebiet. Eng damit zusammen hängen Aspekte der Führung, Motivation und Organisation sowie die psychologische Begleitung von Veränderungsprozessen. Das für diese psychologischen Zielbereiche (wie Motivation) Psychologen gefragt sind, ist nicht weiter verwunderlich. Der Schaukasten zeigt wie Psychologie Arbeit motivierender gestaltet.

Beispiel: Psychologie macht Arbeit sexy

Marketingpsychologie – Schlüssel im Kampf um die Kunden

Wirtschaftspsychologen machen häufig Karriere im Marketingbereich. Ein Grund dafür ist der starke Wettbewerb und die verstärkte Marktorientierung von Unternehmen. Auch sind wirklich objektivierbare Unterschiede zwischen Angeboten gering und können oft schnell imitiert werden. Die zentrale Bedeutung von Kunden und anderen Zielgruppen und ihrem Verhalten für den Unternehmenserfolg ist der Praxis daher zunehmend bewusst.

Der Bedeutung von psychologischen Kenntnissen kommt auch eine deutliche Bewegung des Marketings in psychologische Themenbereiche zugute. Nahezu alle aktuellen großen Themen im Marketing sind stark psychologisch orientiert: dazu zählen z.B. die Bereiche Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, Markenführung und Markenwert, Beziehungen mit Kunden, Konsumentenverhalten und Entscheidungsprozesse im B2B-Bereich. Systeme zum Sammeln und Auswerten von Kundendaten (datamining, big data) werden immer komplexer. Hier haben Psychologen durch ihre hohe methodische Kompetenz und den wissenschaftlichen Hintergrund entscheidende Vorteile. Viele Verfahren, die in den Unternehmen und der Betriebswirtschaft an Bedeutung gewinnen (etwa die faktorenanalytischen Verfahren), stammen aus der Psychologie. Dieser Wissensvorsprung ist gefragt und zahlt sich aus.

Der Schaukasten zeigt am Beispiel von Supermärkten, wie zentral psychologische Gesichtspunkte das Marketing bestimmen.

Beispiel: Psychologie optimiert Supermärkte

Marktforschung als Berufsfeld für Wirtschaftspsychologen

Ein großes und schnell wachsendes Arbeitsfeld für Wirtschaftspsychologen ist die Markt- und Meinungsforschung. In den letzten zehn Jahren hat sich der Umsatz in dieser Branche auf über 18 Milliarden Euro verdoppelt. Europa ist mit derzeit mehr als 40% des Weltmarktes der mit Abstand wichtigste Marktforschungsmarkt. Entsprechend dominant sind europäische Marktforschungskonzerne. Deutschland ist international vorne mit dabei. Große Player wie TNS-Infratest oder die GfK sowie zahllose kleinere spezialisierte Unternehmen bieten interessante Arbeitsplätze in diesem Bereich.

Ein Psychologiestudium bereitet gut auf typische Tätigkeiten in der Marktforschung vor. Die hohe methodische Kompetenz von Psychologen bei der Auswertung und Interpretation von Daten ist hier ebenso erforderlich, wie die Fähigkeit, Fragen und Fragebögen erstellen und beurteilen zu können. Gerade im Bereich, der zunehmend nachgefragten qualitativen Methoden, wie Fokusgruppen oder nondirektive Interviews, liegt eine psychologische Kernkompetenz. Darüber hinaus werden von Marktforschungsunternehmen vermehrt fertige „Tools“ eingesetzt. Diese werden häufig von Psychologen entwickelt. Das Wissen im Bereich Testkonstruktion kann hier sehr gut eingesetzt werden.

Beispiel: Psychologie nicht beachtet, Coca-Cola scheitert mit New Coke

Medienpsychologie und Kommunikation als klassischer Berufsweg

In der Medien- und Kommunikationsbranche besteht traditionell Bedarf an der Psychologie als Wissenschaft vom Erleben und Verhalten. Schließlich soll Kommunikation sich auf das Erleben und Verhalten von Zielgruppen in der gewünschten Weise auswirken. Der alte Begriff Werbepsychologie ist mittlerweile überholt, Kommunikation hat sich weiterentwickelt. Die konkreten Tätigkeiten können dabei sehr unterschiedlich sein: Von der strategischen Planung und Konzeptentwicklung in Werbe- und Kommunikationsagenturen über den Bereich der Unternehmenskommunikation bis zur Programmentwicklung und Gestaltung bei Medien. Der Schaukasten zeigt eine Anwendung von Psychologie in der Werbung.

Beispiel: Wie die Freude in die Coca-Cola-Flasche kommt

In all diesen Feldern ist das Wissen um das menschliche Erleben und Verhalten von hoher Relevanz. Zudem sind zur Gestaltung und Überprüfung der Wirkung von Kommunikation fundierte psychologische und methodische Kenntnisse entscheidend.

Psychologie bei Mensch-Maschine-Schnittstellen

Begriffe wie HMI (Human-Machine-Interaction) und Kognitive Ergonomie sind ebenfalls wachsende Berufsfelder für Wirtschaftspsychologen – sei es bei Mitarbeitern oder Kunden. Immer anspruchsvollere und komplexere Produkte unterscheiden sich zunehmend weniger in den technischen Eigenschaften. Usability und Ergonomie sind damit ein wesentliches Differenzierungsmerkmal für Websites, Software und Hightechprodukte.

Coaching und Trainings als Berufsweg der Wirtschaftspsychologie

Coaching und Trainings für Führungskräfte und andere Personen können ein lukratives Arbeitsfeld sein. Zentrale Anforderungen im Management wie Mitarbeiterführung, Gestalten von Gesprächen und Kommunikation sowie die Karriereplanung und Persönlichkeitsentwicklung, haben starken Psychologiebezug.

Beispiel: Führungskräfte-Coaching als angewandte Psychologie

Noch ein wichtiger Aspekt, den jeder kennen sollte, der überlegt, sich beruflich in diese Richtung zu bewegen: Nur die wenigsten Personen mit einer Coaching-Ausbildung verdienen wirklich ihr Geld damit. Dafür verdienen die Organisationen, die immer neue Coaches ausbilden, umso besser. Und jeder darf sich derzeit Coach nennen, der Begriff ist nicht geschützt. Es darf auch jeder einen Verband gründen, der Coaches zertifiziert oder Einrichtungen akkreditiert, die Coaches ausbilden. Es entsteht der Eindruck, dass sich hier vieles nur um sich selbst dreht und für sehr viele eine Coachingausbildung eher ein Weg der Selbstfindung an sich ist, als ein Instrument darstellt, mit dem sie dann später anderen Menschen helfen.

Es gibt also viele Coaches, aber wenige gute. In diesem Feld gilt es daher einen entsprechenden „Namen“ zu haben, so dass sich ein direkter Einstieg gleich nach dem Studium schwer gestaltet. Es empfiehlt sich diese Option in einer späteren Phase der beruflichen Entwicklung zu erwägen. Sinnvoll kann zunächst eine Promotion und entsprechende praktische Erfahrung, etwa bei einer Unternehmensberatung, sein.

Wissenschaft und Lehre als Beruf

Die wenigsten Studierenden schlagen eine Karriere in der Wissenschaft ein. Das hat klare Ursachen: Derzeit sind die Bedingungen an den Universitäten allgemein nicht sonderlich gut, was Arbeitsplatzsicherheit und Einkommen für den wissenschaftlichen Mittelbau anbelangt.
Allerdings erfreut sich die Wirtschaftspsychologie wachsender Beliebtheit an Hochschulen und Universitäten. Entsprechende Angebote nehmen rasant zu. Viele Hochschulen haben mittlerweile Wirtschaftspsychologie in das Lehrangebot aufgenommen. Insbesondere wächst die Zahl privater Anbieter, die Wirtschaftspsychologie in ihr Studienprogramm integrieren.

Der letzte Abschnitt gibt Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung.

Wirtschaftspsychologie: Literatur

Aktuelle Literatur-Tipps zu Wirtschaftspsychologie.

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Wirtschaftspsychologie für Bachelor
  • Christian Fichter (Autor) - Philipp Köhl (Sprecher)
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Wirtschaftspsychologie für Dummies
  • Ulrich Walbrühl (Autor)
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Vor dem Beruf steht das Studium der Wirtschaftspsychologie. Dazu das nächste Kapitel.