Welche Motive von Menschen lassen sich mit wissenschaftlichen Methoden finden? Gibt es wirklich ein Leistungsmotiv, wie entsteht Leistungsmotivation? Wegen der Kritik an der Bedürfnispyramide und anderen Ansätzen hat man spätere Inhaltstheorien der Motivation nicht alleine aus rein theoretischen Überlegungen entwickelt. Man hat mit explorativen empirischen Studien geforscht. Hier sind vor allem die Forschungsergebnisse und die Motivationstheorien von David McClelland entscheidend. Darum geht es in diesem Beitrag. Oft wird seine Arbeit auf die Leistungsmotivationstheorie beschränkt. Tatsächlich bietet der Ansatz mehr als Leistungsmotivation: Es geht auch um Machtmotivation, soziale Anschlussmotivation und Verhalten in der Arbeit. …
In diesem Beitrag:
Leistungsmotivation und mehr: Die Motivationstheorien von McClelland
Zahlreiche Studien angeregt hat vor allem die Motivationstheorie von McClelland (McClelland, 1961). Der Fokus war hier nicht darauf gerichtet, vollständig alle Motive zu beschreiben, sondern besonders wichtige Motive zu identifizieren. McClelland unterscheidet insgesamt drei zentrale Motivgruppen, bei denen Menschen sich stark unterscheiden.
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Diese sind Leistungsmotive, Machtmotive und soziale Anschlussmotive. Je nach Ausprägung dieser Motive zeigen Menschen eine sehr unterschiedliche Motivation und unterschiedliches Verhalten am Arbeitsplatz, wie folgende Abbildung zeigt.
Hier eine kurze Beschreibung der Motive nach McClelland:
- Leistungsmotive. Leistungsmotive beschreiben den Antrieb, Erfolg zu haben und anspruchsvolle Ziele anzustreben und zu verfolgen. Sie führen zu Leistungsmotivation. Menschen mit hoher Leistungsmotivation streben nach Erfolg und danach, Dinge besser und effizienter als andere Menschen zu machen. Sie bevorzugen Arbeitstätigkeiten und Bedingungen mit hoher Eigenverantwortung, persönlichem Einfluss auf das Arbeitsergebnis, schnellem Feedback und sie wünschen Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Menschen.
- Machtmotive. Machtmotive sind ein Antrieb, Einfluss über andere zu gewinnen und in der Hierarchie aufzusteigen. Sie führen zu Machtmotivation. Personen mit hoher Machtmotivation beschäftigen sich mit Status und Prestige und weniger mit der Arbeitsleistung. Sie orientieren sich an mächtigen anderen Personen im Umfeld und bevorzugen Arbeitsumgebungen mit Einfluss und Kontrolle über andere Menschen. Dabei verhalten sie sich aggressiver als andere. Sie suchen zudem Beachtung und orientieren sich bei Produkten an Prestige (vgl. Winter, 2010).
- Soziale Anschlussmotive. Soziale Anschlussmotive beschreiben das Verlangen nach freundschaftlichen und engen sozialen Beziehungen und Bindungen mit anderen Menschen. Sie führen zur sozialen Anschlussmotivation. Bei hoher Ausprägung kommunizieren Menschen mehr mit anderen, erfassen ihre soziale Umgebung schneller, suchen kooperative Arbeitsbeziehungen, vermeiden Konflikt und wünschen sich ein gutes soziales Klima am Arbeitsplatz (z.B. Koestner und McClelland, 1992).
Diese drei sind die am intensivsten erforschten Motive von Menschen (vgl. Duncan und Peterson, 2010). Der Fortschritt einer Inhaltstheorie wie der von McClelland gegenüber einer wie der von Maslow ist evident. Die Theorie ist erstens wissenschaftlich gut gestützt. Zudem berücksichtigt sie, dass Menschen nicht alle die gleichen Motive haben, sondern die einzelnen Motive ganz unterschiedlich ausgeprägt sein können.
Der nächste Abschnitt stellt ausgesuchte Forschungsergebnisse zur Motivationstheorie von McClelland vor.
Motivationstheorien von McClelland: Forschungsergebnisse
Je nach Ausprägung der drei Motivbereiche, zeigen Personen ganz unterschiedliche Motivation und anderes Verhalten.
Menschen mit hoher Leistungsmotivation wählen Ziele, die anspruchsvoll aber erreichbar sind. Zu anspruchsvolle Ziele werden von Menschen mit hoher Leistungsmotivation ebenso abgelehnt, wie zu einfache Ziele. Wenn diese Bedingungen (anspruchsvolle aber realistische Ziele) geschaffen werden, sind Menschen mit hoher Leistungsmotivation optimal stimuliert. Personen mit hoher Leistungsmotivation sind daher beispielsweise als selbständige Unternehmer überproportional häufig und auch besonders erfolgreich (McClelland und Winter, 1969).
Bei Managern zeigt sich im Durchschnitt eine sehr niedrige soziale Anschlussmotivation (Winter, 2002). Scheinbar ist es hinderlich für die Karriere, wenn man zu viel Rücksicht auf die Beziehungen zu anderen Menschen nimmt. Studien zeigen bei Managern in Konzernen eine ausgeprägte Machtmotivation, die offenbar für einen Aufstieg förderlich ist. Zudem zeigt sich bei dieser Gruppe eine mittlere Leistungsmotivation (Winter, 2002).
Machtmotivation bei Frauen und Männern ist im Schnitt ähnlich, äußert sich aber anders. Bei Männern gibt es Zusammenhänge mit verbaler und physischer Aggression und der Unterdrückung und sexueller Ausnutzung von Frauen (Stewart und Rubin, 1976). Da Machtmotivation in der Regel bei Führungskräften hoch ausgeprägt ist, kann das zu Problemen am Arbeitsplatz führen, die mitunter ganze Unternehmen gefährden – die Debatte um Harvey Weinstein, dessen Unternehmen in der Folge massiver Anschuldigungen von sexuellem Fehlverhalten Insolvenz anmelden musste, ist dafür ein Beispiel. Die negativen Effekte von Machtmotivation treten dann nicht auf, wenn Menschen ein hohes Bewusstsein für Verantwortlichkeit haben (Winter und Barenbaum, 1985) oder gleichzeitig mit der Machtmotivation die soziale Anschlussmotivation hoch ausgeprägt ist (Peterson und Stewart, 1993).
Machtmotivation ist daher wie Feuer – sehr nützlich, wenn sie richtig kanalisiert ist aber auch riskant (Winter, 2006).
Die empirischen Befunde aus den Untersuchungen liefern einige praktisch brauchbare Ansatzpunkte.
- Personalauswahl: Anhand ihrer Motivstruktur können für bestimmte Tätigkeiten geeignete Bewerber ausgewählt werden. So sollte bei einer Stelle mit mit hoher Eigenverantwortung, persönlichem Einfluss auf das Arbeitsergebnis und Zielen, die anspruchsvoll aber erreichbar sind, eine Person mit hoher Leistungsmotivation eingesetzt werden. Unter entgegengesetzten Bedingungen (z.B. Stelle mit wenig Eigenverantwortung) würde diese Person sogar schlechtere Leistungen als jemand mit geringerer Leistungsmotivation (und gleichen Fähigkeiten) zeigen. Insbesondere bei Männern mit hoher Machtmotivation und geringer sozialer Anschlussmotivation besteht ein Risiko für späteres Fehlverhalten auf Führungspositionen.
- Mitarbeitermotivation: Zudem wird ersichtlich, wie verschiedene Menschen über die Arbeitsbedingungen motiviert werden können. So findet sich bei Frauen beispielsweise eine höhere soziale Anschlussmotivation (Minton, Schneider und Wrightsman, 1980; McAdams et al., 1988). Soziale Anschlussmotivation hängt auch positiv mit weiblichen Hormonen (z.B. Progesteron) zusammen (Schultheiss, Dargel und Rohde, 2003). Das kann auch teilweise erklären, warum Frauen bei Karrieren im Management weniger erfolgreich als Männer sind – wie bereits angeführt, gibt es Hinweise, dass hohe soziale Anschlussmotivation hinderlich ist, wenn menschlich harte Entscheidungen getroffen werden sollen.
- Entwicklung von Motiven: Motive sind nicht statisch, sondern können trainiert werden. So ist es beispielsweise gut gelungen, die Leistungsmotivation von Mitarbeitern zu steigern (Miron und McClelland, 1979).
Der letzte Abschnitt gibt Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung.
Leistungsmotivation: Literatur
Aktuelle Literatur-Tipps zu Leistungsmotivation.
- Brandstätter, Veronika (Autor)
Das nächste Kapitel diskutiert die Bedeutung von Erwartungen für die Motivation. Es behandelt die Erwartungswert-Theorien.