Die meisten verlieren sehr viel Wirkung als Führungskraft, weil sie sich kaum als Person entwickeln. Andere werden unaufhaltsam. Wie kannst Du Deine Führungspersönlichkeit entwickeln?
Es gilt ein Gesetz bei allem was wir tun: Die Person ist entscheidend. Bei einem Spitzensportler sind nicht nur die Techniken entscheidend, die er beherrscht, sondern seine Verfassung als Person. Einen Triathlon gewinnst Du nicht nur, weil Du Schwimmbewegungen technisch präzise ausführst. Und auch bei jedem Handwerk sind am Ende nicht nur die Werkzeuge entscheidend, sondern der Handwerker selbst als Person. Oder stell Dir den besten Rennwagen vor – mit einem Verlierer am Steuer. Ähnlich ist es auch bei der Mitarbeiterführung. Instrumente sind wichtig; aber es ist nicht egal, wer diese Führungsinstrumente einsetzt. Du selbst bist der Raketenantrieb für Deine Führung. Wenn Du auf ein paar persönliche Eigenschaften achtest, kannst Du eine sehr wirksame Führungspersönlichkeit werden. Während andere auf der Bremse stehen, wirst Du unaufhaltsam.
Auf welche Persönlichkeitseigenschaften es ankommt und wie Du Deine Führungspersönlichkeit stärkst, das erfährst Du in diesem Kapitel. …
In diesem Beitrag:
Führung und Person: Übersicht zur Führungspersönlichkeit
Beginnen wir mit der Definition: Führungspersönlichkeit sind alle Eigenschaften einer Person, die sich auf die Wirksamkeit ihrer Führung auswirken. Es gibt viele Eigenschaften von Menschen, die mit Führungserfolg zusammenhängen. Psychologen haben das Thema Führungspersönlichkeit mittlerweile umfassend erforscht und einen guten Überblick bekommen. Wenn Du selbst kein Psychologe bist, hört sich wahrscheinlich einiges davon für Dich ziemlich abgedreht und ungewohnt an. Schauen wir uns die Ergebnisse also an. Die Tabelle gibt Dir eine Übersicht.
Eigenschaften, die man schwer ändern kann oder will |
Eigenschaften, die man eher ändern kann und will |
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Einige für Führung wichtige Eigenschaften kannst Du kaum ändern – beispielsweise Deine Körpergröße. So hat es seit 1896 nur noch US-Präsidenten gegeben, die überdurchschnittlich groß waren (Judge und Cable, 2004). Meistens (nicht immer) gewinnt auch der größere der beiden finalen Kandidaten die Wahl. Jeder Zentimeter mehr bringt Arbeitnehmern im Schnitt ca. 300 Dollar mehr Gehalt ein, einfach weil sie schneller befördert werden (Judge und Cable, 2004). Dieser Effekt gilt für Männer und Frauen. Entsprechend zeigt sich in den Hierarchien von Organisationen, dass die Menschen auf jeder höheren Karrierestufe im Schnitt größer sind als auf der Stufe darunter (Hensley, 1993). Politiker berücksichtigen das und versuchen, Filme und Fotos in der öffentlichen Wahrnehmung zu platzieren, die den Eindruck von Größe vermitteln. Beispielsweise stellen sie möglichst kleine Bodyguards ein (obwohl große sie gegen vieles besser schützen könnten), um selbst größer auf Fotos und Videos zu wirken. Diese Ergebnisse sind zwar wissenschaftlich spannend, für Dich als Führungskraft in der Praxis aber kaum hilfreich. Denn Du kannst Deine Körpergröße nur schwer ändern. Zu solchen kaum veränderbaren aber für den Führungserfolg wichtigen Eigenschaften gehören auch grundlegende Persönlichkeitsmerkmale, etwa ob Du extrovertiert, offen für Neues und Gewissenhaft bei deiner Arbeit bist (Judge et al., 2002). Auch fachliche Kompetenz, in dem Bereich in dem Du aktiv bist, ist wichtig für Deine Performance als Führungskraft (Havron und McGrath, 1961; Palmer, 1962). Das bedeutet – statistisch gesehen – ist es beispielsweise sinnvoller, ein ausgebildeter Militär ist Verteidigungsminister als eine Gynäkologin. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die aber sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft überraschend oft ignoriert wird. Umfangreiche fachliche Erfahrung und einschlägige Bildungsabschlüsse sind also wichtig für Führungserfolg, aber eben sehr anspruchsvoll und aufwändig nachzuholen und zu entwickeln.
Andere für Führung relevanten Eigenschaften willst Du kaum ändern. Dazu zählen Hormone. Tierversuche gaben erste Hinweise. Kühe, denen über zehn Wochen Testosteron verabreicht wurde, stiegen in der Rangordnung auf – aber nur gegenüber Kühen, die keine Hormone bekamen (Bouissou, 1978). Ähnliches zeigt sich bei anderen Tieren, etwa Hühnern (Rogers und Astiningsih, 1991). Tiere, denen dagegen Östrogen verabreicht wurde, steigen systematisch ab in Hierarchien (Bouissou, 1990). Du denkst jetzt vielleicht: „Aber bei Menschen mit ihrem Intellekt und ihren komplexen nach Rationalität aufgebauten Organisationen ist das sicher ganz anders! Die Steinzeit liegt lange hinter uns.“ Hier ein paar Forschungsergebnisse: Testosteronspiegel (natürlich jeweils innerhalb der Gruppe der Männer und der Gruppe der Frauen getrennt ausgewertet) hängt zusammen mit Gehalt (Gielen, Holmes und Myers, 2016) und Erfolg als Unternehmer (Unger, Rauch, Weis und Frese, 2015). Allerdings sind die Befunde, so lange Studien nur Testosteron isoliert betrachten, nicht konsistent. Bei Menschen sind die hormonellen Zusammenhänge mit Dominanz und Status komplexer. Insbesondere das Stresshormon Kortisol hemmt die Wirkung von Testosteron und muss daher mit berücksichtigt werden (Mehta und Josephs, 2010; Carré und Mehta, 2011; Edwards und Casto, 2013). Entsprechend haben Führungskräfte mit hohem Testosteronwert und niedrigem Kortisolspiegel deutlich mehr Mitarbeiter unter sich, sie sind also höher in der Hierarchie (Sherman et al., 2016). Nur: Würdest Du Testosteron zu Dir nehmen, um die Karriere zu pushen? Die meisten Menschen würden das vermutlich nicht tun. Was Du aber tun kannst: Maßnahmen ergreifen, die Deine Stresswerte senken. Durch den dann niedrigeren Kortisolspiegel kommt Dein Testosteron eher zur Wirkung. Das sollte nach den vorliegenden Studien für Deinen Führungserfolg günstig sein. Alles in allem wird aber Dein Hormonhaushalt sicher nicht der zentrale Ansatzpunkt sein, wenn Du Deine Person für wirksame Führung aufstellen willst. Er gehört zur Gruppe der Eigenschaften, die man zwar ändern kann – aber nicht ändern möchte.
Und dann gibt es Eigenschaften, die für den Erfolg als Führungskraft wichtig sind und die Du leicht und ohne große Risiken ändern kannst. Auf diese persönlichen Eigenschaften, mit denen Du die meiste Wirkung für das geringste Investment erreichst, wollen wir uns hier konzentrieren: Ich habe für Dich ausgesucht Forschungsergebnisse zu Stimme, Emotionen, Mindset und Attraktivität. Diesen Input bekommst Du in den nächsten Abschnitten.
Führung und Stimme: Welcher Ton wirkt?
Ein wichtiges Merkmal der Führungspersönlichkeit ist Deine Stimme. Der Ton macht die Musik – und mit Deiner Stimme beeinflusst Du die Wirkung der Führungsinstrumente. Deine Stimme verrät viel über Dich: Geschlecht, Alter, Emotion, Motivation, Selbstsicherheit und Entschlossenheit. Du kannst Dir in Bezug auf Mitarbeiterführung sicher schon einiges mit gesundem Menschenverstand denken: Du solltest die richtige Lautstärke einsetzen, langsam genug sprechen und deutlich betonen. Außerdem sollte Deine Stimme natürlich (genauso wie Deine Körpersprache) unterstreichen, was Du sagst. Wenn Du sagst „Ich freue mich!“, dann sollte man das auch hören und sehen können. Das wissen viele oder können es sich zumindest denken – was nicht unbedingt bedeutet, dass sie es auch berücksichtigen.
Was aber wissen nur die wenigsten über Stimme? Wir wollen hier eine Ebene tiefer blicken, über das offensichtliche hinaus. Tiefer im wahrsten Sinne des Wortes, denn mit tiefer Stimme wirst Du eher als Führungskraft ausgewählt und akzeptiert (Tigue et al., 2012; Klofstad, 2016). Du wirkst damit kompetent, physisch und mental stark, dominant und vertrauenswürdig. So gewann bei allen Präsidentschaftswahlen, bei denen Stimmanalysen vorliegen (seit 1960 bis zur Publikation des Artikels), der Kandidat mit der tieferen Stimme (Gregory und Gallagher, 2002). Ähnliches fand sich bei breiten Analysen zu Ergebnissen von anderen Wahlen: Wer eine tiefere Stimme hat, wird eher als Führungskraft gewählt (Klofstad, 2016).
Die Effekte könnten durch Zusammenhänge mit der Körpergröße und Testostertonwerten verzerrt sein – sie zeigen sich aber unabhängig davon. Experimente zeigen: Auch die Stimme alleine wirkt, ohne Sichtbarkeit der Person (Klofstad, Anderson und Peters, 2012). Typischerweise verändern Wissenschaftler in Experimenten die Stimmlage in dabei einfach technisch mit entsprechender Software nach oben oder unten.
Zu den beschriebenen Vorteilen tiefer Stimmen im Führungs-Kontext passen andere Studien, die zeigen, dass Personen im Umgang mit untergeordneten Personen (Mitarbeiter) unbewusst tiefere Stimmen einsetzen – im Umgang mit ranghöheren Personen setzen sie dagegen höhere Stimmen ein (Gregory und Webster, 1996; Puts et al., 2007). Tiefe Stimmen sind so automatisch mit Status und Hierarchie assoziiert, was unbewusst die Akzeptanz von Führungskräften mit tiefer Stimme stärkt. Übrigens, falls Du eine Frau bist: Es besteht ein noch stärkerer Effekt bei Frauen-Stimmen (Klofstad, Anderson und Peters, 2012; Klofstad, 2016).
Fazit: Es ist als Führungsperson also in Deinem Interesse, eine möglichst tiefe Stimme zu nutzen. Fassen wir die Vorteile nochmal zusammen: Deine Mitarbeiter akzeptieren Dich unbewusst eher als ihre Führungskraft, ordnen sich „instinktiv“ unter und Du wirkst damit kompetent, physisch und mental stark, dominant und vertrauenswürdig. Vielleicht denkst Du Dir jetzt „Aber ich habe doch meine Stimme, die ist wie sie ist!“. Nein. Die meisten Menschen reden sogar höher als ihre natürliche Stimme. Oft hast Du schon einiges gewonnen, wenn Du nur mit Deiner natürlichen Tonlage sprichst. Und man kann seine Stimme wunderbar trainieren. Wenn es bei Dir hier Verbesserungspotenzial gibt, dann informiere Dich dazu und übe mit tiefer Stimme zu begrüßen, zu verabschieden, Abordnungen zu geben etc. Ein Beispiel aus der Praxis dazu ist die langjährige englische Premierministerin Margaret Thatcher. Ihr Biograf Charles Moore gibt an, dass sie Sprachtrainings besucht hat, um ihre Stimme tiefer zu bekommen – für mehr Stärke und Wirkung. Offenbar mit eindrucksvollem Erfolg, wie Vergleiche der Stimme über die Jahre und die lange Amtszeit verraten (Atkinson, 1984).
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Von Deiner Stimme kommen wir zu Deiner emotionalen Stimmung. Dazu der nächste Abschnitt.
Emotion und Führung: Welche Stimmung hilft?
Vorneweg: Emotionen sind ansteckend, übertragen sich von Mensch zu Mensch (z.B. Barsade, 2002). Diese ausstrahlende Wirkung trifft besonders auf Dich als Führungskraft zu. Das hat einen simplen Grund: Alle Blicke richten sich auf Dich, Du hast den höchsten Status im Team, bekommst am meisten Aufmerksamkeit (z.B. Dalmaso et al., 2012), stehst im Mittelpunkt. Dein emotionaler Zustand färbt also auf alle Mitarbeiter stark ab. Egal, ob Du begeistert und gut gelaunt, deprimiert, wütend oder ängstlich bist – Du „infizierst“ Deine Mitarbeiter damit. Das bedeutet: Wenn Du Deinen Zustand änderst, änderst Du immer auch den emotionalen Zustand Deiner Mitarbeiter.
Soweit so gut. Aber welcher emotionale Zustand ist erstrebenswert, welche Stimmung solltest Du ausstrahlen, wenn Du mit Deinen Mitarbeitern zu tun hast?
Positive Emotionen am Arbeitsplatz führen zu einem breiteren Aufmerksamkeitsfokus und kreativerem Denken (vgl. Fredrickson, 2009). Sie sind verbunden mit hoher Motivation der Mitarbeiter (z.B. Balducci, Fraccaroli und Schaufeli, 2010; Sonnentag et al., 2008). Führungskräfte sollten daher eine positive Grundemotion besitzen, denn diese steckt an und strahlt auf die Mitarbeiter aus. Neben dem positiven Aspekt ist auch ein gewisses Maß an Aktivierung wichtig. „Positiv entspannt“ kann mitunter gut sein. Oft willst Du aber ein bisschen mehr Dynamik.
Fazit: Wenn Du gut gelaunt und dynamisch bist, hast Du als Führungskraft für die allermeisten Situationen den richtigen Zustand, um Deine Mitarbeiter positiv zu beeinflussen. Wenn Du dagegen erschöpft, deprimiert oder ängstlich bist, dann strahlst Du das aus und hast weniger Wirkung. Natürlich kann es in einigen speziellen Situationen wichtig sein, eine andere Emotion auszustrahlen, etwa um eine Botschaft zu unterstreichen und einem Mitarbeiter zu zeigen, dass Du wirklich verärgert bist und das Thema Dir wichtig ist. Das bezieht sich aber auf kurzfristige Abweichungen von Deiner Grundemotion. Es gibt sehr selten Situationen, bei denen es in Deinem Interesse ist, Angst, Unsicherheit, Erschöpfung oder Depression auszustrahlen.
Viele Menschen reden sich hier aus ihrer Verantwortung heraus: „Meine Stimmung ist doch so, wie sie ist. Ich kann die doch nicht ändern, ich kann da nichts dafür!“ Bullshit. Jeder Mensch betreibt sehr viel Aufwand für Affektregulation. Ein großer Teil unseres täglichen Verhaltens findet nur statt, damit wir positive Emotionen erleben und negative Emotionen verschwinden oder wir diese betäuben und uns davon ablenken. Mach Dir bewusst, wie viel Du den ganzen Tag unternimmst, nur um Deine Emotionen zu beeinflussen: An bestimmte Dinge denken, mit bestimmten Menschen etwas unternehmen, Musik hören, Filme ansehen, Sport, Spiel, Meditation etc. Als Führungskraft bist Du hier besonders gefordert, denn Du hast nicht nur Verantwortung für Deine eigenen Emotionen, sondern auch für die Deiner Mitarbeiter. Man nennt das Emotionsarbeit.
Stelle Dir folgende Fragen: Bin ich generell eher von Energie und guter Laune geprägt? Fällt es mir leicht meine eigenen Emotionen in gewünschte Bahnen zu lenken (Emotionsarbeit und Affektregulation)? Habe ich geeignete Strategien, um in der Freizeit zu regenerieren und voll positiver Energie ins Büro zu gehen? Kann ich mich von negativen Gedanken und Emotionen befreien – und umgekehrt solche Emotionen und Denkmuster stärken, die mich in den richtigen Zustand bringen, mir positive Emotionen und Energie geben (Gedankenhygiene)?
Gedankenhygiene ist ein großer Überbegriff, der viel mehr als Emotionen umfasst. Im nächsten Abschnitt geht es daher darauf aufbauend um weitere psychologische Aspekte, die für Deine Wirkung als Führungskraft entscheidend sind.
Mindset und Führungspersönlichkeit
Unter dem Schlagwort „Mindset“ habe ich für Dich mehrere entscheidende mentale Eigenschaften für Deinen Führungserfolg zusammengefasst. Diese Eigenschaften zahlen letztendlich auf einen wichtigen Aspekt ein: Deine Selbstsicherheit, die Du ausstrahlst. Und mit dieser Selbstsicherheit entfalten Deine Führungsinstrumente mehr Wirkung. Es gibt das sehr passende Zitat des Militärs Helmuth von Moltke: „Unsicherheit im Befehlen erzeugt Unsicherheit im Gehorsam.“ Oder vertraust Du jemandem, der Unsicherheit ausstrahlt? Nimmst Du diese Person als Vorbild? Glaubst Du an ihre Entscheidungen? Möchtest Du so jemandem folgen? Eher nicht.
Was also kannst Du tun, um das richtige Mindset als Führungskraft zu haben?
- Ein guter Ansatzpunkt ist Optimismus. Optimisten glauben, dass ihre Situation günstig ist, dass widrige Umstände vorübergehend und veränderbar sind (Seligman, 1998). Optimismus hängt mit hoher Motivation zusammen: Wer glaubt „Ich habe ein gutes Team, ich habe Glück gehabt, die anderen wollen mich unterstützen und mögen meine Ideen!“ arbeitet engagierter. Versuche also die positiven Aspekte in Deinem Umfeld mehr zu beachten als die negativen; ganz nach dem Motto „Das Glas ist halb voll!“. Sei jemand, der die Chancen sieht und benennt. Behalte die Risiken im Blick aber lasse Dich nicht davon beherrschen.
- Ein weiterer Punkt, mit dem Du Selbstbewusstsein aufbauen kannst und ausstrahlen wirst, ist Selbstwirksamkeit. Selbstwirksamkeit beschreibt Deine innere Überzeugung, dass Du Herausforderungen kompetent lösen kannst (Chen, Gully und Eden, 2001). Selbstwirksamkeit ist also eine Bewertung der eigenen Person und ist unterschiedlich stark ausgeprägt bei verschiedenen Menschen. Hohe Werte führen hier zu einer Reihe positiver Effekte, wie größere Anstrengung beim Verfolgen von Zielen, die Auswahl von realistischen Zielen und eine erhöhte Anstrengung bei Misserfolg (Stajkovic und Luthans, 1998). Es lohnt sich also für Deine Wirksamkeit als Führungskraft in Deinen Glauben an Dich selbst zu investieren. Mache dafür den Spruch „Yes I can!“ zu Deinem Credo. Es gibt viel, was Dir auf diesem Weg helfen kann: Suche Erfolgserlebnisse und Erfahrungen mit Deinen aktuellen Herausforderungen. Ähnlich wie bei einer Person mit Führerschein, die nie fährt, erstickt auch bei Dir durch zu starke Schonung und Behütung die Selbständigkeit und das Selbstvertrauen. Übung und Erfahrung mit einer Aufgabe befreien Dich von Ängsten und Hemmungen und geben Dir durch Erfolgserlebnisse und Routine ein Gefühl der Beherrschung. Denke auch möglichst oft an Erfolgserlebnisse, die Du hattest. Eine weitere Maßnahme, die Deine Selbstwirksamkeit steigert, ist der tatsächliche Aufbau von Kompetenz. Selbstwirksamkeit kann zwar in Einzelfällen weit von der Realität abweichen, was dann als Selbstüberschätzung oder Selbstunterschätzung auffällt – doch in der Regel folgt Selbstwirksamkeit den Kompetenzen. Das liefert einen wichtigen Ansatzpunkt, um Selbstwirksamkeit zu fördern: Den Aufbau von Kompetenzen. Diese Kompetenzen machen dann auch die im vorangehenden Punkt genannten Erfolgserlebnisse wahrscheinlicher.
- Emotionale Stabilität ist der dritte Punkt, der eine Rolle spielt für Deine Selbstsicherheit. Wenn Du in kritischen Situationen schnell emotional reagierst und unruhig bist, merken das andere, Du strahlst Unsicherheit aus. Was kannst Du tun? Es geht nicht darum, dass Du zum unempathischen, emotionslosen Eisklotz wirst. Das wäre kontraproduktiv. Es geht darum, dass Du dann, wenn es darauf ankommt, Ruhe und Souveränität ausstrahlst. Bewährte Methoden sind mentale Entspannungstechniken und körperliche Übungen, die Deinen Zustand und sogar Deine Hormonkonzentration an Stresshormonen wie Cortisol dramatisch ändern können. Wichtig ist auch, dass Du Dir immer Herausforderungen suchst, die anspruchsvoll aber realistisch sind. Klar wird so manch einer nervös, wenn er Projekte angeht, die mehrere Nummern zu groß sind. Denke also groß – und handle realistisch.
Von den inneren Werten (Mindset) kommen wir im nächsten Abschnitt zu den Äußerlichkeiten: Deine Attraktivität ist Thema im nächsten Abschnitt.
Führung und Attraktivität
Auch Attraktivität gehört zur Führungspersönlichkeit. Ja, es mag vielen oberflächlich erscheinen. Aber offenbar ist die Welt oberflächlich. Deshalb sehen die Menschen in den Werbespots so gut aus. Es wurde wieder und wieder auf Werbewirkung getestet. „Beauty sells!“ sagen die Amerikaner. Warum sollte das bei Dir als Führungskraft anders sein? Warum sollte es egal sein, ob Mitarbeiter jemanden attraktiven als Führungskraft haben?
Also: Physische Attraktivität ist wichtig – und nebenbei bemerkt, ist was Menschen bei anderen als attraktiv empfinden, nicht eine Frage von Kultur oder Erziehung, sondern zum Großteil angeboren (vgl. z.B. die Übersicht bei Langlois et al., 2000). Daher liegt Schönheit von Menschen hier nicht im Auge des Betrachters, sondern es gibt eine sehr hohe Übereinstimmung der Bewertungen sowohl innerhalb einer Kultur (mehr als 80%), als auch kulturübergreifend und über verschiedene ethnische Gruppen hinweg (beide um die 80% Übereinstimmung). Kommen wir aber zum Punkt: Warum solltest Du als Führungskraft auf Deine Attraktivität achten? Dafür habe ich Dir die entscheidenden Forschungsergebnisse zusammengestellt.
- Wenn Du gut aussiehst, hast Du viele Vorteile im Leben. Attraktive Personen bauen durch ihre größere Popularität soziales Kapital in Form von guten Kontakten auf und machen schneller Karriere (Seibert, Kraimer und Liden, 2001). Als attraktiver Mensch bekommst Du durch diese besseren Berufs- und Karrierechancen mehr Gehalt als unattraktivere Personen (Biddle und Hamermesh, 1998; Harper, 2000; Hosoda, Stone‐Romero und Coats, 2003). Um eine Zahl zu haben: ca. 70% der beruflich erfolgreichen Personen in nahezu jedem Bereich sehen überdurchschnittlich attraktiv aus – das sind mehr als zwei Drittel. Die Ursachen dafür liegen einerseits in den Reaktionen anderer Personen auf unterschiedliche Attraktivität, zum anderen aber auch an höherem Selbstbewusstsein und besserer Kommunikation von attraktiven Personen (Mobius und Rosenblat, 2006; Langlois et al., 2000).
- Vorteile sind natürlich schön – aber wie genau unterstützt Attraktivität Deine Führung? Entscheidend sind im Zusammenhang mit Führung vor allem die positiven Reaktionen anderer Menschen auf physische Attraktivität (Langlois et al., 2000): Sie bewerten attraktive Personen systematisch als deutlich fachlich kompetenter und sozial kompetenter. Die verzerrten Reaktionen treten auch im konkreten Verhalten auf: Attraktive Personen erhalten mehr Aufmerksamkeit, Hilfe und Unterstützung, positive Reaktionen (Lächeln, Nähe-Suchen, Ehrlichkeit, Akzeptanz). Wer dagegen weniger gut aussieht, erfährt mehr negative Reaktionen wie soziale Meidung, unfreundliches Verhalten, Strafen sowie Täuschung und Betrug. Das alles gilt sowohl für Männer als auch für Frauen. In diesem Kontext sind auch Forschungsergebnisse interessant, die zeigen, dass Übergewicht zu geringerer Attraktivität und damit wieder zu geringerer Akzeptanz als Führungskraft führt (Re und Perrett, 2014).
Fazit: Mehr Aufmerksamkeit, Hilfe und Unterstützung, Nähe-Suchen, Ehrlichkeit und Akzeptanz – wenn Du auf Dein Aussehen achtest. Das hört sich doch fast an wie ein „wünsch Dir was“ für Führungskräfte – oder? Einerseits. Du findest aber vielleicht andererseits krass, was Du hier ließt? Du fragst Dich vielleicht, warum ich diesen – zugegeben – politisch aktuell wenig korrekten Punkt „Attraktivität“ in den Text aufgenommen habe? Eben weil die Effekte so bedeutsam sind: Der Zusammenhang zwischen Attraktivität und Einkommen ist noch höher als Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern oder weißen und nicht weißen Personen (Judge, Hurst und Simon, 2009). Ganz direkt gesagt: Dieser Text ist nicht dazu da, jemandem zu gefallen. Ich lebe nicht, um anderen zu gefallen und ich schreibe auch nicht, um Zustimmung zu bekommen. Dieser Text ist alleine dazu da, Dich zu einer maximal wirksamen Führungskraft zu transformieren. Dafür brauchst Du die ungeschminkten und tabulosen Fakten, ja Du hast sogar einen berechtigten Anspruch darauf. Deshalb wäre es ein Fehler, den Punkt Attraktivität auszuklammern.
- Person ist alles! Die erste Perspektive: Vor über hundert Jahren glaubte man zunächst fest an die Bedeutung von Persönlichkeitsmerkmalen und Führungserfolg. Das Credo war „Führungskräfte sind unter sehr vergleichbaren Bedingungen unterschiedlich erfolgreich. Das muss an der Person liegen!“ Man machte sich dementsprechend auf die Suche nach Zusammenhängen, sobald statistische Methoden dafür verfügbar waren. Dieses Paradigma bezeichnet man heute als personalistischen Ansatz, mitunter im Extrem auch als „Great Man Theory“. Anhänger glauben teilweise, dass man gottgegeben als Führungskraft geboren wird. Immerhin scheint die Tatsache, dass jemand Führungskraft wird (oder eben nicht), tatsächlich zu ca. 30 Prozent angeboren zu sein (Arvey et al., 2007; Chaturvedi et al., 2012). Ja, es lassen sich sogar einzelne Gene isolieren, die damit zusammen hängen (De Neve et al., 2013). Nur, halten wir fest: 30 Prozent ist nicht 100 Prozent. In so fern kann man seriös sagen: Persönliche Eigenschaften wie Intelligenz sind für Deinen Führungserfolg wichtig. Aber Erfolg bei der Mitarbeiterführung hat viele andere Einflüsse und Ursachen. Und dieses Kapitel hat Dir zentrale Eigenschaften für Deinen Führungserfolg gezeigt, die Du wirklich ändern kannst.
- Verhalten ist alles! Die zweite Perspektive: Auch als Gegenbewegung zu sehr auf die Person fokussierten Erklärungsmodellen für Führungserfolg kamen die Verhaltenstheorien der Führung auf. Die Vertreter haben oft die Vorstellung „Führungserfolg liegt am richtigen Verhalten. Jeder kann eine gute Führungskraft werden, er muss es nur lernen!“. Genauso wie die Bedeutung von persönlichen Eigenschaften mittlerweile gut belegt ist, ist die Bedeutung von Verhalten für den Führungserfolg ebenfalls gut belegt. Ein simples Beispiel: So steigert das Lob einer Führungskraft in Experimenten die Leistung der Mitarbeiter um über 20 Prozent (Stajkovic und Luthans, 2001). Dieser Text stellt Dir deshalb in vielen Kapiteln Führungsinstrumente vor, mit denen Du Dein Verhalten als Führungskraft hoch wirksam machst. Aus der Tatsache, dass Verhalten wichtig ist, sollte man aber niemals ableiten, dass persönliche Eigenschaften egal sind. So ist beispielsweise die Eigenschaft Attraktivität eine wichtige Ressource, um Vorbildverhalten noch wirksamer zu machen. Das geschieht auf zwei Wegen: Als attraktiver Mensch erhältst Du mehr Beachtung und man identifiziert sich eher mit Dir als Vorbild.
- Jeder kann alles! Heute herrscht bei vielen eine naive und in sich oft widersprüchliche Mischung an Vorstellungen, die sich in etwa so äußert: „Wer führt ist am Ende egal, weil die Leute können das. Aber es müssen mehr Minoritäten sein, weil die sind unterrepräsentiert. Außerdem sind Frauen die besseren Führungskräfte, weil sie empathischer sind und demokratischer führen.“ Diese Vorstellung hört sich zwar nett an, ist verbreitet und befriedigt politisch korrekte Denkmuster – sie ist aber wissenschaftlich nicht haltbar und führt in der Praxis zu katastrophalen Fehlbesetzungen. Sie bewirkt, dass Führungskräfteauswahl nicht mehr Kompetenz und direkt relevanten Eigenschaften priorisiert, sondern anhand für den Führungserfolg gänzlich nebensächlichen Eigenschaften stattfindet. Die kurze Übersicht in diesem Kapitel und alle anderen Kapitel in diesem Text zeigen klar: Menschen unterscheiden sich, sind nicht willkürlich austauschbar. Es kann nicht jeder genauso wirksam führen, es ist nicht egal wer führt.
Aus den ersten Kapiteln hast Du bereits eine Menge mitnehmen können. Du hast einen Überblick über die verschiedenen Führungsinstrumente bekommen. Und Du weißt jetzt, wie Du Dir Führungsinstrumente nachhaltig aneignest. In diesem Kapitel hast Du wesentliche, leicht zu entwickelnde Merkmale Deiner Führungspersönlichkeit kennen gelernt, die helfen, Deine Wirksamkeit als Führungskraft zu steigern. Damit ist ein solides Fundament für Deine Entwicklung bereitgestellt. Daher ist es jetzt Zeit, im folgenden Kapitel ganz konkret auf das erste Führungsinstrument zu blicken – und zwar gleich auf Dein wichtigstes Führungsinstrument: Vorbildverhalten.