Fragen stellen ist eine Kunst. Eine Kunst, die sich lohnt. Nicht umsonst heißt es: „Wer fragt, der führt!“ Gute Fragen sind ein wirkungsvolles Werkzeug der Kommunikation. Das gilt ganz besonders für Führungskräfte. Diese können das Führen durch Fragen lernen. Eine Chance, die viele nicht nutzen. Diese Menschen wissen nicht, wie wirksame Fragen aussehen. Ihre Gespräche drehen sich dann endlos im Kreis, sie kommen nicht zu den gewünschten Ergebnissen.
Nur: Wie fragt man richtig? Welche Eigenschaften hat eine gute Frage? Was sind die Regeln bei Frage-Stellen? In welchen Situationen helfen sie? Mit Fragen führen – wie das geht, zeigt Dir dieses Kapitel anhand vieler Beispiele. …
In diesem Beitrag:
Gute Fragen stellen: Vorteile
Ob eine Frage gut oder schlecht ist, liegt letztendlich am Ziel des Fragestellers. Tatsächlich bieten gute Fragen Vorteile:
- Informationen gewinnen
- Menschen lenken und führen
- Nachdenken anregen
- Die eigene Informationsverarbeitung und das Gedächtnis strukturieren
- Gespräche einfach beginnen
- Interesse und Wertschätzung zeigen
- Zeit gewinnen
Im Folgenden ein kurzer Blick auf diese Vorteile von Fragen.
Du möchtest einfach möglichst rasch unverfälschte Informationen gewinnen? Es geht bei Information gerade darum, das Gegenüber nicht zu beeinflussen. Entsprechend nennt man diese Art der Gesprächsführung auch nondirektives Gespräch. Gerade in Führungssituationen geht es tatsächlich oft darum, unverfälschte und aktuelle Informationen zu extrahieren. Damit gewinnst Du die Informationsgrundlage für gute Entscheidungen und kannst handeln, bevor alle anderen die relevanten Informationen haben.
Andererseits möchtest Du oft auch mehr als nur Information mit Fragen erreichen. Du willst Menschen lenken. Hier haben Fragen Vorteile. Sie lenken subtiler und sind sozial akzeptierter als direkte Befehle, Aufträge und Anordnungen. Es gibt Führungskräfte, die nahezu nie jemandem direkt eine Anweisung geben, sie stellen scheinbar nur gut Fragen – und ernten die Vorteile. Letztlich ist das natürlich ein manipulativer Fragestil, den man ähnlich in Verkaufsgesprächen oder bei politisch motivierter Gesprächsführung und Indoktrination findet. Ein Beispiel: „Nächste Woche kommt ja der Firmeneigentümer aus den USA. Was haben Sie unternommen, damit der Aufenthalt ein voller Erfolg wird?“ Vielleicht möchtest Du auch, dass ein Mitarbeiter sich selbst Arbeitsaufträge gibt: „Was könnten Sie noch beitragen, damit der Besuch erfolgreich für unseren Standort läuft?“
Ein weiteres Ziel von Fragen ist, andere zum Denken anregen. Mit Fragen kannst Du Gesprächspartner anregen, ihre Perspektive zu ändern, auf Dinge zu achten, die sie übersehen haben, auf Auswirkungen zu achten, die ihr Verhalten auf andere hat. Die Aufmerksamkeit Deiner Mitarbeitern soll sich auf ein Thema richten. Fragen sind damit ein hervorragendes Instrument, um das Denken Deiner Gesprächspartner zu beeinflussen. Damit kannst Du ihnen beispielsweise helfen, selbst Probleme zu lösen. Nicht umsonst arbeitet man im Coaching und Psychotherapie auch intensiv mit Fragetechniken. So wäre vielleicht sinnvoll gewesen, wenn nach der ersten Corona-Welle im Sommer jemand den Gesundheitsminister oder die Bundeskanzlerin gefragt hätte: „Was tun wir, wenn im Herbst die Fallzahlen doch wieder steigen sollten?“
Indem Du Fragen stellst, lenkst Du auch Deine eigene Informationsverarbeitung und förderst das Gedächtnis. Die Fragen strukturieren den Informationsfluss und geben den Informationen „Überschriften“. das erleichtert später die Erinnerung und den Abruf.
Wenn es darum geht einen guten Einstieg in ein Gespräch zu finden, sind Fragen ebenfalls vorteilhaft. „Ich habe gesehen, Sie nutzen das neue MacBook Pro. Sind Sie zufrieden damit, ist es den Preis wert aus Ihrer Sicht?“
Mit den richtigen Fragen zeigst Du Deinem Gegenüber Interesse und Wertschätzung. Gesprächspartner merken, dass Du Ihnen zugehört hast, Dich für Sie und Ihre Tätigkeit interessierst, beobachtest und Dinge bemerkst und erinnerst. So kannst Du Sympathie aufbauen.
Und Fragen sind ein gutes Mittel, um Zeit für eigene Gedanken zu gewinnen. Manchmal möchte man in einem Gespräch Zeit gewinnen. Etwa in Verhandlungssituationen. Man wiederholt in der Frage wesentliche Punkte aus dem vorherigen Gespräch und wartet auf eine Antwort. So lange überlegt man sich die nächsten eigenen Schritte für das Gespräch.
Gut Fragen stellen bietet Dir also viele Vorteile, weit mehr als nur Informationen zu gewinnen. Und es hilft Dir vor allem auch, wenn Du mit Menschen zu tun hast, die hierarchisch nicht unter Dir sind: Deine Vorgesetzten, Kunden und Kollegen. Fragen sind ein wunderbares Instrument, um Menschen zu lenken, denen Du formell „nichts zu sagen hast“. Gute Fragen lenken ihre Aufmerksamkeit, ihr Denken und ihr Verhalten. Du wirst als Frage-Steller zum Gestalter des Geschehens und führst subtil und mächtig.
Wie sehen jetzt ganz konkret gute Fragen aus? Dazu geht es im nächsten Abschnitt weiter.
Eigenschaften guter Fragen
Was sind Eigenschaften guter Fragen? Was sind die Regeln beim Fragen-Stellen? Natürlich hängt es letztlich vom beabsichtigten Ziel ab, ob eine bestimmte Frage zweckmäßig ist. Dennoch gibt es ein paar Merkmale guter Fragen, die als Regel gelten, wenn Du Informationen gewinnen möchtest. Die Abbildung zeigt den Überblick.
Du solltest diese Regeln für Fragen beachten, wenn Du verlässliche Informationen gewinnen möchtest:
- Einfach. Alles, was Fragen kompliziert und missverständlich macht, solltest Du unterlassen. Packe nur einen Inhalt in eine Frage. „Was waren die wichtigsten Gründe bei uns anzufangen und was wäre die Alternative gewesen?“ ist beispielsweise keine gute Frage, da sie eigentlich zwei Fragen beinhaltet. Ziel ist es kurze, einfache Sätze zu verwenden, möglichst ohne Fremdwörter. Nutze die Sprache Deiner Gesprächspartner.
- Neutral. Gute Fragen sind wertneutral und vermeiden moralisch besetzte Begriffe wie Gleichberechtigung, Freiheit, Fortschritt, Verbesserung. Ansonsten besteht die Gefahr das Antwortverhalten zu verzerren. Schlechte Fragen geben Antworten oft schon vor oder suggerieren scheinbar „richtige“ und erwünschte Antworten.
- Eindeutig. Fragen sollten keine mehrdeutigen Begriffe enthalten und unspezifische, verallgemeinernde Worte vermeiden wie „oft, häufig, gelegentlich“. Anstatt eine Mitarbeiterin zu fragen „Haben Sie an alles gedacht, damit der Besuch des Eigentümers nächste Woche gut läuft?“ frage lieber „Was haben Sie ganz konkret unternommen, damit der Besuch des Eigentümers nächste Woche erfolgreich für uns läuft?“.
- Durchdringend. Manche Fragen lassen sich leicht abbügeln. Auf die Fragen „Wie geht’s?“ oder „Was macht die Arbeit?“ wirst Du oft nur ein „passt“ oder „läuft“ hören. Mache Deine Fragen konkret und fokussiert, etwa „An was arbeitest Du diese Woche?“ Diesen Fragen kann man nicht leicht ausweichen, sie dringen durch.
- Akzeptiert. Fragen solltest Du immer so formulieren, dass Deine Gesprächspartner sie akzeptieren. Auf jeden Fall ist der Eindruck eines Verhörs zu vermeiden. Akzeptanz fehlt vor allem bei stigmatisierten Themen, bei denen Mitarbeiter ggf. nicht ehrlich antworten, sondern so antworten, wie sie glauben, dass Du als Führungskraft das gerne hörst. Eine Möglichkeit kann sein, die Frage projektiv zu stellen, also den Betreffenden seine eigenen Empfindungen auf andere Personen projizieren zu lassen. Ein Beispiel: „Jetzt mal ganz abgesehen von Ihnen – was denken Sie, wie insgesamt in der Belegschaft die Stimmung zum neuen System der Leistungserhebung ist?“ Eine andere Art sensible Information abzugreifen ist, die Frage in einen erklärenden Kontext einzubetten. Auch hier ein Beispiel: „Als Führungskraft bin ich verantwortlich, dass es bei uns rund läuft, auch im zwischenmenschlichen Miteinander. Frau Wenke und Sie haben sich immer gut verstanden, ich habe sie immer gemeinsam beim Mittagessen gesehen. Diese Woche haben Sie immer getrennt gesessen und es war sehr laut am Montag bei Ihnen im Büro. Deswegen frage sich Sie mal ganz direkt: Was ist passiert?“
- Abgesichert. Gute Fragen sind mit einem Backup abgesichert. Wozu braucht man das? Nicht immer bekommt man eine Antwort oder die gewünschte Information bzw. Wirkung der Frage. Dieses Backup kann idealerweise eine andere Frage sein, mit der Du nachsetzt, um die gewünschte Information zu bekommen. Das Backup kann auch eine humorvolle Reaktion sein, wenn keine Antwort kommt. Auf jeden Fall vermeidest Du damit die Situation, dass peinliches Schweigen besteht und Du nicht weiter weißt.
Jetzt kennst Du die entscheidenden Regeln, auf die es ankommt, um gute Fragen zu stellen. Diese Regeln gelten wohlgemerkt, wenn Deine Fragen darauf zielen, Informationen zu gewinnen. Hast Du andere Ziele, etwa Menschen zu beeinflussen, dann gelten andere Regeln. Diese erfährst Du dann im nächsten Kapitel, das Dir Fragetechniken zeigt.
Blicken wir jetzt auf den speziellen Kontext der Mitarbeiterführung. Es gibt hier immer wieder typische Situationen, in denen Dir Fragen weiterhelfen werden. Beispiele für diese Situationen zeigt Dir der nächste Abschnitt.
Mit Fragen führen: Beispiele
Wann sollte man Fragen als Führungskraft einsetzen? Wie kann man mit Fragen wirkungsvoll führen? Das zeigt dieser Abschnitt mit typischen Beispielen.
Setze Fragen in folgenden Situationen bei der Mitarbeiterführung ein:
- Du brauchst eine sensible Information, die jemand nicht von sich aus liefert. Mit Fragen kannst Du die Person dazu bringen, Dir die Informationen mitzuteilen.
- Dich interessiert das Fachwissen oder kreative Potenzial von jemandem. Mit Fragen kannst Du dieses Wissen abschöpfen und für Dich zugänglich machen.
- Du möchtest Mitarbeiter einbinden in Entscheidungen. Mit Fragen bringst Du sie dahin, ihre Perspektiven und Ideen zu erläutern und mitzudenken.
- Jemand ist unsensibel für eine Problematik. Mit Fragen kannst Du Denken anregen, einen Impuls geben, die Perspektive erweitern (etwa auf die der Führungskraft, eines Kollegen oder eines Kunden).
- Dein Gesprächspartner neigt dazu, sich nichts direkt vorschreiben lassen zu wollen und reagiert empfindlich auf Anweisungen. Mit Fragen kannst Du diese Person subtil lenken, dazu anregen, in die gewünschte Richtung zu denken und sich (scheinbar) selbst die gewünschten Aufträge zu geben.
- Du möchtest Deine eigene Führungskraft führen. Mit Fragen lenkst Du die Aufmerksamkeit, Denkrichtung und letztlich die Entscheidungen Deiner Führungskraft, ohne dass sie es als unangemessene Einmischung von unten erlebt.
- Gute Beziehungen mit Deinen Mitarbeitern, Sympathie und Vertrauen sind Dir wichtig. Mit Frage zeigst Du Interesse an deinen Mitarbeitern und Wertschätzung. Und Du erfährst Privates. Das alles hilft Dir, gute Beziehungen aufzubauen.
- Eine Veränderung steht an und Du möchtest, dass Mitarbeiter selbst die Notwendigkeit erkennen und sich Gedanken machen, wie man die Herausforderungen erfolgreich meistert. Anstatt die Veränderung als Führungskraft zu diktieren (was oft dazu führt, dass Mitarbeiter diese innerlich ablehnen), macht es Sinn, die Herausforderung zu schildern und Mitarbeiter mit Fragen anzuregen, sich Gedanken zum erfolgreichen Umgang mit der Situation zu machen.
Fragen bieten Dir als Führungskraft also jeden Tag viele Chancen, um mehr Wirkung bei Deinen Mitarbeitern zu entfalten.
Der letzte Abschnitt gibt Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung.
Gute Fragen stellen: Literatur und Bücher
Aktuelle Literatur-Tipps zum Stellen guter Fragen.
- Reuter, Karin (Autor)
- Marke: Psychologie Verlagsunion
- 400 Fragen für systemische Therapie und Beratung: Von Auftragsklärung bis Möglichkeitskonstruktion. 90 Fragekarten mit Anleitung. Mit 20-seitigem Booklet (Beltz Therapiekarten)
- Farbe: Yellow
Du weiß jetzt, worauf es bei guten Fragen ankommt. Zeit noch eine Ebene tiefer zu blicken. Das nächste Kapitel zeigt Dir die wirksamsten Fragetechniken bei der Führung.