Fragebogen erstellen: Ablauf, Tipps und Information
Was ist ein geeignetes Vorgehen bei der Erstellung von Umfragen und Fragebögen aus? Wie sieht die Erstellung eines Fragebogens als Prozess aus? Jeder hat schon Fragebögen in der Hand gehabt oder Online bearbeitet. Wie ist es aber zu diesen Fragebögen gekommen, was ist die Logik dahinter? Dazu liefert dieses Kapitel den Überblick und zeigt ein klares und einfaches Vorgehen. …
In diesem Beitrag:
Ablauf der Fragebogenerstellung
Im ersten Abschnitt geht es um den zeitlichen Ablauf beim Erstellen eines Fragebogens. Die Entwicklung eines konkreten Fragebogens folgt einem klar strukturierten Ablauf, den folgende Abbildung zeigt.
Der Prozess der Fragebogenerstellung ist hier kurz umrissen, die Punkte sind dann später in einzelnen Kapiteln behandelt.
Konzeption einer Fragebogenstruktur
Der erste Schritt ist die Umsetzung der Forschungsfrage in eine konkrete Fragebogenstruktur – die logische Gliederung des Fragebogens. Welche Informationen erhebt der Fragebogen in welcher Reihenfolge und wo werden Filterfragen oder Sprünge eingebaut?
An dieser Stelle sollte in einem Flowchart der gesamte Fragebogen mit den zu messenden Merkmalen (das können etwa Angaben zur Person sein, Konstrukte wie Kundenzufriedenheit oder Mitarbeitermotivation und Fragen zum Verhalten) und dem zeitlichen Ablauf grafisch dargestellt werden. Auf dieser anschaulichen Basis kann gut erkannt werden, wie die Befragung ablaufen sollte und wo optimiert werden kann.
In dieser Phase ist es zielführend, sich genau die Forschungsfrage anzusehen. Wie kann diese am besten in ein Design gefasst werden? Wertvolle Hinweise können bereits vorhandene Studien und Publikationen geben. In unstrukturierten Feldern ist es sinnvoll, vorab die Meinung von Experten und Personen aus der Zielgruppe einzuholen, um wichtige Inhaltsbereiche zu finden.
Entwicklung von Fragen
Der nächste Schritt ist die Entwicklung von Fragen. Will man etwa Konstrukte wie Emotionen der Mitarbeiter am Arbeitsplatz, Mitarbeiterzufriedenheit oder Mitarbeitermotivation messen, so benötigt man geeignete Indikatoren. In diesem Schritt geht es darum, bereits vorhandene und bewährte Messinstrumente für Konstrukte zu recherchieren und zu integrieren oder gegebenenfalls eigene Fragen zu entwickeln, die einen Inhaltsbereich abdecken sollen. Hierbei geht es um die Operationalisierung (also Messbarmachung) der Konstrukte. Mit welchem wissenschaftlich validierten und praktisch bewährtem Instrument messen wir beispielsweise Emotionen zuverlässig?
An dieser Stelle sollte man immer wieder mit dem Flowchart des Fragebogens abgleichen: Sind für alle relevanten Merkmale und Konstrukte geeignete Fragen vorhanden?
Die Entwicklung von guten Fragen ist sehr anspruchsvoll und ist in einem eigenen Kapitel behandelt.
Überprüfen, Auswählen und Optimieren der Fragen
Der nächste Schritt ist das Überprüfen, Auswählen und Optimieren der Fragen im Team, mit dem Auftraggeber und ggf. mit ersten Mitgliedern der Zielgruppe oder falls vorhanden sogar Experten für Design und Wording.
Generell gilt: Je kürzer der Fragebogen, desto besser! Bei jeder Frage sollte man sich daher überlegen: Ist diese Frage unbedingt notwendig?
Kann eine Frage dem Flowchart für den Fragebogen nicht klar zugeordnet werden, dann raus damit!
Erstellung des gesamten Fragebogens
Jetzt folgt die Erstellung des gesamten Fragebogens, der dann einige Testläufe im Forscherteam haben sollte.
Hier ist insbesondere das Layout und grafische Design wichtig. Die Befragten müssen sich schnell zurechtfinden, alles verstehen können und motiviert sein und bleiben den Bogen auszufüllen.
Pretest und Optimierung
Wenn möglich, sollte dann ein Pretest und Optimierung durchgeführt werden. Dabei füllt eine kleine Anzahl an Personen den Fragebogen vorab testweise aus. Alle Fehler, die man hier entdeckt, gefährden die Forschungsergebnisse nicht mehr. Dieser Pilot-Test sollte daher möglichst umfangreich sein und alle Elemente des Fragebogens beinhalten: Design und Layout, Fragen, Instruktionen etc.
Damit ist der Fragebogen fertig gestellt und kann entsprechend vervielfältigt und je nach Forschungsdesign und Stichprobenplanung den Befragten zugestellt werden.
Die folgenden Tipps gehen nochmal tiefer auf den Pretest ein.
Praxistipps
Meist wird man in mehreren Schritten hintereinander testen, optimieren und erneut testen. Je wichtiger die Forschungsfrage, desto umfangreicher wird der Pretest sein. Ideal sind dafür Personen, die aus der Zielgruppe stammen (repräsentativ sind) vielleicht sogar im unteren Spektrum des geistigen Verständnishorizonts der Zielgruppe liegen – ähnlich gibt es bei der Softwareoptimierung den DAU als Begriff, den dümmsten anzunehmenden User. Was diese Menschen verstehen, wird später auch die Zielgruppe in der praktischen Befragung verstehen, was diese Personen nicht verstehen, sollte optimiert und erneut getestet werden. Hier hat sich das Verfahren des Lauten Denkens bewährt. Fünf bis zehn Personen sollen dabei den gesamten Fragebogen ausfüllen und alles erwähnen, was ihnen auffällt oder wo sie etwas nicht verstehen. Diese Personen sollten getrennt voneinander im Pretest befragt werden, damit sie sich nicht gegenseitig stören und beeinflussen. Die Aussagen werden entweder mitgeschrieben oder digital als Audiodatei aufgezeichnet. Kann in einem zweiten Schritt eine größere Stichprobe zum Pretest gewonnen werden, dann lassen sich auch statistische Analysen für die Fragen berechnen. Fragen mit geringer Trennschärfe oder niedriger prädiktiver Validität, sollten dann gestrichen oder ersetzt werden. So kann das Instrument nochmals kürzer, prägnanter und valider gestaltet werden.
Der nächste Abschnitt zeigt wichtige Quellen für Input bei der Erstellung von Fragebögen.
Input bei der Erstellung eines Fragebogens: Quellen
Generell sollte man nicht alles von vorne neu erfinden, sondern bei der Erstellung von Fragebögen auf einige sehr hilfreiche Quellen zurückgreifen.
Die wichtigste Quelle, um einen Fragebogen zu erstellen und zu bewerten ist dabei immer die eigene Forschungsfrage. Ist das Design und die Fragen tatsächlich geeignet, die Forschungsziele zu erreichen? Ist dies tatsächlich die effizienteste Lösung, um die entsprechende Information zu erhalten?
Mitunter wird es auch vorhandene Veröffentlichungen geben, die wertvollen Input für die Struktur und konkrete Fragen geben. So ist das Konstrukt „Vertrauen“ wissenschaftlich gut erfasst und man kann entsprechende Inhalte (etwa die Vertrauenstreiber Kompetenz und Benevolenz) in einem Fragebogen gut berücksichtigen. Es ist immer empfehlenswert sich publizierte oder anderweitig vorliegende Fragebögen und Studien genau anzusehen. Was ist hier gut gelaufen und kann übernommen werden? Was ist hier weniger gut gelöst und sollte optimiert werden? Wo sind Kenntnislücken?
Als weitere wertvolle Quellen haben sich Interviews mit Experten und Personen aus der Zielgruppe selbst bewährt. Diese kennen den Bereich, in dem der Fragebogen eingesetzt werden soll, häufig besser. Sie können beispielsweise bei einem Fragebogen zur Kundenzufriedenheit wertvolle Hinweise geben, was die wichtigen Kundenkontaktpunkte mit dem Unternehmen sind und welche Aspekte bei den einzelnen Kontaktpunkten zufriedenheitsrelevant sind.
Der letzte Abschnitt gibt Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung.
Fragebogen erstellen: Literatur
Aktuelle Literatur-Tipps zur Fragebogenerstellung.