Erhebungsmethode richtig wählen: Befragung oder Beobachtung?

Welches ist die geeignete Erhebungsmethode (auch Erhebungsverfahren) für Daten in Untersuchungen, Experimenten und Versuchen? Forschungsdesigns müssen immer eine entscheidende Frage beantworten: Wie sollen die Daten erhoben werden? Darum geht es in diesem Beitrag. Er zeigt, dass es zwei große Ansätze zur Datenerhebung im Forschungsdesign gibt: Die Befragung und die Beobachtung. Für beide gibt der Beitrag eine Definition und eine Übersicht zu den Vorteilen und Nachteilen. Das ist die Basis, um im Einzelfall die richtige Erhebungsmethode zu wählen – und wenn es eine Kombination aus beiden Ansätzen ist. Konkrete Tipps und eine Checkliste helfen dabei. …

Erhebungsmethoden: Eine Beobachtung bleibt von den Versuchsteilnehmern oft unbemerkt
Erhebungsmethoden: Eine gute Beobachtung bleibt von den Versuchsteilnehmern unbemerkt

Erhebungsmethode: Befragung oder Beobachtung?

Die Methoden der Datenerhebung lassen sich in zwei grundlegenden Gruppen einteilen: Methoden der Befragung und Methoden der Beobachtung. Jeder dieser beiden Ansätze hat spezifische Vorteile und Nachteile und kann in die unterschiedlichsten Arten aus-differenziert werden.

erhebungsverfahren_der_marktforschung.png
Erhebungsmethoden: Befragung und Beobachtung

Diese beiden großen Gruppen an Methoden sind sehr vielschichtig und beinhalten jede für sich zahlreiche unterschiedliche Arten. Nahezu jeder Mensch wurde bereits mit Onlinefragebögen, Telefoninterviews oder der Datenerhebung über Bonuskarten und Onlineverfahren (Cookies, Webtracking) konfrontiert. Diese sind nur wenige Beispiele aus der Unmenge an für die psychologische Forschung verfügbaren Methoden der Datenerhebung.
Jedes Jahr kommen mit technologischen Entwicklungen, veränderten Geschäftsprozessen in der Praxis und wissenschaftlichem Fortschritt neue Verfahren dazu.

Der nächste Abschnitt stellt Umfragen und Befragungen als Methoden der Datenerhebung vor.

Umfrage und Befragung: Definition und Vorteile

Befragung ist die geläufigste Methode der Datenerhebung in Marktforschung und Mitarbeiterforschung. So ist das Schlagwort Umfrage für viele ein Synonym für Marktforschung und gilt als ihr wichtigstes Instrument. Was ist eine Befragung? Hier die Definition:

Eine Befragung ist gegeben, wenn Aussagen von Versuchsteilnehmern provoziert und aufgezeichnet werden.

In der Regel geschieht dieses Provozieren von Aussagen durch Fragen. Diese können natürlich auf ganz unterschiedliche Art gestellt werden (etwa schriftlich oder mündlich) und auf viele Arten ausgewertet werden (z. B. quantitativ oder qualitativ).

Was sind die Vorteile von Befragungen, wann sollte man sie einsetzen im Versuchsdesign? Befragungen verschaffen Zugang zu Themen, die sich nicht oder nur schwer beobachten lassen, etwa Gedanken und Einstellungen. Positiv ist auch, dass Befragungen schnell aufzusetzen und durchzuführen sind. Die Einstiegskosten sind gering. Sie eignen sich also besonders, wenn es schnelle Ergebnisse in neuen Themengebieten braucht – Beispielsweise wenn man schnell im kleinen Rahmen einschätzen möchte, wie eine neue Benutzeroberfläche einer Software bei Kunden ankommt und wie sie sich damit zurecht finden. Gut ist auch, dass Rückfragen möglich sind und man flexibel auf die Situation reagieren kann. Die rechtlichen und bürokratischen Hürden für Befragungen sind niedriger als für viele Formen der Beobachtung. Die Auswertung von Befragungen ist meist einfach und unkompliziert, insbesondere bei fertigen Fragebögen.

Nachteile von Befragungen. Ein großer Teil des Verhaltens von Menschen findet unbewusst und automatisch statt. Dazu können sie schwer Antworten geben. Bei einer Befragung sind sich die Personen über die Befragungssituation bewusst und ändern ggf. ihr Verhalten und ihre Antworten (Reaktivität) – etwa um einen guten Eindruck zu hinterlassen oder andere Ziele zu erreichen. Findet die Befragung persönlich statt, dann wirken zudem Versuchsleitereffekte (Befragte werden unbewusst von den Personen beeinflusst die sie befragen). Bei Fragebögen ergibt sich die Problematik, dass wenig Kontrolle über die Situation besteht, in der Personen ausfüllen (vor dem Fernseher in hohem Tempo, gemeinsam mit dem Ehepartner?). Zudem ist die Teilnahme oft gering. das macht die Interpretation der Ergebnisse schwer, wenn beispielsweise nur 8% aller eingeladenen Kunden eine Umfrage tatsächlich vollständig beantworten.

Die Tabelle fasst die Vorteile und Nachteile zusammen.

Vorteile von Befragungen Nachteile von Befragungen
Zugang zu Themen, die sich nicht oder nur schwer beobachten lassen großer Teil des Verhaltens von Menschen findet unbewusst und automatisch statt
schnell aufzusetzen und durchzuführen Teilnehmern ist die Befragungssituation bewusst, sie ändern ggf. ihr Verhalten und ihre Antworten (Reaktivität)
Einstiegskosten sind gering Versuchsleitereffekte (Befragte werden unbewusst von den Personen beeinflusst die sie befragen)
Rückfragen möglich (bei persönlichem Interview oder Telefoninterview) wenig Kontrolle über die Situation besteht, in der Personen ausfüllen (bei schriftlichen Befragungen)
rechtliche und bürokratische Hürden für Befragungen sind niedriger Teilnahme und Rücklauf oft gering
Auswertung von Befragungen ist meist einfach und unkompliziert (bei quantitativen Befragungen) Zeitaufwand bei persönlicher Befragung sehr hoch
Es gibt Zugang zu Ereignissen, die bereits stattgefunden haben Anonymität wird mitunter nicht so leicht geglaubt (insbesondere bei persönlichen Interviews)

Weiter geht es mit den Beobachtungsmethoden und ihren Vorteilen.

Beobachtung: Definition und Vorteile

Was ist eine wissenschaftliche Beobachtung? Hier die Definition:

Eine Beobachtung ist gegeben, wenn das Verhalten von Versuchsteilnehmern aufgezeichnet wird.

Auch hier gibt es eine immense Vielfalt der Ansätze: Wie wird beobachtet (bspw. direkt oder per technischer Ausrüstung wie Kameras oder Tracking mit technischen Geräten) und wie wird aufgezeichnet (systematisch mit Kategoriesystemen oder einfach alles als qualitative Beobachtung) und wo befindet sich der Beobachter (direkt im Geschehen als teilnehmende Beobachtung oder anonym an einem Bildschirm kilometerweit entfernt)?

Beobachtungsverfahren haben einige Vorteile und Nachteile. Hier die Übersicht.

Vorteile der Beobachtung. Hauptvorteil der Beobachtung ist, dass hier das wirkliche Verhalten direkt und aktuell abgegriffen wird und nicht lediglich abgefragtes Verhalten. Abfrage von Verhalten hat sich oftmals als unzuverlässig erwiesen, da Menschen vieles von ihrem Verhalten nicht bewusst vornehmen und oftmals auch nicht Auskunft erteilen wollen, bzw. sich stark verschätzen. Gruppen wie Kinder können mitunter noch überhaupt nicht zuverlässig Auskunft erteilen. Versuchsleitereffekte sind bei Beobachtungsverfahren ebenfalls geringer, zumindest, wenn die Beobachtung unbemerkt vorgenommen wird, was sehr oft der Fall ist und was bei Befragung nur schwer möglich ist.
Letztlich haben Beobachtungen eine hohe Reliabilität und Objektivität. Durch technische Aufzeichnungen kann die Objektivität und Reliabilität von Beobachtungen noch weiter erhöht werden.

Nachteile von Beobachtungen sind der oft hohe apparative Aufwand und das schwierige Arrangement der Beobachtungssituationen. So ist es beispielsweise nicht so einfach, das Blickverhalten von Menschen vor einem Regal zu messen oder zu beobachten was Mitarbeiter alleine in ihrem Büro machen.
Kernproblem ist, dass zwar Verhalten erfasst wird, die Gründe dafür aber im Verborgenen bleiben und schwer zu erschließen sind. Zur Lösung dieser Herausforderung empfiehlt sich die Kombination von Verhaltensdaten mit Befragungsmethoden.
Auch die Auswertung erfordert häufig mehrere geschulte Codierer, die Verhalten nach bestimmten Ereignissen kategorisieren können. Entsprechend müssen die Kodierungssysteme erstellt werden und die Beobachter geschult werden. Darüber hinaus gibt es bei der Verhaltensbeobachtung juristische Einschränkungen. So darf etwa Telefonierverhalten durch Spracherkennung nicht beliebig ausgewertet werden und daraus soziale Netzwerke und ähnliches heraus berechnet werden. Auch die Aufzeichnung von Verhalten und das Filmen von Personen ist nicht überall gestattet.

Die Tabelle fasst die Vorteile und Nachteile zusammen.

Vorteile von Beobachtungen Nachteile von Beobachtungen
wirkliches Verhalten, direkt und aktuell abgegriffen hoher apparativer Aufwand und das schwierige Arrangement der Beobachtungssituationen
Erreichen von Gruppen, die schwer zu befragen sind (Kinder, Teilnahmeverweigerer bei Umfragen…) Gründe für Verhalten kaum zugänglich
Versuchsleitereffekte gering (bei verdeckter Beobachtung) juristische Beschränkungen
Abdeckung von repräsentativen Stichproben, keine bzw. kaum Verweigerung Aufwändige Auswertung bei Einsatz von Menschen zum Codieren des Verhaltens
hohe Reliabilität und Objektivität hoher Implementierungsaufwand bei der Neuerstellung von technischen Auswertungsmöglichkeiten

Erhebungsmethode richtig wählen: Tipps und Checkliste

Wie kann man jetzt die beste Erhebungsmethode für sein Forschungsdesign finden? Zum Abschluss ein paar Tipps dazu.

Praxistipps

Die einzelnen konkreten Beobachtungsmethoden und Befragungsmethoden sind jeweils in einzelnen Kapiteln zu quantitativer Befragung, qualitativen Interviews, Gruppendiskussionen und Methoden der Beobachtung umfassend dargestellt.

Der letzte Abschnitt gibt Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung.

Erhebungsmethode: Literatur

Aktuelle Literatur-Tipps zu Erhebungsmethoden.

Tipp
Tipp
Tipp
Erstellung von Fragebogen
  • K. Wolfgang Kallus (Autor)

Tipp
Tipp