Flow-Erleben: Theorie von Csikszentmihalyi

Was auch immer wir tun – ohne Flow werden wir nie zur Spitzengruppe gehören. Die besten Musiker, Maler, Sportler, ja sogar Physiker, Mathematiker und selbst Unternehmer berichten von diesem Zustand. Sie sprechen von einer Erfahrung, bei der eine Bewegung aus der anderen folgt, wie von allein, als ob etwas durch sie hindurch handelt: Im Flow sein. Einige kennen diesen Bewusstseinszustand, in dem wir Raum und Zeit vergessen, maximal glücklich, motiviert und leistungsfähig sind – wie im Rausch. Aber nur die wenigsten Menschen kennen das von der Arbeit an ihren Lebenszielen. Was brauchen Menschen, um das scheinbar Unmögliche leisten zu können? Wie sollten Aufgaben gestaltet sein, damit wir vollkommen darin aufgehen können? Das zeigt die Forschung und Psychologie zum Flow nach Mihály Csikszentmihalyi: Dieses Kapitel stellt die Flow-Theorie von Csikszentmihalyi als Modell vor, zeigt Beispiele für Flow-Erleben, gibt eine Definition und leitet die wesentlichen Tipps für unsere Motivation daraus ab.

Autor: Diplompsychologe Professor Dr. Florian Becker

Im Flow sein: Ein Flow-Erleben tritt ein, wenn Menschen vollkommen in ihren Aufgaben aufgehen
Im Flow sein: Ein Flow-Erleben tritt ein, wenn wir vollkommen in einer Tätigkeit aufgehen
Risiko: Das passiert ohne Flow-Erleben

Kurz gesagt: Flow macht unseren Weg zu unserem Ziel. Ein Flow-Erleben beschreibt ein vollkommenes Aufgehen in einer Tätigkeit. In diesem Zustand fühlen wir uns am besten und wir leisten am meisten. Wir können dann all unsere mentalen und körperlichen Ressourcen auf eine Sache lenken. Ohne Flow dagegen macht uns keinen Spaß, was wir tun. Wir müssen uns dann permanent dazu aufraffen, zwingen, erleben Stress. Die Herausforderung: Erfolg im Leben funktioniert meist wie ein „Marathon“ – wir müssen lange, lange, lange dranbleiben, um Erfolg zu haben. Das gilt für Bildung genauso wie für Wohlstand, Gesundheit und jeden anderen Bereich im Leben. Wir brauchen daher Flow, um diesen „Lebens-Marathon“ erfolgreich zu laufen – mit Spaß, statt mit Zwang. Denn egal, was wir uns beruflich oder sonst vornehmen im Leben: Wir werden immer antreten gegen Menschen, denen Spaß macht, was sie tun, die dabei im Flow sind, die gerne diesen „Marathon“ laufen, die weitermachen, die nicht aufgeben, die ihr Tun zur Meisterschaft führen. Als reine „Sprinter“ haben wir in diesem Spiel der Ausdauer keine Chance.

Die Flow-Theorie von Csikszentmihalyi

Es gibt also einen Zustand, in dem Menschen voll in ihrer Aufgabe aufgehen, Raum und Zeit vergessen und sich nur noch um die Tätigkeit kümmern – ein Flow-Erleben. Die Flow-Theorie der Motivation (Csikszentmihalyi, 1975) beschäftigt sich mit der Frage, wie wir genau zu diesem Erlebniszustand kommen, bei dem wir in unserer Arbeit oder einer anderen Tätigkeit aufgehen und alles um uns herum vergessen (Jackson und Marsh, 1996). Dieser Zustand absoluter Fokussierung auf eine Aufgabe ist durchaus mit Meditation vergleichbar, bei der wir nur noch den Augenblick erleben, alles Denken einstellen, Zukunft und Vergangenheit aus dem Bewusstsein verschwinden, wir mit dem gegenwärtigen Moment verschmelzen.

Wie also können wir unsere Aufgaben, die wir tun wollen, zu einer Meditation machen? Die Theorie betont dabei die Passung von Mensch und Aufgabe. Es hängt von der einzelnen Person und ihren Fähigkeiten ab, ob eine Aufgabe gut gestaltet ist. Was für den Einen gerade richtig ist, führt beim Anderen zum Gefühl der Überforderung und beim Dritten zu Unterforderung. Csikszentmihalyi hat diese Wechselwirkung zwischen Aufgabe und Mensch in seinem Modell beschrieben (Csikszentmihalyi, 1990). Die Abbildung zeigt das Modell der Flow-Theorie.

Die Flow-Theorie von Csikszentmihalyi im Modell
Flow-Theorie von Csikszentmihalyi als Modell

Es kommt also auf den einzelnen Menschen an, seine Fähigkeiten, ob bei einer bestimmten Tätigkeit ein Flow-Erleben eintritt. Ideal ist nach diesem Modell die Balance zwischen dem Anspruch einer Aufgabe und dem Fähigkeitsniveau der Person (Nakamura und Csikszentmihalyi, 2002). Dann ist maximale intrinsische Motivation zu erwarten und wir gehen in unserer Tätigkeit auf, vergessen teilweise die Umgebung und konzentrieren uns voll auf die Aufgabe. Diesen Zustand, der mit positiven Emotionen einher geht, bezeichnet Csikszentmihalyi als Flow-Erleben.

  • Ist der Anspruch einer Tätigkeit dagegen zu hoch, dann ist die Folge Überforderung, Beunruhigung und daherkommend geringe Motivation, wir verlassen dann das Flow-Erleben.
  • Auch ein zu geringer Anspruch ist nachteilig. Hier sind Unterforderung, Langeweile und in Konsequenz daraus eine ebenfalls geringe Motivation die Folge.

Die Belastung durch eine zu geringe oder eine zu hohe Anforderung kann sich bis hin zum Stressempfinden bei der Arbeit steigern. So führen sowohl Unterforderung und Monotonie zu Stress (man denke an das Autofahren im Stau) als auch Überforderung zu Stress (man denke an einen Fahranfänger, der eine Serpentinenstraße im Gebirge fährt und von Autos hinter ihm unter Druck gesetzt wird).

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Fazit: Viele Menschen sind bei ihren Aufgaben zu oft unterfordert, überfordert und abgelenkt – oft von den eigenen Gedanken. Das verhindert, dass wir in den Flow kommen, in einer Aufgabe mit höchster Konzentration und voller Glück versinken. Als Konsequenz sind wir demotiviert.

Doch es gibt auch Flow in unserer Welt. Das zeigen die folgenden Beispiele.

Beispiele für Flow-Erleben

Jeder Mensch hat gelegentlich Flow-Erfahrungen. Doch die erfolgreichsten Menschen in Kunst, Sport und Wissenschaft haben diese Erfahrungen kultiviert, zum festen Bestandteil ihres Handelns gemacht. Der Schaukasten zeigt Beispiele für Flow.

Beispiele für Flow-Erleben

Kunst ist ohne Flow schwer vorstellbar. Unter anderem Musiker berichten von Flow-Erleben, wenn sie ihre Instrumente spielen. Tatsächlich nimmt die Leistung zu, sobald Musiker in den Flow-Zustand kommen (O’Neill, 1999). Ihre Musik wird besser – doch ihre Herzrate sinkt, der Blutdruck nimmt ab, ihre Mimik entspannt sich (de Manzano et al., 2010). Sie treten ein in einen Zustand innerer Ruhe und äußerer Leistung. Einer Leistung, die scheinbar ohne Anstrengung erfolgt, mit einem entspannten Körper. Sie sind dann in einem meditativen Zustand höchster Leistungsfähigkeit.

Auch im Sport gehört ein Flow-Zustand zum Basispaket der Top-Athleten, oft unter dem Begriff „to be in the zone“ (Young und Pain, 1999). Aus dem Flow heraus erreichen sie mehr Leistung, stärkeres Selbstbewusstsein und höhere Fähigkeiten (Jackson et al., 2001). Der Formel 1 Pilot Ayrton Senna beschreibt beispielsweise, wie ihn beim Fahren eine Macht ergreift, die ihn von allem anderen entrückt außer dem, was er gerade tut. Er schildert, wie er in eine andere Dimension vordringt, in einen mentalen Tunnel, nur noch mit Instinkt fährt. Er berichtet, wie er in diesem Zustand mehr und mehr leisten kann, über das Limit geht… und doch immer noch mehr Leistung findet. Interessant: Er sagt, dass er genau dann Unfälle und Crashs hatte, wenn ihn in diesem Flow etwas unterbrochen hat, störte, aus der Trance riss, in sein Bewusstsein zurückholte – etwa ein Funkspruch von seinem Team mit der Bitte langsamer zu fahren.

Und auch bei unscheinbaren Alltagstätigkeiten kann ein Flow-Zustand eintreten: Jemand liebt Kochen, der andere geht Klettern, der nächste bastelt an einem alten Motorrad und wieder jemand anderes vergisst Raum und Zeit, wenn er den Garten pflegt. Häufig ist das bei Hobbys der Fall.

Viele Menschen erleben Schule, Studium und Erwerbsarbeit als etwas, bei dem sie permanent auf die Uhr blicken und sich fragen: Wann ist es endlich vorbei? Eine Stunde kommt ihnen vor wie zwei oder drei. Doch andere Menschen treten auch beim Lernen und Arbeiten in einen Flow-Zustand ein (Schüler, 2007). Positive Emotionen, Kompetenzerleben, mehr Selbstvertrauen und Leistung in Schule, Studium und Arbeit sind die Folge. Bei diesen Menschen ist es auf einmal Feierabend – und sie haben gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen ist.

Manche Führungskräfte und Unternehmer berichten von einer Erfahrung wie einem inneren Licht oder einer Vorsehung, die sie leitet. Und die großen Propheten der Menschheit empfanden einen Gott, der durch sie hindurch sprach und in die Welt der Menschen griff. Auch das weist auf entrückte Zustände des Flow-Erlebens mit begrenztem Bewusstsein hin.

Der Alltag bietet uns also viele Beispiele für unterschiedlich starke Flow-Erfahrungen. Was gehört aus wissenschaftlicher Sicht zum Flow-Erleben?

Flow: Definition und Bedeutung

Was ist Flow? Auch die Forschung, insbesondere die Positive Psychologie, hat sich mit der Definition von Flow befasst. Folgende Merkmale sind typisch für einen Flow-Zustand:

  • ein Gefühl des Verschmelzens mit der Aufgabe bzw. Tätigkeit
  • jeder nächste Schritt fließt wie von allein aus den vorangehenden Schritten (daher der Begriff Flow)
  • eine tiefe und lange anhaltende Konzentration auf nur eine Tätigkeit
  • die Aufgabe verdrängt alles andere aus dem Bewusstsein
  • Personen vergessen das Gefühl für Zeit
  • die Wahrnehmung der Umgebung ist eingeschränkt
  • physiologische Aspekte wie Hunger, Durst, Müdigkeit oder die Toilette zu besuchen sind nur noch eingeschränkt wahrnehmbar
  • das Empfinden etwas zu bewirken
  • die Überzeugung kompetent zu sein
  • eine große Klarheit, was zu tun ist
  • Glücksgefühle

Flow ist also ein Zustand, der zu sehr positiven Auswirkungen auf unsere Motivation führt. Eine Definition für Flow-Erleben in einem Satz:

Ein Flow-Erleben ist ein Zustand des vollkommenen Aufgehens in einer Tätigkeit. Es tritt ein, wenn eine Tätigkeit optimal an eine Person angepasst ist.

Warum ist der hier definierte Flow-Zustand so entscheidend für unseren Erfolg im Leben?

Ein Flow-Erleben sorgt dafür, dass der Weg zum Ziel wird. Unsere Tätigkeit wird im Flow autotelisch, das bedeutet: Sie motiviert sich aus sich selbst heraus. Mit dem Flow-Erleben können wir die intrinsische Motivation eröffnen, die in einer Aufgabe selbst liegt. Wir brauchen dann keine Gründe von außen mehr, die uns motivieren. Wir tun dann ganz von allein und gerne das, was zu tun ist. Die gewünschte Aufgabe wird so selbst zum Ziel. Uns interessiert dann nicht mehr wirklich, was „nach“ einer Aufgabe kommt – zum Beispiel wie viel Geld wir damit verdienen. Uns interessiert nur noch unsere Aufgabe und dass wir sie exzellent machen.
Zudem verschwindet im Flow alles andere aus unserem Bewusstsein. Wir können dann all unsere mentalen und körperlichen Ressourcen auf die eine Sache lenken. Fokus und Konzentration sind optimal im Flow-Zustand, ein mentaler Tunnel entsteht, der uns komplett abschottet von störenden Reizen. Genau dadurch können wir bei unseren Aufgaben und Zielen zur Meisterschaft gelangen.

Tatsächlich geht die Bedeutung von Flow jedoch über reine Leistung hinaus: Der Zustand macht uns glücklich und gibt uns ein Wachstumsgefühl (Bonaiuto et al., 2016).

Tätigkeit und Person sind also optimal aneinander anzupassen. Und um genau diese Anpassung unserer Aufgaben geht es im nächsten Abschnitt.

Flow-Erleben braucht motivierende Aufgaben

Wie kann man Aufgaben für ein Flow-Erlebnis optimieren? Dabei setzt die Theorie – neben der Betonung von klaren Zielen und Feedback – insbesondere den Anspruch einer Aufgabe mit den Fähigkeiten der Menschen in Beziehung. Konkret geht es darum, wie herausfordernd wir subjektiv eine Aufgabe erleben und für wie fähig wir uns halten (Nakamura und Csikszentmihalyi, 2002). Das Ziel ist die Balance zwischen Anspruch und Fähigkeit. Motivierende Aufgaben fordern uns – doch sie überfordern nicht.

Doch wovon hängt es ab, wie anspruchsvoll eine Aufgabe ist? Die folgende Tabelle zeigt Aspekte der Arbeitsgestaltung, die eine Aufgabe motivierend machen.

Merkmal Einfluss auf Anspruch und Motivationspotenzial der Aufgabe
Abwechslung Je mehr Abwechslung besteht, desto mehr verschiedene Aspekte einer Aufgabe muss eine Person beherrschen und ausführen können.
Ganzheitlichkeit Zuständigkeit für eine ganze Aufgabe erhöht die Komplexität der Aufgabe. Das verlangt mehr Kompetenz von Menschen als das Abarbeiten von Teilaufgaben.
Autonomie Je mehr Freiraum wir bei Arbeit und Aufgaben haben, desto mehr Entscheidungen sind zu treffen und desto stärker gilt es uns selbst zu motivieren, zu kontrollieren und zu steuern. Das erhöht die Komplexität von Aufgaben und damit den Anspruch.
Zeitdruck Zeitdruck führt zu einer Erhöhung der Menge an Arbeit, die in einer Zeiteinheit zu leisten ist, kurz gesagt zu einer Erhöhung der erforderlichen Leistung. Durch Zeitdruck steigt der Anspruch auch bei einfachen Tätigkeiten – ohne die Tätigkeiten an sich zu verändern.

Fazit: Es gibt viele Möglichkeiten, mit denen wir Aufgaben motivierend gestalten können. Je abwechslungsreicher und ganzheitlicher eine Aufgabe ist, desto anspruchsvoller ist diese in der Regel. Das Ausmaß an Abwechslung liegt in unserer eigenen Hand, wenn wir etwas tun. Ein paar Beispiele: Schreibe ich nur Bücher zu einem Thema – oder zu verschiedenen Themen? Koche ich nur deutsche Küche – oder bereite ich auch internationale Gerichte zu? Auch die Ganzheitlichkeit unserer Tätigkeiten können wir gut gestalten: Schreibe ich nur den Text eines Buches und lasse andere die Abbildungen erstellen, ein Buchprodukt daraus entwickeln und vermarkten – oder mache ich alles selbst? Koche ich meine Lasagne mit fertigen Nudeln und Tomaten aus der Flasche – oder mache ich die Nudeln selbst und benutze frische Tomaten aus dem Garten? Das gleiche gilt für das Ausmaß an Autonomie. Je mehr wir bei der Aufgabe selbst entscheiden können und müssen, desto mehr sind wir gefordert. Ein gutes Beispiel dafür ist das Autofahren mit oder ohne Automatik – ohne Automatik hat man mehr Autonomie und das Fahren ist anspruchsvoller. Anspruch spiegelt sich zusätzlich auch in der Menge an Arbeit und dem geistigen Anspruchsniveau (Bakker et al., 2007). Zeitdruck ist die einfachste Methode, um Aufgaben an unsere Fähigkeiten anzupassen, wenn wir uns unterfordert fühlen: Das Gleiche tun – aber schneller.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, damit ein Flow-Erleben eintritt, ist die Sichtbarkeit unseres Fortschritts. So sehen wir unmittelbar, wie weit wir sind, was wir geleistet haben und fördern unsere Motivation (Salanova und Schaufeli, 2008). Wir spüren dann, dass wir etwas schaffen, spüren unsere Kraft, haben ein Kompetenzerleben. Unsere Aufgaben sollten also so gestaltet sein, dass wir sehen, was wir leisten, Wirkung spüren, merken wie wir immer besser werden. Diese Sichtbarkeit können wir bei sehr vielen Tätigkeiten herstellen: Wenn wir Bilder malen, sehen wir die Fortschritte genauso wie beim Sport, Kochen oder dem Schreiben eines Textes.

Was dagegen absolut schädlich für das Entstehen eines Flow-Zustandes ist: Störungen und Unterbrechungen. Diese zerstören die notwendige Konzentration. Sie reißen uns unsanft aus dem Flow-Erleben heraus. Wir machen dann Fehler, straucheln, müssen uns fangen und schließlich wieder für längere Zeit versuchen, den Flow-Zustand neu aufzubauen. Nicht umsonst schilderte der Formel 1 Pilot Ayrton Senna, dass er genau dann Fehler machte, Unfälle hatte, wenn er gestört wurde in seinem Flow. Wir profitieren also von einer störungsfreien Umgebung. Dafür, diese herzustellen, wählten einige Menschen extreme Maßnahmen: Der Schriftsteller Victor Hugo (z.B. „Der Glöckner von Notre-Dame“) zog sich etwa in einem Zimmer zurück, entkleidete sich nackt bis auf einen Schal und übergab alle Kleider an Bedienstete. Diese durften ihm erst wieder Kleidung aushändigen, wenn er ein Kapitel fertiggestellt hatte. Die Türe blieb zu und er konnte den Raum nicht verlassen, voll fokussiert auf sein Schreiben. In diesem ungestörten Zustand schuf er seine Meisterwerke.

Das Flow-Modell zeigt gut, wie wichtig es für unsere Motivation ist, Arbeitsaufgaben auf uns und unsere Fähigkeiten abzustimmen. Das gilt sowohl dafür, was wir uns selbst vornehmen, als auch dafür, was wir anderen, etwa unseren Mitarbeitern delegieren.

Flow-Spirale

Entscheidend für einen Flow-Zustand ist also, dass wir alle Aufgaben individuell auf uns ausrichten – fordernd aber nicht überfordernd. Dabei können wir eine sehr positive Dynamik erzeugen (Weigl et al., 2010), die als Wachstumsspirale abläuft. Die Abbildung zeigt den Kreislauf rund um das Flow-Erleben, der unsere Motivation, unser Selbstbewusstsein und unsere Fähigkeiten wachsen lässt. Kurz gesagt: Flow führt zu Können – Können führt zu Flow.

Flow-Spirale: Flow führt zu Können – Können führt zu Flow

Das sind die wichtigen Stufen der Flow-Spirale:

  1. Motivierende Aufgabe. Wichtig für eine motivierende Aufgabe ist, dass sie für uns anspruchsvoll, realistisch und attraktiv ist. Sie sollte gut zu unseren Fähigkeiten und Interessen passen, damit wir sie wirklich erfüllen können und wollen. Wir wählen uns als Startpunkt etwas, das wir idealerweise bereits gut können und gerne tun. Diese Aufgabe optimieren wir weiter, passen sie an unser Leistungsniveau an.
  2. Flow. Durch die optimierte Aufgabe erreichen wir ein Flow-Erleben, mehr Motivation und Erfolg. Die bessere Leistung gibt uns das Gefühl voranzukommen. Dieser sichtbare Erfolg motiviert uns zusätzlich.
  3. Können. Indem wir die herausfordernde Tätigkeit tun, entwickeln wir unsere Fähigkeiten und Kompetenzen (Salanova et al., 2010). Dadurch entstehen ein Wachstumsgefühl und gesteigerte Selbstwirksamkeit. Wir lernen auf unserem Weg und wachsen. Es entsteht noch mehr Leistungserleben und Flow.

Und hier schließ sich der Kreislauf, beginnt von vorne. Mehr Können und Selbstvertrauen führt dann zu einer umso anspruchsvolleren Aufgabengestaltung. Eine Wachstumsspirale entsteht aus motivierender Aufgabengestaltung, Erfolg, Lernen und Selbstvertrauen und immer anspruchsvolleren Zielen.

Die Optimierung von Aufgaben, weil wir besser werden, gehört zu unserem Alltag: Sie äußert sich etwa darin, dass wir uns selbst neuen Herausforderungen stellen, Computerspiele uns neue Level und Gegner anbieten oder erfolgreiche Mitarbeiter mehr Freiraum und Autonomie erhalten und bedeutsamere Projekte bekommen. Dadurch steigen unsere Motivation und Leistung weiter. Eine Flow-Spirale entsteht, die unsere Kompetenzen und unsere Motivation gemeinsam anwachsen lässt.

Dieser Wachstumskreislauf aus Flow, Kompetenz und Selbstvertrauen ist es, der Künstler, Wissenschaftler, Sportler und viele andere zu immer beeindruckenderen Höchstleistungen führt. Wir verdanken diesem Prozess die beeindruckendsten und wertvollsten Leistungen der Menschheit. Nochmal: Flow kann für uns ein unglaublicher Wachstumsmotor sein, wenn wir den Kreislauf anstoßen. Flow führt zu Können – und Können führt wieder zu noch mehr Flow und Freude am Machen (Engeser und Rheinberg, 2008).

Wie genau können wir diesen Wachstumsmotor starten, in den Flow-Zustand eintreten?

Tipps zum Flow-Erleben

Der Flow-Zustand fördert eine Wachstumsspirale und ermöglicht Spitzenleistungen. Albert Einstein sagte über seine Arbeitsweise: „Kreativität ist Intelligenz, die Spaß hat.“ Wie können wir seinen Fußstapfen folgen, einen Flow erreichen, in dem Freude, Kreativität und Leistung in einem Rauschzustand stattfinden, der alles andere aus dem Bewusstsein verdrängt und uns mit Glück erfüllt? Das hat die Positive Psychologie intensiv erforscht. Hier die entscheidenden Tipps für Flow-Erleben:

  1. Geeignete Tätigkeit. Welche Tätigkeit ist geeignet, damit wir in den Flow kommen? Zentrale Merkmale: Wir können sie gut, denn so können wir das Denken besser abschalten, fühlen uns sicher. Die Aufgabe ist für uns zwar möglich – doch sehr anspruchsvoll. Wir haben Spaß daran. Der Anspruch der Tätigkeit kann dann mit uns gemeinsam weiterwachsen. Ist eine Tätigkeit zu leicht, dann machen wir sie anspruchsvoller. Ist eine Tätigkeit zu schwierig, dann erhöhen wir unsere Kompetenz.
    Zudem sollten wir natürlich Tätigkeiten für einen Flow-Zustand auswählen, die unseren Lebenszielen nutzen. Wer einen Flow-Zustand z.B. darin findet, mit dem Motorrad extrem im Straßenverkehr zu rasen, dabei Raum und Zeit vergisst, der schadet am Ende sich und anderen.
  2. Fokus. Flow erfordert ungestörte Konzentration und vollen Fokus. Das bedeutet alle Störungen und Ablenkungen sind abzustellen. Lärm, Unterbrechungen (Anrufe, Besucher, E-Mails) und störende Gedanken müssen weg. Dabei hilft uns, wenn wir regelmäßig meditieren, lernen störende Gedanken loszulassen, Fokus üben (Chen et al., 2018).
  3. Anfangen und dranbleiben. Da der Flow-Zustand erst nach einer gewissen Zeit eintritt, ist es wichtig, mit dem Verhalten anzufangen und eine Zeit dranzubleiben, zu investieren. Es ist wie beim Tanzen: Erst anfangen – dann kommt der Rauschzustand. Ein Flow-Erleben ist nie von Anfang an da. Es gilt die Schwelle zu überwinden, nach der wir in den Flow kommen. Ein wichtiger Tipp ist daher: anfangen, weitermachen und den Tunnelblick suchen.
  4. Spaß. Druck, äußerer Zwang oder etwas nur zu tun, um etwas anderes zu erreichen? Das ist schädlich für unseren Flow-Zustand. Eine Tätigkeit im Flow ist autotelisch, sie motiviert sich aus sich selbst heraus. Das dürfen wir nie gefährden, wenn wir zur Spitze gehören wollen, den Flow zu uns rufen wollen. Wenn wir mit Zwang und Druck arbeiten, berechnend an sekundäre Ziele denken…, dann verlieren wir gegen diejenigen, die im kreativen Rauschzustand handeln, Zeit, Hunger und Schmerzen nicht mehr spüren, ihr Leben in der Flow-Phase nur noch auf einen Punkt ausrichten.

Die folgende Frage an den Autor vertieft die Tipps zum Flow-Erleben.

Frage an den Autor: Wie kann ich mehr Flow in mein Leben bringen?

Im nächsten Abschnitt geht es noch intensiver um das Wechselspiel von Arbeitsaufgabe und Mitarbeiter. Es ist von grundlegender Bedeutung für die Arbeitsmotivation.

Flow für Mitarbeiter: Passung der Arbeitsaufgabe

Die Forschung rund um die Flow-Theorie macht klar: Eine Arbeit muss zum Mitarbeiter passen, damit sie motivieren kann (Kristof-Brown, Zimmerman und Johnson, 2005). Folgende Abbildung stellt das dar. Eine Aufgabe, die für einen Mitarbeiter genau richtig gestaltet ist, kann für einen anderen ungeeignet sein – etwa weil sie zu anspruchsvoll ist.

Passung von Arbeitsaufgabe und Mitarbeiter als Grundlage für Motivation

Wie kann man vorgehen, um eine hohe Passung zwischen Mitarbeiter und Arbeitsaufgabe zu erreichen? Im Prinzip gibt es drei Ansatzpunkte:

  1. Mitarbeiter und Aufgaben sinnvoll zuordnen. Dabei hat sich bewährt, Mitarbeiter möglichst selbst entscheiden zu lassen, welche Aufgaben für sie attraktiv sind.
  2. Mitarbeiter entwickeln, so dass sie zu ihren Arbeitsaufgaben passen. Hier geht es um Fähigkeiten aber auch weitere psychologische Aspekte wie Selbstwirksamkeit und Motivation.
  3. Aufgaben so gestalten, dass sie zum einzelnen Mitarbeiter passen.

Was ist entscheidend, damit Aufgaben und Mitarbeiter eine möglichst hohe Passung haben?

Erstens ist – wie das Flow-Modell im vorigen Abschnitt verdeutlicht – entscheidend, dass eine Arbeitstätigkeit für den Mitarbeiter anspruchsvoll ist, ihn aber nicht überfordert. Der Anspruch einer Aufgabe ist abhängig von Merkmalen wie Autonomie, Zeitdruck, Abwechslung und Ganzheitlichkeit. Diese Merkmale gilt es so auszurichten, dass sie zum einzelnen Mitarbeiter und seinen Fähigkeiten passen.

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Zweitens ist die Passung der Arbeitsrolle zur sozialen Identität wichtig (Crawford et al., 2010). Es geht dabei darum, wie ein Mitarbeiter sich gerne selbst sieht und gerne von anderen Menschen gesehen werden möchte. Die Tätigkeit und damit verbundene Rolle sollte mit der angestrebten sozialen Identität der Person zusammenpassen. Für die soziale Identität spielen die Werte des Mitarbeiters und Motive nach Status und Macht eine große Rolle. Es gilt darauf zu achten, dass Mitarbeiter stolz sein können auf ihre Tätigkeit (Hakanen, Perhoniemi und Toppinen-Tanner, 2008). So bekommen Mitarbeiter das Gefühl wichtig zu sein und etwas Bedeutsames zu tun. Die Arbeitsmotivation ist in der Folge dieses „Fit“ zwischen Mitarbeiter und Rolle größer (May, Gilson und Harter, 2004).

Der nächste Abschnitt zeigt Tipps für mehr Flow-Erleben bei Mitarbeitern.

Flow-Erleben bei Mitarbeitern: Tipps

Aus den vorangehenden Abschnitten lassen sich viele Erkenntnisse ziehen. Hier zusammengefasst die wesentlichen Tipps für mehr Flow-Zustand bei Mitarbeitern.

Praxistipps: Flow für Mitarbeiter

Wenn wir eine Aufgabe gerne tun, im Flow sind, dann wird sie irgendwann eine Gewohnheit. Was es mit Gewohnheiten auf sich hat und warum sich so viele Menschen schwertun, gute Gewohnheiten aufzubauen und schlechte zu verändern, das zeigt das nächste Kapitel.