Gewohnheiten ändern: Macht der Gewohnheit

Unsere Gewohnheiten verändern uns – doch wie können wir unsere Gewohnheiten ändern? „Wir sind das, was wir wiederholt tun.“ Mit diesem Gedanken erkannte schon der Philosoph Aristoteles die schicksalshafte Macht der Gewohnheit. Sie bestimmt unser Schicksal, macht uns zu dem Menschen, der wir sind. Erledigen wir wichtige Dinge sofort – oder schieben wir sie vor uns her? Wie behandeln wir unseren Körper, unseren Geist, andere Menschen? Gewohnheiten prägen nicht nur unsere Gesundheit und unseren Erfolg, sondern auch unsere Persönlichkeit: Sind wir egoistisch, undiszipliniert, unflexibel und unverträglich – oder großzügig, diszipliniert, offen für Neues und beliebt? Schlechte Angewohnheiten ändern und gute Routinen aufbauen – das ist für uns alle wichtig.
Wie also können wir lange eingewohntes, negatives Verhalten stoppen? Wie können wir uns mit Gewohnheitsbildung nachhaltig motivieren? Das Kapitel beantwortet diese Fragen mit Forschungsergebnissen der Psychologie. Es zeigt die Eigenschaften und gibt eine Definition von Gewohnheitsverhalten. Und vor allem zeigt es, wie wir Gewohnheiten ändern können. …

Autor: Diplompsychologe Professor Dr. Florian Becker

Macht der Gewohnheit: Gewohnheiten ändern ist oft schwer, sie haben große Macht über uns
Risiko: Das passiert ohne gute Gewohnheiten

Ohne gute Gewohnheiten gibt es keinen Erfolg im Leben: keine guten Zähne, keine Bildung, keine finanzielle Freiheit, keine erfüllenden Beziehungen, keine Gesundheit oder schöne Figur. Jeder Mensch, der in irgendeinem Bereich des Lebens sehr erfolgreich ist, hat eine Menge guter Gewohnheiten entwickelt, denen er seinen Erfolg verdankt. Gewohnheiten sind der Autopilot, der uns das Richtige tun lässt – immer wieder und ohne, dass wir uns jedes Mal daran erinnern oder uns dazu zwingen müssen. Das Problem: Meist entsteht Gewohnheitsverhalten ganz unbewusst, ist oft dysfunktional, sogar schädlich. Daher bedrohen schlechte Gewohnheiten unser Leben, unseren Erfolg und unser Glück.

Macht der Gewohnheit: sie formt uns

Die Macht der Gewohnheit steht in der Wissenschaft außer Frage – und das betrifft sämtliche Lebensbereiche. Nach Erkenntnissen der Psychologie ist unser tägliches Verhalten zu großen Teilen durch Gewohnheiten geprägt, die weitgehend unbewusst ablaufen, ohne dass wir darauf achten (Wood, Quinn und Kashy, 2002; Wood, Tam und Witt, 2005). Beispiele für Gewohnheiten finden sich im Arbeitsverhalten, Kommunikation und Umgang mit Menschen genauso wie Ernährung, Einkauf, Verwendung von Technologie oder Sport und Bewegung. Menschen entscheiden sich nicht immer wieder neu, sondern neigen dazu, Verhalten zu wiederholen, selbst wenn sich Rahmenbedingungen ändern. Wir sind „Gewohnheitstiere“. Meist bilden wir unsere Gewohnheiten vollkommen gedankenlos, weitgehend unbewusst. Doch sind es die richtigen Gewohnheiten, die wir da bilden? Oder schaden wir uns mit dysfunktionalen Gewohnheiten selbst?

Der chinesische Lehrmeister Konfuzius beschrieb diese Tatsache schon vor 2.500 Jahren sehr treffend: „Von Natur aus sind die Menschen fast gleich. Erst die Gewohnheiten entfernen sie voneinander.“ Schon scheinbar kleine Änderungen im Verhalten – etwa bei der Ernährung oder Bewegung – formen uns über Monate, Jahre und Jahrzehnte zu vollkommen anderen Menschen. Eine Woche lang nicht mehr Rauchen, jeden Tag eine halbe Stunde Spazieren gehen, täglich höchstens eine Stunde Fernsehen oder die paar Gläschen Alkohol am Abend und die Stunde fehlender Schlaf – was soll das schon ändern? Im kurzen Zeitfenster wenig. Wir merken oft nicht einmal etwas. Wenn wir aber über Monate oder Jahre darauf blicken, dann ändert es sehr viel. Über die Zeit entwickeln diese Veränderungen im Prozentbereich eine große Wirkung. Wir sind dann ein komplett anderer Mensch mit anderer Persönlichkeit mit ganz anderem Leben.

Und das zeigt die eigentliche Macht der Gewohnheiten. Sie machen uns zu dem, was wir sind. Sie formen unsere Persönlichkeit. Die Abbildung zeigt das als Modell.

Gewohnheiten als Modell: Verhalten wird Gewohnheit, Gewohnheiten formen unsere Persönlichkeit

Die Macht der Gewohnheit läuft über drei Schritte:

  1. Regelmäßiges Verhalten. Wir zeigen regelmäßig ein Verhalten, beispielsweise gehen wir freundlich auf Menschen zu, unterhalten uns angeregt mit ihnen.
  2. Gewohnheit. Wenn wir ein Verhalten öfter ausüben, dann wird es eine Gewohnheit. In unserem Beispiel hätten wir uns angewöhnt, auf Menschen freundlich zuzugehen, uns für sie zu interessieren und uns angeregt zu unterhalten.
  3. Persönlichkeit. Die Gewohnheit auf Menschen freundlich zuzugehen und gerne im sozialen Kontakt zu stehen, wird schließlich zum Persönlichkeitsmerkmal. Wir sind eine „extrovertierte Person“ geworden.

Dieses Modell gibt uns einen wichtigen Hinweis, worum es bei Gewohnheiten geht: Es geht um Identität. Wenn wir nachhaltig eine Gewohnheit verankern wollen, dann muss sie zu einem Teil unserer Identität werden. Es geht also schließlich nicht darum, immer wieder ein Buch zu veröffentlichen, sondern es geht darum, ein Autor oder eine Autorin zu sein. Es geht nicht mehr darum, immer wieder Laufen zu gehen, sondern es geht darum, ein sportlicher Mensch zu sein. Es geht dann letztlich nicht mehr darum, immer wieder auf bestimmte Dinge beim Essen zu verzichten, sondern eine gesundheitsbewusste Person zu sein. Es geht nicht mehr darum, immer wieder kurz vor der Klausur für eine gute Note zu lernen, sondern das Ziel ist ein guter Schüler zu sein, der kontinuierlich aus Gewohnheit lernt. Es geht um Identität.

Übung: Gewohnheiten und Identität
Wir sollten unsere Gewohnheiten formen – nicht unsere Gewohnheiten uns. Gewohnheiten sind identitäts-prägend. Sie bestimmen ungefähr die Hälfte unseres Verhaltens. Wir alle haben gute Gewohnheiten. Doch wir haben auch Gewohnheiten, die uns sehr schaden: unserer Gesundheit, unseren sozialen Beziehungen, unserem Glück und Erfolg im Leben. Gewohnheiten machen uns zu dem Menschen, der wir sind, prägen unsere Persönlichkeit. Damit ist Licht und Schatten verbunden, Chancen und Risiken.

Gewohnheiten bieten Chancen: Bei gewünschten Verhaltensweisen bieten Gewohnheiten eine riesige Chance, um dieses langfristig und stabil zu verankern. Für gewünschtes Verhalten, das wiederholt stattfinden sollte, gilt: Wir machen es zur Gewohnheit.

Gewohnheiten sind Risiken: Treten unerwünschte Verhaltensweisen in Form von Gewohnheiten auf, dann ist eine Veränderung umso herausfordernder. Wir alle haben die eine oder andere schlechte Gewohnheit, die wir gerne ändern würden. Vielleicht haben wir es auch schon öfter erfolglos „versucht“.

Frage Dich daher:

  • Welche Art Mensch möchte ich sein, was ist meine Identität?
  • Wie würde sich die Art Mensch, die ich sein will, an meiner Stelle verhalten? Welches Verhalten passt zu dem Menschen, der ich sein möchte?
  • Passen meine aktuellen Verhaltensweisen und Gewohnheiten zu der Art Mensch, der ich sein möchte? Sind sie meiner würdig?
  • Welche neuen Verhaltensweisen möchte ich gerne bei mir aufbauen, zur Gewohnheit machen?
  • Welche schlechten und unpassenden Verhaltensweisen möchte ich gerne bei mir abbauen, welche Gewohnheiten will ich aufbrechen und ändern?

Diese Fragen geben Dir wertvolle Impulse zur Selbstreflexion. Und Du kannst die Reflexion natürlich auch auf andere Menschen ausdehnen. Eltern und Führungskräfte, ja mitunter ganze Unternehmen stehen oft hilflos vor der Aufgabe, hartnäckiges Verhalten bei Kindern, Mitarbeitern aber auch bei Kunden zu verändern. Denn auch hier sind Gewohnheiten identitätsbildend. Eltern sollten sich fragen: Welche Gewohnheiten bestimmen das Verhalten meiner Kinder? Welche Art von Identität wünsche ich mir für mein Kind als Mensch? Gewohnheiten bestimmen die Teamidentität und prägen letztlich die Unternehmenskultur. Führungskräfte sollten darüber Klarheit haben: Welche Gewohnheiten sollen das Verhalten in meinen Teams bestimmen?

Fazit: Viele Menschen sind überzeugt, dass es dramatische Einmal-Aktionen braucht, um ihr Leben zu ändern. Sie übersehen dabei die Macht der kleinen Dinge, der täglichen Gewohnheiten. Diese sind es, die uns langsam, aber konsequent zu dem Menschen formen, der wir schließlich sind. So wie kontinuierliche Wassertropfen irgendwann einen Stein formen. Wenn wir uns ändern wollen, dann müssen wir zunächst unsere Gewohnheiten ändern.

Beispiel für die Macht der Gewohnheit: die Polgár-Schwestern

Gewohnheiten formen uns. Sie machen uns zu dem Menschen, der wir sind. Und sie können uns zur Meisterschaft führen. Das zeigt folgendes Fallbeispiel zu drei Schwestern auf ihrem Weg nach oben.

Beispiel für die Macht der Gewohnheit: die Polgár-Schwestern

Gewohnheiten sind nicht nur für Spitzenleistung wichtig. Sie sind die heimlichen Herrscher im Alltag – von uns allen.

Beispiele: Gewohnheiten im Alltag

Warum gibt es Gewohnheiten, weshalb dominieren sie unseren Alltag, was sind die großen Vorteile? Kurz gesagt: Gewohnheiten sind extrem hilfreich für ein erfolgreiches Leben. Sie entlasten unser Gehirn und machen uns schnell und handlungsfähig. Daher sind sie immer dann anzutreffen, wenn Herausforderungen bzw. Aufgaben bekannt und sehr ähnlich sind. Erwachsene sind es beispielsweise gewohnt, sich regelmäßig die Schuhe zu binden. Es geschieht ohne große Aufmerksamkeit, wie von alleine, schnell und mit gutem Ergebnis. Das war nicht von Anfang an so: Wenn wir Kinder beobachten, die gerade lernen, sich die Schuhe zu binden, dann bekommen wir schell Mitleid angesichts der unbeholfenen und langwierigen Versuche. Wir freuen uns diese sinnvolle Gewohnheit zu haben, sie entlastet uns und unser Gehirn, macht unseren Alltag leichter.

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Ein typischer Alltag ist deshalb genau aus solchen ähnlichen, wiederkehrenden Aufgaben aufgebaut, die wir mit Gewohnheiten lösen. Beispielsweise stehen wir jeden Morgen auf, ziehen uns in der gewohnten Reihenfolge und Weise an. Das gewohnte Frühstück folgt – vielleicht immer mit einem Kaffee oder Tee? Wir putzen uns anschließend die Zähne mit unserer Zahncreme einer bestimmten Lieblings-Marke. Diese Liste an Beispielen für Gewohnheiten können wir beliebig verlängern, denn unser Alltagsleben ist geprägt davon. Gewohnheiten sind die heimlichen Herrscher im Alltag.

Zu unserem gewohnheitsgeprägten Alltag gehört auch die Arbeit. Der Schaukasten zeigt Beispiele für Gewohnheiten am Arbeitsplatz.

Beispiele: Gewohnheiten bei der Arbeit
Es gibt typische Bereiche, in denen Gewohnheiten bei unserer Arbeit eine große Rolle spielen:

  • Sozialverhalten (z.B. Zuhören, Ausreden lassen, Höflichkeit und Wertschätzung)
  • Leistungsverhalten (z.B. Umfang, Präzision und Qualität der Arbeitsergebnisse)
  • Arbeitsprozesse (z.B. Festhalten an unterlegenen Abläufen – etwa Nutzung veralteter Software oder Schreiben ohne Zehnfingersystem)
  • Ablenkung und Fremdbeschäftigung bei der Arbeit (z.B. Ablenkung mit Smartphones, Andere unterbrechen und stören)
  • Interaktion (z.B. Informationen weitergeben, andere unterstützen, reagieren auf Anfragen)
  • Veränderung (z.B. Unterstützung vs. Widerstand bei Veränderungen)
  • Pünktlichkeit (z.B. permanentes Zuspätkommen, verspätete Beiträge zur Teamarbeit)
  • Sicherheit (z.B. gewohnheitsmäßiges Be- oder Missachten von Vorschriften)

Die Bedeutung von Gewohnheiten ist also auch bei der Arbeit immens.

Und Menschen beobachten sich gegenseitig, passen sich an ihr Umfeld an. Aus den Gewohnheiten einzelner Mitarbeiter und Teams entsteht dann die Unternehmenskultur als kollektive Gewohnheiten und Normen, wie man sich im Unternehmen verhält. Und auch da sieht es nicht immer gut aus.

Fazit: Unser Alltag besteht aus Gewohnheiten. Sie durchdringen unser gesamtes Leben, formen uns zu dem Menschen, der wir sind. Und diesen Gewohnheiten bleiben wir sehr treu. Wir ändern sie kaum. Tatsächlich ist vergangenes Verhalten der beste Prädiktor, wenn wir das zukünftige Verhalten eines Menschen vorhersagen wollen (Sutton, 1994; Norman und Conner, 1996).

Einige unserer Gewohnheiten sind gut – doch viele sind auch nicht optimal. Manche davon sind sogar schlecht, sie schaden uns offensichtlich. Dazu der nächste Abschnitt.

Gute Gewohnheiten und schlechte Gewohnheiten

Bei Gewohnheiten gibt es Licht und Schatten, Vorteile und Nachteile. Gute Gewohnheiten sind als Tugenden wichtige Ansatzpunkte, um unsere Ziele zu erreichen, erwünschtes Verhalten nachhaltig zu motivieren und zu festigen – andererseits stehen schlechte Gewohnheiten als Laster unseren Wünschen und Träumen als mächtige Barrieren entgegen.

Gute Gewohnheiten, Tugenden

Wenn wir Erfolg wollen, brauchen wir Gewohnheiten. Das gilt im Umgang mit Menschen, beim Sport, bei der Zahngesundheit, beim Lernen in Schule und Studium, Sicherheit im Auto (z.B. Gurt-Anlegen, Schulterblick, Alkoholkonsum) oder eben bei beruflichen Herausforderungen. Unregelmäßiges Joggen oder Zähneputzen nutzen vergleichsweise wenig im Vergleich zu gut eingeschliffenen Gewohnheiten.

Gute Gewohnheiten: Liste und Beispiele
Das sind Beispiele für gute Gewohnheiten:

  1. Ausgewogenen Ernährung. Die meisten Menschen in Industrienationen essen zu viel, mehr als die Hälfte der Erwachsenen in Deutschland ist mittlerweile übergewichtig (Statistisches Bundesamt, 2022 b). Und wir essen oft zu viel vom „Falschen“, zu viel raffinierten Zucker, zu viel Salz, große Mengen tierisches Fett, Fleisch und prozessierte Lebensmittel. Zur guten Versorgung gehört auch das regelmäßige Trinken von Wasser.
  2. Bewegung. Ausreichende Bewegung ist mit psychischer Gesundheit verbunden (Belcher et al., 2021). Wenn wir uns regelmäßig sportlich betätigen, senken wir Angstzustände und verbessern unsere Stimmung. Regelmäßige Bewegung kommt zudem der Konzentration zugute (Caterino und Polak, 1999).
  3. Gesunde Schlafroutine. Guter Schlaf hängt mit vielen positiven Dingen zusammen: Wohlbefinden, Konzentration und Gesundheit. Wer sich feste Zeiten zum ins Bett Gehen und Aufstehen angewöhnt und zwischen sieben und acht Stunden täglich schläft, der schafft sich eine gute Basis für Gesundheit, Glück und Erfolg.
  4. Fokus. Nur wenige Menschen schaffen es, fokussiert und konzentriert an ihren Aufgaben zu arbeiten. Die meisten von uns lassen sich ablenken. Andauernd. Ein paar Zahlen dazu: Mitarbeiter lassen sich durchschnittlich mehr als zehn Mal pro Arbeitsstunde ablenken und unterbrechen – also alle sechs Minuten (Wajcman und Rose, 2011). Sie verlieren dadurch über zwei Stunden Arbeitszeit täglich. Ein großer Teil davon ist der gewohnheitsmäßige Blick auf das Smartphone und ins Internet. Nicht wenige Mitarbeiter haben sich angewöhnt, die Hälfte ihrer Arbeitszeit unproduktiv zu sein, oft einfach mit Fremdbeschäftigung, etwa online (vgl. Bennett und Naumann, 2004).
  5. Wichtiges sofort erledigen. Viele Menschen leiden unter Prokrastination (Rozental und Carlbring, 2014). Sie haben sich angewöhnt, wichtige Dinge vor sich her zu schieben, sie tun nicht, was zu tun ist. Dadurch sind diese Personen weniger erfolgreich und leisten weniger als andere (z.B. Steel, Brothen und Wambach, 2001). Zudem sind sie häufiger Single und verdienen weniger (Beutel et al., 2016). Betroffene leiden darunter (Tice und Baumeister, 1997), entwickeln Schuldgefühle, Stress und Sorgen.

Weitere Beispiele für gute Gewohnheiten sind angemessene Ordentlichkeit, vernünftiger Umgang mit Geld, das Erstellen von motivierenden Zielen und Visionen, Pausen zur Regeneration, das Lernen von Neuem und Dankbarkeitsrituale.

Leider gibt es auch eine Menge schlechte Gewohnheiten, die Menschen behindern, schädlich sind.

Schlechte Gewohnheiten, Laster

Gewohnheiten dominieren unser Verhalten – häufig selbst dann noch, wenn unsere Ziele und Absichten dagegenstehen (z.B. Ji und Wood, 2007; Gardner, de Bruijn und Lally, 2011). Starke Gewohnheiten laufen dann einfach unbeirrt weiter, „egal“ was sich die betroffenen Personen vornehmen (Verplanken und Aarts, 1999) – typische Alltagsbeispiele dafür sind Rauchen, übermäßiges Fernsehen, zu spät ins Bett zu gehen, Ablenkung beim Autofahren (Handy), mangelnde Bewegung oder schlechte Ernährung. Nur eine schockierende Zahl dazu: Die durchschnittliche erwachsene Person in Deutschland verbringt mehr als fünf Stunden täglich nur mit Fernsehen, Videostreaming und Computerspielen (Vaunet, 2023). Friedrich Nietzsche hat die Hartnäckigkeit der Gewohnheiten schön auf den Punkt gebracht: „Viele sind hartnäckig in Bezug auf den einmal eingeschlagenen Weg, wenige in Bezug auf das Ziel.“ Wir bleiben also gedankenlos bei unseren Wegen – und mögen diese Wege noch so schädlich sein.

Andere schlechte Gewohnheiten sind vielleicht nicht so verheerend, dass sie unsere Gesundheit ruinieren. Sie schaden aber unserer sozialen Akzeptanz und damit unserem Erfolg, indem sie andere Menschen stören. Dazu gehören vor allem schlechte Gewohnheiten bei der Kommunikation. Der Schaukasten zeigt Beispiele dafür.

Beispiele: schlechte Gewohnheiten bei der Kommunikation

Beispiele für schädliche Gewohnheiten bei der Kommunikation mit anderen Menschen sind:

  • andere unterbrechen
  • zu nah an andere Menschen hingehen
  • entwürdigend und wenig wertschätzend kommunizieren, Menschen erniedrigen
  • zu laut / zu leise reden
  • nicht loben, Fokus auf rein negative Inhalte
  • jedem gleich „alles“ erzählen
  • zu schnell reden
  • mit weinerlicher Stimme reden
  • inflationäre Verwendung von „Weichmachern“, wie: irgendwie, eigentlich, vielleicht, ziemlich, quasi …
  • Verletzung von situativen Verhaltensnormen (z.B. schlechte Tischmanieren, permanenter Blick auf das Handy während der Interaktion mit anwesenden Personen)
  • unpassende Körpersprache (z.B. verschlossene Körpersprache beim Zuhören)

Da unsere Kommunikation hochgradig unbewusst abläuft, besteht ein hohes Risiko, dass wir viele schlechte Angewohnheiten gar nicht selbst bemerken. Es gibt drei Möglichkeiten, die Dir hier helfen, solche „blinden Flecken“ zu entdecken:

  1. Erstens kannst Du Dich ganz bewusst auf einzelne Themen konzentrieren, Dich selbst beobachten, wenn Du mit anderen Menschen kommunizierst. Frage Dich dazu Dinge wie: „Nutze ich eine offene Körpersprache, wenn ich anderen zuhöre?“
  2. Zweitens kannst Du in bestimmten Situationen ein Video von Dir aufnehmen: etwa, wenn Du präsentierst, jemanden mit dem Smartphone filmen lassen. Wenn Du das später ansiehst, dann merkst Du einiges, was Du sonst gar nicht mitbekommst, z.B.: „Oh, ich sage ja zehnmal äh in der Minute…“
  3. Drittens profitierst Du von einem sozialen Umfeld, in dem Menschen Dir offen und wertschätzend dazu Rückmeldung geben, was sie beobachten und wie sie Dich erleben.

Ihr immenser Einfluss auf unser tägliches Verhalten macht Gewohnheiten zu einem zentralen Lebens-Thema für uns alle. Der folgende Abschnitt stellt die Eigenschaften von Gewohnheiten dar und definiert den Begriff wissenschaftlich.

Was sind Gewohnheiten? Definition

Was ist Gewohnheit? Kommen wir zur wissenschaftlichen Definition: Gewohnheiten kann man grob als Häufigkeit bisherigen Verhaltens definieren. Je häufiger wir ein Verhalten bereits ausgeführt haben, desto eher wird es eine Gewohnheit (Triandis, 1980). Wir bilden also Gewohnheiten, indem wir ein Verhalten so oft wiederholen, bis es automatisiert ist und ohne unsere Aufmerksamkeit und bewusste Entscheidung dazu abläuft. Hier eine Definition:

Gewohnheiten sind regelmäßige Verhaltensweisen, die von einem bestimmten Trigger spontan ausgelöst werden und dann vom Bewusstsein weitgehend unkontrolliert gleichförmig ablaufen.

Ein Trigger löst unsere Gewohnheiten aus. Wenn wir in einen dunklen Raum gehen (Trigger), betätigen wir beispielsweise automatisch den Lichtschalter (Gewohnheit), ohne bewusst darüber nachzudenken. Es gibt keine Kontrolle darüber. Dieser auslösende Kontext (Trigger) kann alle möglichen Reize beinhalten (Neal, Wood und Quinn, 2006): Dazu zählen vorangehendes Verhalten, sensorische Reize (visuelle, auditive, taktile, olfaktorische, gustatorische) und innere Zustände (z.B. Emotionen, Motive oder Erinnerungen).

Interessant ist auch, dass Gewohnheiten oft wie eine Kette aufgebaut sind. Eine vorangehende Gewohnheit löst als Trigger oft die nächste Gewohnheit aus. Ein fertiges Essen löst aus, dass wir uns die Hände waschen – und das löst aus, dass wir uns die Hände abtrocknen. Unser Leben gleicht daher in weiten Teilen einer Reihe Dominosteine, bei dem vorangehende Steine immer weitere Steine umwerfen – ganz automatisch.

Übung: Trigger für Gewohnheiten
Ohne Trigger gibt es kein Gewohnheitsverhalten. So einfach ist das. Damit wir das gewünschte Verhalten möglichst oft automatisch ausführen, sind vielfältige Trigger wichtig. Diese lösen dann automatisch entsprechende Gedanken und die Gewohnheit aus. Oft ist daher das Ziel, ein Verhalten mit auslösenden Kontexten zu verknüpfen – etwa bei Konsumenten.
Ein Beispiel für einen auslösenden Kontext ist der Ansatz der Marke Beck’s, den Kontext „Freunde“ mit ihrem Bier zu verbinden. Ziel der Werbung ist, dass Kunden immer an das Bier denken, sobald sie an Freunde denken oder Freunde anwesend sind – am besten sogar automatisch das Bier holen, öffnen und gemeinsam trinken.
Auch beim Militär setzt man auf Gewohnheiten, dort nennt man das Drill – Denken ist in bestimmten Situationen unerwünscht, einfach weil der Gegner sonst schneller ist. Es gibt einen Trigger – der Soldat handelt. Das gleiche gilt bei Piloten, die vollkommen automatisch die nötigen Schritte ausführen – etwa für eine Landung. Der vorangehende Schritt löst automatisch den nächsten aus: schnell und ohne Denken.

  • Wir sollten uns daher bei der Bildung einer neuen Gewohnheit fragen: Mit welchen auslösenden Kontexten kann ich das gewünschte Verhalten verknüpfen? Beispielsweise können wir uns entscheiden, immer nach dem Mittagessen (Trigger) eine halbe Stunde zu lesen (erwünschte Gewohnheit) und dieses Verhalten bewusst starten. Auf der Suche nach geeigneten Triggern ist es hilfreich, zu beobachten, wann andere Personen ein bestimmtes Gewohnheitsverhalten zeigen, was bei ihnen die Trigger sind, die das Verhalten auslösen.
  • Für Eltern ist wichtig: Welche Kontexte und Reize lösen welches Gewohnheits-Verhalten bei meinen Kindern aus? Gut ist das erwünschte Verhalten ganz fest mit bestimmten Kontexten zu verbinden. Ein Beispiel: Nach der Schule gibt es Essen. Nach dem Essen 30 Minuten freie Bewegung bzw. Freispiel. Die Bewegungszeit kann mit einem bestimmten Signal enden, etwa einem „Gong“. Der Gong ist gleichzeitig der Trigger, dass jetzt Hausaufgaben (Gewohnheit) starten. Immer.
  • Für Führungskräfte ist die entscheidende Frage: Welche automatisierten Prozesse löst der Kontext „Arbeitsplatz“ und bestimmte Situationen dort bei den Mitarbeitern aus? Ein Beispiel: Der Trigger „der Vorarbeiter ist abwesend“ löst bei manchen Arbeitern die Gewohnheit „wir schauen in das Smartphone“ aus.

Gewohnheiten sind per Definition hartnäckigVerhalten bleibt mitunter selbst dann so bestehen, wenn die ehemals guten Gründe dafür wegfallen – wenn es überhaupt jemals gute Gründe für das Verhalten gegeben hat. Manche Personen verharren dann beispielsweise auf einem Arbeitsplatz, selbst wenn der ehemals sympathische Chef durch einen neuen üblen Vorgesetzten ersetzt wurde, der sich durch Mobbing und Cholerik auszeichnet. Häufig laufen unsere Gewohnheiten einfach weiter, auch wenn sie keinen Sinn mehr machen. Selbst wenn wir schlechte Gewohnheiten wie das Rauchen kurzzeitig einstellen, kommen sie oft nach kurzer Zeit wieder als „Sieger“ zurück. Wir sollten uns daher bewusst machen, dass wir mit Vernunft und Rationalität, Argumenten und Logik unsere Gewohnheiten nur sehr begrenzt beeinflussen können – bei uns selbst und bei anderen Menschen.

Gewohnheiten sind auch definiert durch das weitgehend fehlende Bewusstsein. Unsere bewusste Aufmerksamkeit und Konzentration ist der Flaschenhals im Gehirn: Wir haben nur extrem wenig davon zur Verfügung. Daher sind Gewohnheiten überlebensnotwendig – sie entlastet unser Gehirn für andere, wichtige Aktivitäten. Sowohl das Auslösen, als auch der Ablauf der Gewohnheiten finden statt, ohne dass wir uns bewusst damit befassen. Während also Gewohnheiten als Macht im Hintergrund unbemerkt unser Leben bestimmen, uns formen, denken wir selbst an ganz andere Dinge.

Ein wichtiges Merkmal von Gewohnheiten ist also das Unbewusstsein.

Gewohnheiten als Macht aus dem Unbewussten

„Bis du dem Unbewussten bewusst wirst, wird es dein Leben steuern und du wirst es Schicksal nennen.“ soll der Psychoanalytiker Jung gesagt haben. Gewohnheiten laufen weitgehend automatisch ohne Bewusstsein ab – deswegen haben wir so viele davon, deshalb sind sie oft so unvernünftig und daher lassen sie sich nur so schwer ändern. So machen sich die meisten Menschen keine Gedanken mehr dazu, ob sie sich überhaupt die Zähne putzen sollen, ob sie mit Zahncreme ihre Zähne putzen… und so weiter. Die auslösende Situation (Aufstehen für Anziehen, Frühstück für Kaffee) genügt jeweils, um das gewohnte Verhalten auszulösen. Auch viele Kaufentscheidungen sind weitestgehend automatisiert. Menschen haben dann häufig ihre Stammmarken und legen diese in den Einkaufswagen, ohne zu überlegen. Das Gleiche gilt für den Konsum von Dienstleistungen: Wir gehen aus Gewohnheit zu „unserem“ Friseur und „unserem“ Steuerberater.

Auch negative Gewohnheiten wirken im Unbewussten und laufen dort meist von den Betroffenen unbemerkt als selbstmotivierende Kreisläufe ab. Typische Beispiele dafür sind: Weil wir uns erschöpft fühlen und wenig Energie haben, setzen wir uns auf die Couch und schauen Fern – weil wir viel Fernsehen, fühlen wir uns wieder zu erschöpft, um etwas anderes zu tun. Wir fühlen Druck etwas zu Lernen und betäuben diesen mit Computerspielen – weil wir das Lernen prokrastinieren, steigt unser Druck weiter an und wir wollen ihn umso mehr betäuben, spielen noch mehr Computer. Weil wir uns schlecht fühlen, trinken wir Alkohol – weil wir Alkohol trinken, fühlen wir uns wieder schlecht. Und so weiter.

Wie können wir das Unbewusste bewusst machen, um unsere Gewohnheiten zu ändern? Der Schaukasten zeigt eine Übung dazu.

Übung: Inventur meiner Gewohnheiten
Gewohnheiten sind der entscheidende Zugang, um langfristig Dein Verhalten zu verändern. Doch Gewohnheiten sind weitgehend unbewusst: Die meisten Entscheidungen treffen wir mit sehr geringem gedanklichem Aufwand, sie sind automatisiert. So führt das Motiv, zum Arbeitsplatz zu kommen, meist gewohnheitsmäßig zu einem bestimmten Verhalten – etwa mit dem Auto loszufahren. Darüber erfolgt kein großes Nachdenken mehr. Das bleibt oft dann noch so, wenn ggf. neue Alternativen auftreten, die wesentlich günstiger sind – etwa ein neuer Bahnhof. Ähnliches gilt für die Arbeitsabläufe selbst. So lange nichts Dramatisches passiert, behalten wir stumpf unsere gewohnten Abläufe bei.

Es geht daher darum, dass Du anfängst, auf Dein Verhalten zu achten, es bewusst zu machen: Welche Situationen und Kontexte lösen bei mir unerwünschtes Verhalten aus? Wie kann ich diese Situationen vermeiden oder ändern? Welche Kontexte lösen erwünschtes Verhalten aus? Wie kann ich diese Kontexte öfter herstellen, institutionalisieren?

Ein Ansatz ist, dass Du einen typischen Tag protokollierst. An diesem Tag notierst Du kurz jedes Verhalten, das Du ausführst. Das kann dann so aussehen:

  • Wecker klingelt, ich drücke auf „Schlummern“, döse weiter.
  • Wecker klingelt wieder, ich schalten ihn aus.
  • Ich stehe auf, taumle schlaftrunken ins Bad.
  • Ich gehe dort auf die Toilette, wasche meine Hände, wasche mein Gesicht.
  • usw. …

Sobald wir unseren typischen Tag transparent gemacht haben, können wir uns dann Gedanken dazu machen. Welches Verhalten ist gut so, welches neutral, welches ist schädlich? Welches Verhalten passt zu der Art Mensch, die ich sein will, zu meiner angestrebten Identität?

Dabei werden uns einige negative Gewohnheiten bewusstwerden, die uns noch gar nicht aufgefallen sind – eben, weil das Gewohnheitsverhalten weitgehend unbewusst stattfindet. Wir merken dann beispielsweise, dass wir nicht gleich aufstehen, unser Bett nicht machen usw. Vielleicht entscheiden wir uns, folgendes zu ändern: Der Wecker kommt an einen vom Bett entfernten Ort, so dass wir aufstehen müssen. Sobald wir den Wecker ausgemacht haben, gewöhnen wir uns an, sofort unser Bett zu machen. Dabei legen wir gleich ein Buch auf unser Kopfkissen, damit wir abends daran denken, eine halbe Stunde zu lesen.

Interessant ist dabei auch, welche vorangehenden Tätigkeiten als Trigger eine unerwünschte Gewohnheit auslösen. Wir merken dann Zusammenhänge, wie z.B.: Arbeiten im E-Mail-Postfach bewirkt Sehen einer Mail von einer Social-Media-Plattform, bewirkt Klick auf Social-Media-Seite – 30 Minuten sind weg. Blick auf SMS am Mobiltelefon löst Öffnen der App für Aktienkurse aus, Ansehen der Aktienkurse führt zu Öffnen der App für Nachrichten – 25 Minuten sind weg. Setzen auf unsere Couch bewirkt Fernseher ist an. Fernseher ist an bewirkt Lust auf Knabbereien und Essen – 60 Minuten sind weg und wir haben ungesunde Kalorien zwischen den Mahlzeiten eingenommen.

Mit diesem Vorgehen machst Du die bisher unbewusste Gewohnheitsbildung transparent. Wir entdecken unsere guten und unsere schlechten Gewohnheiten. Wir sehen die „Dominosteine“ und erkennen, was sie umfallen lässt. Das ist ein wichtiger Schritt zu einem bewussten Gestalten unserer Gewohnheiten.

Natürlich macht es Sinn, diese Übung auf andere typische wiederkehrende Tage anzuwenden: typischer Arbeitstag, typischer Sonntag, typischer Tag im Homeoffice… Frage Dich also: Welche typischen Tage mit sehr ähnlicher Struktur gibt es in meinem Leben? Und mache dort eine Inventur der Gewohnheiten.

Gewohnheiten sind oft überraschend robust gegen starke Argumente, gute Absichten und Ziele. Häufig fallen wir, wenn wir eine Gewohnheit geändert haben, nach kurzer Zeit wieder zurück in das alte Muster. Es ist also wichtig, dass wir von Anfang an die richtigen Gewohnheiten aufbauen. Wie das geht, das zeigen die nächsten Abschnitte.

Prinzipien der Gewohnheitsbildung

Wie kann man Gewohnheiten aufbauen? Von den Ansätzen und Forschungsergebnissen zur Gewohnheitsbildung hören die meisten Menschen nichts im Kindergarten, nichts in der Schule, nichts am Arbeitsplatz und auch nichts im Elternhaus. Gewohnheiten herzustellen – das ist so etwas wie der heilige Gral bei unserer Entwicklung als Mensch. Auch bei der Mitarbeiterführung und Erziehung von Kindern ist es eine hohe Kunst. Und doch: Wir sind hier in aller Regel inkompetent. Wir wissen nicht, wie wir neue Gewohnheiten etablieren können. Ja, die meisten Menschen spüren dieses Defizit nicht einmal, weil sie die Bedeutung von Gewohnheiten nicht erkannt haben – schließlich finden Gewohnheiten weitgehend unbewusst statt. Das führt zur paradoxen Situation, dass Gewohnheiten mächtig sind aber die meisten Menschen das gar nicht bemerken. Deswegen ist das Thema „Gewohnheiten entwickeln“ in unserer Gesellschaft trotz seiner Relevanz weitgehend ignoriert. Und vorneweg: Ein Aufbau neuer Gewohnheiten dauert. Doch es lohnt sich.

Gewohnheiten bilden sich, wenn wir unter ähnlichen Bedingungen wiederholt das gleiche Verhalten ausführen (Wood und Rünger, 2016). Die drei Schritte der Gewohnheitsbildung sind:

  1. gewünschte Verhaltensweisen initiieren,
  2. stabilisieren, und dann
  3. automatisieren. Das bedeutet durch gezielte regelmäßige und erfolgreiche Wiederholung in den Bereich der Gewohnheit zu schieben.

Damit ist das neue Verhalten dann stabil.

Wie lange wird es dauern? Menschen sind unterschiedlich. Doch bei guten Gewohnheiten, etwa im Bereich Ernährung oder Bewegung sagt man: Es braucht etwa zwei Monate regelmäßiges Wiederholen, bis ein neues Gewohnheitsverhalten gefestigt ist (Lally et al., 2010).

Ein gutes Beispiel für Gewohnheitsbildung ist das Rauchen. Der Schaukasten stellt den Ablauf vor.

Schritte der Gewohnheitsbildung: Beispiel Rauchen
Der Prozess der Gewohnheitsbildung lässt sich gut an einer bekannten schlechten Gewohnheit zeigen: dem Rauchen. Es gibt drei Phasen.

  1. Initiierung. Die erste Phase der Gewohnheitsbildung ist die Initiierung. Dabei geht es darum, dass ein Verhalten erstmalig auftritt. Beim Rauchen kann die Initiierung auf verschiedene Weise auftreten. Ein Jugendlicher fängt beispielsweise bewusst an zu rauchen, zündet erste Zigaretten an. Ein entsprechend positiv aufgeladenes emotionales Image (Unabhängigkeit, Erwachsensein, selbst entscheiden etc.) und direkte Aufforderung von seinen Freunden haben das Verhalten ausgelöst (Leventhal und Cleary, 1980). Vielleicht hat man ihn auch eher überrumpelt, indem man ihm einfach eine Zigarette in die Hand gedrückt hat. Oder er raucht gedankenlos mit – einfach weil seine Freunde rauchen.
  2. Stabilisierung. Dass ein Verhalten einmal initiiert wurde, reicht nicht für eine Gewohnheit. Die nächste Phase ist die Stabilisierung. Der junge Mann steht z.B. zunehmend bei den Rauchern in der Pause, er bekommt ein Gefühl der Zugehörigkeit, kann soziale Tauschbeziehungen eingehen (schenkt und bekommt Zigaretten, bietet Feuer an). Damit wird das Rauchen Teil der sozialen Identität des jungen Mannes: „Ich gehöre zu den Rauchern. Ich bin Raucher.“ Das Rauchen beginnt dann zunehmend andere Motive zu befriedigen, wirkt belohnend – der junge Mann hat etwas zu tun (Beschäftigung), reduziert Sucht-Verlangen und lenkt sich bei Stress damit ab (Ikard, Green und Horn, 1969).
  3. Automatisierung. In der finalen Phase, der Automatisierung, hat der neue Raucher dann oftmals eine Zigarette in der Hand, ohne überhaupt bewusst zu wissen, wie diese dort hingekommen ist. Dieser Mangel an Aufmerksamkeit und Bewusstsein ist typisch für Gewohnheiten. Rauchen wird dann automatisch von bestimmten auslösenden Kontexten getriggert: Das Mittagessen ist zu Ende, die Arbeit ist zu Ende, man steht mit Kollegen vor dem Bürogebäude, man wartet auf den Bus, man ist angekommen mit dem Bus, man fühlt sich angespannt, man ist gelangweilt, man wacht nachts auf (Ikard, Green und Horn, 1969). Es kommen immer mehr Kontexte dazu, die das Verhalten auslösen. Rauchen ist immer fester verwurzelt im täglichen Ablauf. Es ist immer schwerer die Gewohnheit wieder abzulegen, damit zu brechen.

Das Rauchen ist ein trauriges Beispiel für die Bildung von Gewohnheiten. Eine Gewohnheitsbildung, die unbewusst stattfindet – anstelle durch Vernunft und Überlegung. Es steht stellvertretend für viele andere schlechte Gewohnheiten, die uns fest im Griff halten und schaden.

Aus diesem negativen Beispiel der Gewohnheitsbildung können wir vieles lernen, wenn wir erwünschte Gewohnheiten aufbauen wollen. Es geht darum, dass nicht mehr unsere unbewusst gebildeten Gewohnheiten uns formen, sondern dass wir bewusst und proaktiv unsere Gewohnheiten gestalten – und damit auch uns selbst gestalten. Wir alle können das erreichen, wenn wir die Prinzipien der Gewohnheitsbildung anwenden.

Initiierung von Gewohnheiten

Der erste Schritt beim Aufbau von Gewohnheiten ist die Initiierung. Um neue Gewohnheiten zu starten, sind folgende Punkte wichtig: alte Kontexte ändern, gewünschtes Verhalten sichtbar machen, die auslösenden Trigger festlegen, Starthilfen aufbauen und bewusst anfangen.

Alte Kontexte ändern

Der Kontext, in dem wir uns aktuell befinden, ist extrem wichtig, da er Gewohnheiten auslöst. Unser alter Kontext triggert oft unerwünschtes Verhalten. Mit welchen Gewohnheiten ist beispielsweise der Kontext „Ich gehe abends ins Bett“ verbunden? Ist das verbunden mit: „Ich lese eine halbe Stunde für meine Entwicklung, denke dann an drei Dinge, für die ich heute dankbar bin und höre schließlich eine geführte Meditation zum guten Einschlafen?“ Oder ist das verbunden mit: „Ich öffne jetzt mein Smartphone, lese 30 Minuten Nachrichten, bin dann auf Social Media und gucke schließlich auf dem kleinen Display Videos, bis meine Augen schmerzen und es viel zu spät ist?“ Wenn wir neue Gewohnheiten aufbauen wollen, ist es daher wichtig, dass wir alte Kontexte ändern und vielleicht sogar verlassen, da sie unerwünschtes Verhalten triggern. Das kann dann zum Beispiel bedeuten, dass wir unser Schlafzimmer neu gestalten, um neues Verhalten zu unterstützen. Wir beleuchten es anders, es riecht vielleicht anders, neue Bilder hängen an der Wand, das Bett steht an einem neuen Platz und hat einen ungewohnten Bettbezug.
Weitere Beispiele für dieses Prinzip, alte Kontexte zu ändern, sind: Wenn wir positive Kommunikation in der Partnerschaft haben wollen, dann ist es gut, den Küchentisch zu verlassen, an dem wir immer gestritten haben. Wenn wir gesünder einkaufen wollen, dann sollten wir ggf. in einen anderen Supermarkt als üblich gehen. Wenn wir gewohnt sind, mit unserem Computer zu spielen, dann sollten wir einen eigenen Nutzer ohne Spiele nur für die Arbeit anlegen und den Bildschirmhintergrund ändern. Wenn wir in einem bestimmten Restaurant meist zu viel Alkohol trinken, dann kann ein Wechsel in eine andere gastronomische Umgebung Sinn machen. So entlasten wir uns davon, in einer negativen Umgebung positives Verhalten aufbauen zu wollen.

Gewünschtes Verhalten sichtbar machen

Eine zentrale Strategie, um neue Gewohnheiten aufzubauen, ist das Sichtbarmachen der gewünschten Verhaltensweisen. Der Gedanke ist simpel. Es ist wie im Supermarkt, wo Kunden diejenige Ware eher kaufen, die in der Sichtzone ist – auf Augenhöhe.
Wenn wir mehr lesen wollen, dann müssen die Bücher aus dem Schrank raus – auf den Couchtisch oder auf das Kopfkissen. Wenn wir mehr trinken wollen, dann muss Wasser sichtbar sein. Beispielsweise sollte ein Wasserglas und eine Flasche zum Nachfüllen unmittelbar vor unseren Augen am Arbeitsplatz stehen. So ist das gewünschte Verhalten gut sichtbar und präsent. Wenn wir mehr Vitamine aufnehmen wollen, dann muss das Obst zentral am Esstisch stehen – nicht im Kühlschrank versteckt sein. Wenn wir mehr Radfahren wollen, dann sollte das Rad mitten auf unserer Terrasse stehen und nicht weggesperrt in der Garage, wo wir es nicht sehen.

Trigger festlegen

Über kurz oder lang muss ein erwünschtes Verhalten fest mit einer auslösenden Situation verbunden sein, damit eine Gewohnheit funktioniert. Der Trigger sollte etwas sein, das ausreichend oft auftritt. Ein Beispiel ist das Holen von Ausdrucken vom Drucker. Nehmen wir an, wir wollen mehr Bewegung in unser Leben bringen und Liegestütze machen – und wir drucken mehrfach am Tag Papier aus. Dann könnten wir beides miteinander verbinden: ausgedrucktes Papier holen und Liegestütze. Wir wollen das ausgedruckte Papier holen (Trigger) – fünf Liegestütze machen (erwünschte Gewohnheit)! Der Wunsch das Papier zu holen, löst als „Dominostein“ die Liegestütze als nächsten „Dominostein“ aus. Ganz automatisch. Wer wenig ausdruckt, kann die Liegestütze auch damit verbinden, dass er die Toilette besuchen möchte. Wichtig ist die Verbindung mit auslösenden Kontexten. Das können dann auch mehrere auslösende Kontexte sein.
Wenn wir dieses System verstanden haben, geht es ganz einfach: Wir fangen ganz bewusst damit an, immer eine offene Körpersprache (erwünschte Gewohnheit) zu zeigen, wenn wir jemandem zuhören (Trigger). Wir gehen nach dem Aufstehen vom Obergeschoss in das Erdgeschoss (Trigger) – und gehen dann sofort Laufen (erwünschte Gewohnheit). Oder wir setzen uns zum Frühstück (Trigger) und trinken immer erst ein Glas Wasser (erwünschte Gewohnheit). Nach einer Weile läuft das neue Verhalten dann immer automatischer ab, wir bekommen schon Durst auf unser Glas Wasser, wenn wir uns zum Frühstück setzen.
Ein Anwendungsbeispiel bei Kindern: Nach dem Ausziehen am Abend (Trigger) kommt bereits die neue Kleidung für morgen an einen definierten Platz (erwünschte Gewohnheit). Immer. Das Ausziehen und der Wechsel in den Schlafanzug sind der Trigger für das Herrichten der neuen Kleidung. Ähnlich könnte das Zähneputzen am Abend (Trigger) danach automatisch das Ansehen der Hefteinträge und Packen des Schulranzens für den nächsten Tag auslösen (erwünschte Gewohnheit).
Wir können auch längere Ketten an Gewohnheiten neu einziehen, nach dem Domino-Prinzip: Wenn wir aufstehen nach dem Abendessen zu Hause (Trigger 1), räumen wir sofort den Tisch leer, die Sachen in die Spülmaschine, und putzen die Küche (Gewohnheit 1 und Trigger 2). Das löst dann aus die Gewohnheit 2: Wir decken für das Frühstück morgen schon am Abend vorher auf.

Starthilfen aufbauen

Starthilfen unterstützen den Aufbau neuer Gewohnheiten. Der Beginn einer Gewohnheitsbildung ist immer, dass wir ein neues Verhalten zuerst einmal anfangen. Dabei versucht man oft mit rationalen Argumenten oder direkten Appellen sich selbst oder andere Menschen von einem neuen Verhalten zu überzeugen: „Bewegung ist gesund!“ „Vollkornbrot macht länger satt, fördert die Konzentration und hilft abzunehmen!“ Doch Argumente helfen nur sehr begrenzt, um Gewohnheiten zu beginnen. Angesichts der Schwierigkeiten, die viele Menschen haben, sich entsprechend ihrer guten Absichten zu verhalten (z.B. Ji und Wood, 2007; Gardner, de Bruijn und Lally, 2011), verlangt die Gewohnheitsbildung zusätzliche Maßnahmen zum Start eines neuen Verhaltens.

Das kann sozialer Druck sein (ich verabrede mich mit jemandem zum Sport; alle Mitarbeiter gemeinsam gehen zu einer Weiterbildung) oder Überrumpelung (wir melden uns zu einem Urlaub mit Bewegungsprogramm an; ein Mitarbeiter bekommt auf einmal eine neue Tätigkeit von der Chefin aufgedrückt). Wenn wir also einen Termin mit einem Personal-Trainer buchen, die Gebühr für das Fitness-Center im Voraus zahlen oder uns mit anderen fest verabreden, dann bauen wir Druck als Starthilfe auf.

Beispiel für Gewohnheitsinitiierung: Check-In-Automaten
Ein bekanntes Beispiel für Gewohnheitsinitiierung sind die Mitarbeiter der Lufthansa, die Kunden abfangen und überzeugen, am Check-In-Automaten ihr Ticket zu holen, anstatt wie gewohnt zum Schaltermitarbeiter zu gehen. Der erste Versuch sollte gelingen und keine negativen Erfahrungen bringen. Genau dafür stehen die Mitarbeiter der Lufthansa dann direkt neben uns Kunden und begleiten uns bei jedem Schritt. Unsere Erfahrung soll angenehm sein.

Alle noch so sinnvollen Maßnahmen nutzen nichts, wenn wir das gewünschte neue Verhalten nicht „einfach“ starten.

Gewünschtes Verhalten bewusst starten

Wenn Psychologen Tiere konditionieren, damit diese ein neues Verhalten gewohnheitsmäßig zeigen, dann müssen sie oft lange warten bis das Verhalten zufällig einmal stattfindet – und dann das Verhalten schnell belohnen. Wir Menschen haben hier einen großen Vorteil: Wir können jedes gewünschte Verhalten selbst bewusst starten. Wenn wir mehr Bewegung wollen, dann können wir z.B. anfangen, jedes Mal bevor wir neu ausgedrucktes Papier vom Drucker holen (Trigger), fünf Liegestütze (erwünschte Gewohnheit) zu machen. Einfach so. Ganz bewusst neues Verhalten initiieren. Entscheidend ist, dass wir genau planen, in welcher Situation, wir das neue Verhalten wann zeigen. Wir können uns beispielsweise bewusst vornehmen: Immer, wenn es nicht regnet, nehme ich das Rad für alle Fahrten innerhalb meiner Ortschaft.

Tipps: Gewohnheiten beginnen
Oft scheitern neue Gewohnheiten schon, weil wir nicht beginnen. Das kann daran liegen, weil wir zu perfektionistisch und anspruchsvoll sind und uns Dinge sagen wie: „Ich muss den Text erst perfekt als Gliederung im Kopf haben, bevor ich anfange zu schreiben!“ oder „Wenn ich schon Laufen gehe, dann mindestens fünf Kilometer. Ganz oder gar nicht!“
Es ist zu Beginn einer neuen Gewohnheit wichtiger, einfach irgendwie zu beginnen, auch wenn es noch nicht die Intensität ist, die wir uns final wünschen. Wichtig ist, dass wir ein neues Verhalten überhaupt starten. Vielleicht laufen wir erstmal nur fünf Minuten. Vielleicht beginnen wir zunächst mit zwei Liegestütze am Tag. Vielleicht lesen wir anfangs nur fünf Seiten in einem neuen Buch. Na und? Wichtig ist: Wir fangen an!
Nicht selten passiert etwas Überraschendes: Wir machen dann doch mehr als geplant. Und wenn nicht, dann ist es auch nicht schlimm. Wichtig ist, dass wir angefangen haben. Davon ausgehend steigern wir dann später das Niveau.

Nach dem Start gilt es das neue Verhalten am Leben zu lassen, zu schützen.

Stabilisierung von Gewohnheiten

Der Start ist geglückt – doch viele neue Verhaltensweisen geben wir schnell wieder auf. Um aus einem neuen Verhalten wirklich eine nachhaltige Gewohnheit zu machen, braucht es Stabilisierung. Das geschieht, indem wir: Gewohnheiten leicht machen, Gewohnheiten belohnen, Unterbrechungen vermeiden und soziale Unterstützung herstellen.

Gewohnheiten leicht machen

In der Psychologie gilt: Je niedriger die Eintrittsbarrieren sind, desto eher findet ein Verhalten statt. Der Ablauf von neuem Verhalten sollte deshalb immer möglichst einfach sein. Veränderungen und Probleme im Ablauf führen zu Irritation, Unterbrechung und Nachdenken über ein Verhalten. Das gefährdet die Fortsetzung.
Dieses Prinzip der niedrige Eintrittsbarrieren können wir sehr einfach im Alltag umsetzen. Ein paar Beispiele: Wenn wir am Morgen Laufen gehen wollen, dann können wir am Abend bereits die Laufkleider zum Anziehen hinlegen und die Laufschuhe vor die Türe auf den Boden stellen. So machen wir uns das gewünschte Verhalten möglichst leicht. Wir wollen uns gutes Frühstücken angewöhnen? Am Abend vorher decken wir schon den Tisch und bereiten alles vor. So ist der Aufwand in der Früh überschaubar. Wir wollen reibungslos arbeiten? Dann sollten unser Schreibtisch und der Computerdesktop maximal aufgeräumt sein. Alle Geräte sollten zudem einwandfrei funktionieren und unsere Arbeit muss gut organisiert und geplant sein.

Gewohnheiten belohnen

Es ist ein altes Gesetz der Psychologie: Verhalten, das belohnt wird, nimmt zu – Verhalten, das betraft wird, nimmt ab (Staddon und Cerutti, 2003). Der Leitgedanke für uns ist daher: Wie kann ich ein gewünschtes Verhalten so einfach und belohnend wie möglich für mich machen? Es ist wichtig, dass wir mit gewünschtem Verhalten möglichst positive Erfahrungen verbinden. Deswegen hat Zahncreme für Kinder Kaugummi-Geschmack, Glitzer-Elemente und schäumt aufregend. Das Zähneputzen soll für die Kleinen so belohnend wie möglich sein, damit sie es gerne als Gewohnheit fortführen.

Das sind die Ansatzpunkte, mit denen wir unsere Gewohnheiten stärken:

  • Erfolg. Erfolgreiches Umsetzen von neuem Verhalten baut Fähigkeiten, Wissen und Selbstwirksamkeit auf. Wiederholtes Scheitern dagegen reduziert das Selbstvertrauen und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Verhalten erneut auftritt (Abramson, Seligman und Teasdale, 1978). Deswegen sind realistische Ziele bei neuen Verhaltensweisen gut. Sie sichern den Erfolg.
  • Freude. Zur positiven Erfahrung gehört auch etwas scheinbar Selbstverständliches: Wir wählen uns für unser Ziel das Verhalten aus, das uns am meisten Freude macht. Zum Beispiel gibt es unzählige Möglichkeiten für mehr Bewegung im Leben. Wenn wir mehr Bewegung im Leben wollen, doch Schwimmen nicht unser Ding ist, dann wählen wir etwas anderes – egal ob jemand sagt: „Schwimmen ist der gesündeste Sport!“ Wenn wir uns angewöhnen wollen, unser Geld anzulegen und Vermögen zu vermehren, dann ist z.B. eine wichtige Frage: Was ist am ehesten meines – Aktien, Immobilien, vielleicht Luxusuhren… oder Kunst? In welchem Bereich freue ich mich besonders darauf, meine Zeit einzusetzen?
  • Timing. Auch der Zeitpunkt ist wichtig für positive Erfahrungen. Wann ist der optimale Zeitpunkt, so dass ich nicht unterbrochen werde, am meisten Lust und Energie für meine neue Gewohnheit habe? Es bringt z.B. wenig, wenn wir meditieren wollen aber uns unsere Familie regelmäßig mit Fragen stört und unterbricht oder Kunden anrufen.
  • Zusätzliche Belohnung. Natürlich können wir uns auch zusätzlich belohnen für ein neues Gewohnheits-Verhalten. Wir gönnen uns danach ein schönes, warmes Bad, eine Massage oder eine Auszeit auf der Liege im Garten. Wir sollten zu uns nicht einfach brutal oder hart sein, sondern uns gut behandeln, wie fürsorgliche Eltern oder eine verantwortungsvolle Führungskraft das tun würden. So bleiben wir nachhaltig motiviert. Natürlich sollte die Belohnung dem Ziel der Gewohnheit nicht widersprechen. „Ich darf heute Serie gucken, weil ich keine Zeit mit Social Media verschwendet habe!“ oder „Ich trinke jetzt zwei Weißbier, weil ich mich heute gesund ernährt habe!“ wären beispielsweise wenig hilfreich.
  • Koppeln. Eine zusätzliche Möglichkeit zum Belohnen ist, dass wir ein erwünschtes Verhalten gleichzeitig mit einer anderen angenehmen Tätigkeit koppeln. Wir pflegen unseren Garten – und dürfen solange unser Lieblings-Hörspiel hören. Wir spielen Fußball mit Menschen, die wir sehr gerne mögen und haben viel Spaß nebenbei. Wir sind auf dem Hometrainer – und dürfen so lange unsere Lieblingsserie gucken oder den Lieblingspodcast hören. Wir wollen regelmäßig an einer Lehrveranstaltung teilnehmen? Wir setzen uns dort neben die attraktivste Person.
  • Rechtzeitig aufhören. Dafür, dass wir am nächsten Tag noch Lust dazu haben, unsere Gewohnheit weiterzuführen, ist noch etwas wichtig: rechtzeitig aufhören, solange es noch Freude macht. Egal welches gewünschte Verhalten wir ausführen: Wenn wir es zu sehr übertreiben, dann verderben wir uns den Spaß daran.
  • Sichtbarer Fortschritt. Die Sichtbarkeit der Ergebnisse kann ebenfalls unmittelbar belohnen. Bei Mitarbeitern beispielsweise erhöht alleine die simple Darstellung von Menge und Qualität ihrer geleisteten Arbeit die zukünftige Leistung um etwa 20 Prozent (Stajkovic und Luthans, 2001). Wir belohnen und motivieren uns, indem wir Sichtbarkeit unseres Fortschritts herstellen: Geld, das wir nicht ausgegeben haben, landet in einem großen Glasbehälter. Eine App zeigt uns an, wie viel Sport wir gemacht haben. Wir stellen Bücher, die wir gelesen und durchgearbeitet haben, gut sichtbar im Regal auf. Wir haben einen Kalender an der Wand hängen, auf dem wir die Tage markieren, an denen wir eine bestimmte Gewohnheit ausgeführt haben – zum Beispiel Laufen gegangen sind.

Mit der folgenden Übung messen wir unsere Gewohnheiten und machen Erfolg sichtbar.

Übung: Tagebuch der Tugenden
Die Sichtbarkeit unserer Fortschritte und Ergebnisse ist wichtig, damit wir unsere Gewohnheiten aufrechterhalten. Eine wirksame Übung dazu ist das „Tagebuch der Tugenden“. Das funktioniert so:

  1. Wähle fünf wichtige Gewohnheiten aus, die Du täglich als Tugenden pflegen möchtest. Das könnten z.B. sein Dankbarkeitsübung am Abend, eine halbe Stunde Lesen nach dem Mittagessen, eine viertel Stunde Bewegung, … Es können auch Dinge sein, die Du nicht mehr tun möchtest, z.B. leeren Gesprächen zuhören, allein Alkohol trinken, während der Arbeit Social Media checken, beim Essen das Handy nutzen …
  2. Erstelle eine Liste aus diesen Gewohnheiten bzw. Tugenden und gehe jeden Abend durch, ob Du sie erfüllt hast.
  3. Gib Dir einen Punkt für jede Gewohnheit, die Du wie gewünscht erfüllst. Du hast damit maximal fünf Punkte an einem Tag.
  4. Mache Deine Tagespunkte sichtbar – etwa indem Du sie in einen großen Jahreskalender aus Papier einträgst. Wenn Du am Montag drei Deiner fünf Gewohnheiten erfüllt hast, trage eine Drei ein. Am Dienstag eine Zwei, am Mittwoch eine Fünf usw.
    Das hat den Vorteil, dass es gut sichtbar für Dich ist, Du den Fortschritt siehst. Wer möchte oder viel unterwegs ist, kann auch eine digitale Tabelle führen.

Mit diesem Tagebuch schaffst Du Transparenz und Messbarkeit für Deine Gewohnheiten. Wie viele Punkte hast Du diese Woche erreicht? Welche Gewohnheiten laufen schon gut, welche fallen Dir noch schwer? Welche störenden Gewohnheiten konntest du abbauen?

Dein Tagebuch der Tugenden entwickelt sich mit Dir und Deinem Leben weiter. Nach einer Weile sind bestimmte Gewohnheiten gefestigt und es tauchen neue wichtige Themen in Deinem Leben auf. Du kannst dann die gut etablierten Gewohnheiten in der Liste mit neuen Gewohnheiten ersetzen, die Du zukünftig aufbauen möchtest.

Indem wir Gewohnheiten leicht machen und belohnen haben wir viel für ihre Stabilisierung getan. Dennoch kann es vorkommen, dass wir einen „schlechten Tag“ haben, die Gewohnheit ausfallen lassen wollen oder sogar müssen.

Unterbrechungen vermeiden

Gewohnheiten zu Hause oder am Arbeitsplatz zu ändern, ist relativ leicht, weil sie häufig stattfinden. Jetzt gilt es, das neue Verhalten möglichst bald wieder und wieder zu wiederholen, keine langen Pausen entstehen zu lassen.
Für uns persönlich bedeutet das: Neue gute Gewohnheiten gilt es zu schützen, wie ein frisch gestartetes Feuer. Das bedeutet: nicht unterbrechen und weiter füttern. Auch wenn wir einmal einen „schlechten Tag“ haben, sollten wir immerhin ein bisschen tun. Das ist besser als nichts. Ein Beispiel: Wir lesen täglich als neue Gewohnheit 30 Minuten. Wenn es mal wirklich stressig war und wir wenig Energie haben, dann lesen wir an diesem einen Tag eben nur zehn Minuten. Wichtig ist, dass wir die Kette nicht unterbrechen. Auch Ablenkungen und Störungen währen dem Ausführen einer Gewohnheit sind tödlich. Dafür braucht es Regeln. Ein Beispiel: „Während ich meine 30 Minuten Buch lese, darf ich keine E-Mails checken, nicht auf Social Media gehen und das Smartphone nicht ansehen.“
Wenn wir die gute Gewohnheit dennoch mal unterbrechen, dann ist das auch nicht unbedingt eine Katastrophe. Ausrutscher passieren und das Leben konfrontiert uns mit unerwarteten Hindernissen – etwa einer Verletzung, die unseren gewohnten Sport unmöglich macht. Wichtig ist, dass wir die gute Gewohnheit dann baldmöglichst neu starten, die Unterbrechung möglichst kurz ist.

Soziale Unterstützung herstellen

Unser soziales Umfeld entscheidet mit – auch über unseren Erfolg. Wenn unser soziales Umfeld wenig Sport macht und übergewichtig ist, dann haben auch wir ein erhöhtes Risiko dafür (Nelson et al., 2006). Wenn unsere Freunde Kinder bekommen, dann folgen wir oft. Wenn unsere Freunde reich werden, dann werden wir meistens auch reich. Wenn unser soziales Umfeld Drogen nimmt, dann sind wir auch gefährdet – wenn es diese ablehnt, dann sind wir geschützt (Maxwell, 2002).
Die Macht der Menschen um uns gilt auch auf dem Weg zu einer neuen Gewohnheit. Lob und soziale Anerkennung für ein neues Verhalten motivieren uns. Irritierend sind dagegen Personen in unserem sozialen Umfeld, die sich konträr zur von uns gewünschten Richtung verhalten, unser neues Verhalten ablehnen. Man denke an die zersetzende Wirkung von Schülern in einer Klasse, die den Unterrichtsaktivitäten nicht folgen – und oft keine Konsequenzen dafür erhalten, ja, vielleicht sogar noch Anerkennung von den Mitschülern und die Aufmerksamkeit der Lehrer gewinnen.
Fazit: Wir brauchen ein Umfeld, dass unseren Weg unterstützt – anstatt behindert. Leitfrage ist: Welche Menschen verhalten sich jetzt schon so, wie ich mich zukünftig verhalten will? Das geht einfach. Wir wollen uns zukünftig mehr mit einem Thema befassen? Wir treffen uns öfter mit Freunden, die sich ebenfalls dafür interessieren und sprechen darüber. Oder wir besuchen einen vhs-Kurs und lernen andere Menschen kennen, die sich auch dafür begeistern. Wir wollen mehr sportlich Radfahren? Wir treffen uns regelmäßig mit jemandem, der mit uns fährt. Wir wollen intensiver und regelmäßig für das Studium lernen? Wir ziehen in eine WG, in der die anderen Bewohner schon leistungsorientiert lernen – idealerweise sogar in unserem Studienfach.

Die Stabilisierung eines neuen Verhaltens führt dann mittelfristig zur Automatisierung und damit zur nachhaltigen Bildung einer Gewohnheit. Indem wir das Verhalten immer wieder wiederholen und einüben in einer bestimmten Situation, ist uns die Entscheidung dazu zunehmend weniger bewusst. Das neue Verhalten findet schließlich ganz automatisch und schnell statt. Es geschieht dann nebenbei und mit minimaler Aufmerksamkeit. Eine neue Gewohnheit ist entstanden.

Leider genügt es nicht, dass wir nur gute Gewohnheiten aufbauen. Für jeden Menschen stellt sich immer wieder die Frage: Wie beseitige ich unerwünschte Gewohnheiten, die meine Gesundheit, meinen Erfolg und mein Glück gefährden?

Gewohnheiten ändern, ablegen und abbauen

Wie kann man Gewohnheiten ändern? Typ-2-Diabetes, Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, sexuell übertragbare Krankheiten, Burnout, Süchte, finanzielle Probleme, schlechte Schulleistungen… all das hat mit Verhalten zu tun (Hagger et al., 2020), mit unseren Gewohnheiten. Wie können wir mit Gewohnheiten brechen, unsere schlechten Gewohnheiten ablegen?

Forschung: Gewohnheiten ändern mit Argumenten?

Oft versucht man schlechte Gewohnheiten mit sachlichen Argumenten zu ändern, man appelliert an Rationalität und Vernunft, ganz nach dem Motto „Rauchen schadet Ihrer Gesundheit“. Viele Gewohnheiten starten tatsächlich ursprünglich mit bewussten und überlegten Entscheidungen und absichtlichem Verhalten (Aarts und Dijksterhuis, 2000): etwa das Verwenden von Zahnseide oder das Benutzen des Autos statt der Bahn für den Weg zur Arbeit. Nach einer Reihe von Wiederholungen werden diese Verhaltensweisen dann zu Gewohnheiten. Sie laufen dann größtenteils unbewusst ab, sobald eine bestimmte auslösende Situation eintritt. Das bedeutet nicht, dass Gewohnheiten gänzlich unbewusst ablaufen müssen. Sie haben aber einen starken unbewussten Anteil und bewusste Aufmerksamkeit ist in der untergeordneten Rolle (Wegner und Bargh, 1998).

Dieser Mangel an Aufmerksamkeit und willentlicher Kontrolle führt jedoch dazu, dass viele Gewohnheiten bestehen bleiben, auch wenn die betreffende Person ihre Einstellung dazu geändert hat – etwa gegenüber dem Rauchen. Entsprechend ist der Zusammenhang zwischen Einstellungen und Verhalten bei Gewohnheiten oftmals gering – und noch so gute rationale Argumente wirken kaum auf unser Verhalten, wenn es einmal zur Gewohnheit geworden ist. Das trifft auch bei gut eingewöhnten Arbeitsabläufen von Mitarbeitern zu. Diese laufen relativ unberührt von veränderten Einstellungen der Mitarbeiter munter weiter wie gewohnt ab (Schachter et al., 1961).

Argumente können daher zwar helfen, ein neues Verhalten zu starten und dann zur Gewohnheit zu machen – sie sind aber eher ungeeignet, um später Gewohnheiten wieder zu ändern. Menschen verändern dann vielleicht ihre Intentionen und Absichten, nehmen sich vielleicht sogar vor, etwas zu ändern – aber das gewohnte Verhalten läuft einfach weiter oder kommt schon nach kurzer Zeit zurück. Die Gewohnheit siegt. Es ist so ähnlich wie beim Hausbau: Die Firma, die ein Haus baut, arbeitet ganz anders und nutzt andere Techniken als die Firma, die das Haus dann wieder abreißt.

Wie können wir also vorgehen, um unsere Gewohnheiten zu ändern und abzulegen? Was wirkt tatsächlich? Die Positive Psychologie hat folgende Handlungsfelder identifiziert, mit denen wir schlechte Gewohnheiten ändern:

1. Stress reduzieren

Viele schlechte Gewohnheiten sind Reaktionen auf Stress (Schwabe und Wolf, 2009): Menschen essen, rauchen, trinken, fernsehen, spielen Computer, um Stress und Druck zu betäuben. Nicht wenige nehmen sogar Medikamente, um mit Stress, Druck, Ängsten und Depression umzugehen. Andere verletzen bei Stress ihre liebsten Mitmenschen psychisch und physisch – etwa ihre Kinder. Dadurch wächst der Stress dieser Menschen meistens sogar noch weiter an und es kommen weitere Probleme dazu. Ein Teufelskreis.
Ein wesentlicher Schritt beim Abbau von schlechten Gewohnheiten ist daher: Stress als Nährboden schlechter Gewohnheiten beseitigen. Geeignete Mittel dazu sind beispielsweise: ausreichend Schlaf, Pausen und Regenration, Vermeiden von Tätigkeiten und Menschen die emotional belasten, Meditation, Bewegung oder Aufenthalt in der Natur.
Beim nachhaltigen Umgang mit Stress gilt es oft Gewohnheiten zu ändern. Zum Beispiel kann dann aus „Ich fühle mich gestresst. Ich trinke Bier und schaue Fern.“ werden: „Ich bin gestresst. Ich gehe in die Natur und mache dort Sport.“

2. Trigger beseitigen

Ohne Trigger keine Gewohnheit. Gewohnheiten laufen automatisch ab, sobald ein bestimmter auslösender Kontext sie startet. Deshalb bekämpft man Gewohnheiten, indem man Trigger beseitigt oder zumindest reduziert. Ein Smartphone, das in einem Workshop nicht mehr auf dem Tisch liegt, ist ein unerwünschter Trigger weniger. Wechseln Menschen ihre Umgebung, etwa durch Umzug oder Urlaub, dann stellen sie oft Gewohnheiten ein oder verändern diese (Thrailkill und Bouton, 2014). Beispielsweise waren viele US-Soldaten in Vietnam heroinabhängig – doch nur sehr wenige setzten diese Sucht zurück in den Staaten fort. Der Kontext hatte sich mit der Rückkehr zu ihren Familien massiv verändert. Analog können uns eine neue Arbeitsumgebung oder selbst ein neuer Computer-Desktop unterstützen, um alte Gewohnheiten bei der Arbeit abzulegen.
Für uns bedeutet das, genau die auslösenden Kontexte von unerwünschtem Verhalten zu analysieren und systematisch zu zerstören: Ich mache den Kühlschrank auf und habe auf einmal ein Bier in der Hand? Das Bier steht ab jetzt im Keller. Ich arbeite am PC und auf einmal läuft ein Computerspiel? Das Spiel wird auf einem anderen Benutzerkonto installiert. Ich bin im E-Mail Postfach und lande auf einmal bei Social Media? Die Mails der Social Media leite ich ein einen eigenen, getrennten Ordner.

3. Emotionen ansprechen

Wie können wir unerwünschte Gewohnheiten zerbrechen? Starke emotionale Botschaften, die wirklich durchschlagen, sind wesentlich wirksamer als rationale Argumente. Eine Bedrohung oder Chance muss emotional stark genug wahrgenommen werden, dass eine aktive Entscheidung erforderlich scheint (Beach und Mitchell, 1978; Petty, Ostrom und Brock, 1981). So spielt es keine Rolle, dass jährlich in Europa 1.000 mal mehr Personen durch Verkehrsunfälle verletzt werden und sterben als durch Terrorismus. Die emotionale Wirkung der Bilder zählt – und so ist die Furcht vor Terrorismus größer und die Bereitschaft deshalb sein Verhalten zu ändern. Vergleichbare Effekte haben sich gezeigt, als durch die BSE-Fälle der Markt für Rindfleisch kollabiert ist oder als wegen wenigen Todesfällen durch Durchfallerkrankungen kaum noch Gurken in ganz Europa gekauft wurden, da jene für eine Weile fälschlicherweise als Quelle der EHEC-Erkrankung galten. Diese Beispiele haben gemeinsam: rational vergleichsweise geringe Risiken – emotional starke Botschaften und Bilder. Insofern sind die aktuellen Grusel-Bilder auf den Zigarettenpackungen als wirksamer einzuschätzen als die rationalen Argumente, auf die man sich zuvor verlassen hat, um Raucher von ihrer Gewohnheit abzubringen.
Wenn wir also Verhalten ändern wollen, dann ist wichtig, die Kommunikation dafür stark zu emotionalisieren, erlebbar zu machen. Ein Beispiel: Ein Raucher will sich eben dieses Verhalten abgewöhnen. Dafür stellt er sich, sobald er raucht, ganz anschaulich vor, wie eine unsympathische, hässliche, reiche Unternehmerfrau dreckig lacht und sich freut, weil sie Geld mit seiner Sucht verdient. Jemand möchte weniger Fleisch essen – die Person schaut Dokumentationen über Massentierhaltung, behält die Bilder im Kopf, wenn sie einkauft oder im Restaurant bestellt. Hier ist unsere Fantasie entscheidend. Es geht darum, das unerwünschte Verhalten mit möglichst viel Ekel, Trauer von geliebten Menschen oder Freude von ungeliebten Personen zu verbinden. Es geht darum, dass wir uns möglichst abschreckende Visionen ausmalen im Kopfkino: „So sehe ich in fünf Jahren aus, wenn ich mich weiter so ernähre!“ „So müssen meine Kinder als Teenager leben, wenn wir weiterhin so viel Geld ausgeben.“ „Das wird meine Arbeit sein, wenn ich weiterhin nur Serien schaue, statt für mein Studium zu lernen.“ „Diese Insekten sind in den Fertigprodukten mitverarbeitet, die ich nicht mehr essen möchte.“

4. Störung des Ablaufs

Unsere Umgebung prägt unser Verhalten (Marteau et al., 2020). Der Ablauf der gewohnten Verhaltensweise kann physisch gestört oder sogar verhindert werden. Rauchverbote in vielen Bereichen sind hierfür ebenso Beispiele, wie die Verbote von Smartphones in Büroumgebungen oder während Meetings, um zu verhindern, dass sich die Mitarbeiter fremd-beschäftigen. Beispiele für diesen Ansatz, Verhalten möglichst unangenehm und aufwändig zu machen, sind: bitter schmeckender Nagellack für Kinder, die Nägel kauen, und Medikamente für Alkoholiker, die Übelkeit erzeugen bei Alkoholkonsum.
Jeder Mensch kann sich unerwünschtes Verhalten physisch erschweren: Das Bier steht plötzlich nicht mehr bequem erreichbar im Kühlschrank, sondern im Keller. Ein kleiner Löffel zwingt uns zum langsamen Essen, kleine Teller führen zu geringeren Portionen. Wir kommen morgens nicht aus dem Bett, schalten den Wecker aus, dösen weiter? Der Wecker kommt ein paar Meter weg vom Bett, so dass wir aufstehen müssen zum Ausschalten. Das Smartphone unterbricht uns oft bei der Arbeit? Es wird stummgeschaltet und kommt in einen anderen Raum außer Sicht oder in eine Schublade. Der Einkauf soll sich im vernünftigen finanziellen Rahmen wegen? Die Kreditkarte bleibt zu Hause und wir nehmen nur eine begrenzte Menge Bargeld mit. Der Fernseher soll seltener an sein? Die Fernbedienung kommt weit weg an einen nur unbequem zu erreichenden Platz.

5. Soziale Ächtung

Wir können ungewünschte Verhaltensweisen auch sozial ächten und stigmatisieren. Die besonderen gelben Rechtecke auf Bahnsteigen und Glaskästen auf Flughäfen für Raucher sind dafür ein gutes Beispiel. Raucher werden so aus der Gemeinschaft isoliert und sichtbar gemacht. In chinesischen Schulklassen waren früher die Namen aller Schüler an der Wand. Die leistungsschwächsten mit den schlechtesten Verhaltensweisen bekamen eine schwarze Markierung an ihren Namen. Die Lehrer luden die Eltern regelmäßig gemeinsam ein in das Klassenzimmer – ein Gesichtsverlust für die betreffenden Familien (Ma und Becker, 2015). Wer in manchen chinesischen Großstädten bei Rot über die Fußgänger-Ampel geht, dessen Foto erscheint kurz auf großen Bildschirmen und ist für hunderte Menschen sichtbar.
Eine direkte private Anwendung ist: Wir umgeben uns mit Menschen, die ein Verhalten konsequent ablehnen, das wir einstellen wollen. Wir können zu unseren Kindern sagen: „Kinder, wenn ihr mich an einem Arbeitstag ein Bier trinken seht, dann schulde ich euch jedem 10 Euro!“

6. Transparenz herstellen

Unerwünschtes Gewohnheitsverhalten kann man messen und sichtbar machen. Das erinnert die betreffenden Personen und ihr Umfeld immer wieder daran, zeigt Fortschritte aber auch Verschlechterungen an. Gibt es z.B. in einem Team ein Problem mit Unpünktlichkeit, dann sollte dieses Gewohnheitsverhalten der einzelnen Mitarbeiter sichtbar gemacht werden. Das hilft dem einzelnen sich daran zu erinnern und sich das Verhalten bewusst zu machen – und es fördert die soziale Ächtung und Sanktionierung.
Beispiele für die Anwendung von Transparenz sind: Die Bildschirmzeit am Smartphone, die uns zeigt, wie viel Zeit wir in dieser Woche mit welchen Apps verbracht haben. Leere Zigarettenpackungen / Schokoladenpackungen / Chipspackungen / Bierflaschen einer Woche an einem Ort sichtbar aufreihen. Ein Haushaltsbuch bzw. eine entsprechende App, die uns unsere Ausgaben für bestimmte Dinge zeigt.

Fazit: Welche Gewohnheiten wir auch immer bekämpfen möchten – veränderte Absichten allein genügen nicht im Konflikt mit hartnäckigen Gewohnheiten. Neues Verhalten müssten wir dann mit großem Bewusstseinsaufwand und enormer Selbstdisziplin so lange erzwingen, bis neue Gewohnheiten die alten überschreiben. So viel Willenskraft haben nur wenige. Deshalb ist eine Kombination der hier genannten Maßnahmen am sinnvollsten, um schlechte Gewohnheiten effektiv zu bekämpfen.

Nachteile von Gewohnheiten

Gewohnheiten sind eine wichtige Grundlage für unseren Erfolg. Sie entlasten unser Gehirn und sorgen so dafür, dass wir routinemäßig wichtige Dinge tun, ohne dass wir uns jedes Mal mit Selbstdisziplin dazu zwingen müssen. Und natürlich haben schlechte Gewohnheiten große Nachteile, können uns hartnäckig schädigen und bedrohen unsere Gesundheit, unser Vermögen und unsere sozialen Beziehungen.

Doch auch gute Gewohnheiten können Nachteile entfalten. Gewohnheiten sind unflexibel und unbewusst und definieren unsere Identität. Was wenn sich unsere Welt und unser Leben ändert – und unsere guten Gewohnheiten nicht mehr passen?

Ein paar Beispiele dazu zeigt der folgende Schaukasten.

Beispiele: Gewohnheiten als Gefängnis
Eine Identität und damit zusammenhängende Gewohnheiten können auch zum Gefängnis werden.

  • Die ewige Mutter. Eine Mutter identifiziert sich intensiv mit der Mutterrolle und hat zahlreiche fürsorgliche Gewohnheiten entwickelt. Doch die Kinder werden älter und selbständiger. Eigentlich müsste die Mutter ihre Gewohnheiten jetzt daran anpassen. Doch nicht immer findet das statt. Manche Frauen identifizieren sich so stark mit der Mutterrolle, dass eine Veränderung des Verhaltens ihr Ego bedroht. Als Ergebnis putzen dann manche davon immer noch die Wohnung für ihren vierzigjährigen Sohn, nehmen Schmutzwäsche mit und bringen ihm frisch gewaschene Wäsche nach Hause.
  • Der Unternehmer, der keiner mehr ist. Auch Menschen, die hart gearbeitet haben, ein Unternehmen mit viel Disziplin und guten Gewohnheiten aufgebaut haben, können in eine Identitätskrise geraten. Das tritt beispielsweise ein, wenn sie ihr Unternehmen verkaufen und aussteigen. Wo ist der Lebensinhalt hin? Auf einmal müssen sie neue Gewohnheiten entwickeln, eine neue Identität finden.

Ähnlich geht es auch manchen Leistungssportlern, die aufhören, Führungskräften, die in Rente gehen oder Menschen, die durch Krankheit ausfallen. Die neue Lebenssituation verlangt andere Gewohnheiten und eine neue Identität. Kranke sollen auf einmal nicht mehr hart arbeiten oder trainieren, dafür sich schonen und viel mehr auf ihre Gesundheit achten. Das ist eine große Herausforderung.

Wenn sich unsere Welt ändert, können wir uns dann mit ihr ändern – oder bleiben wir Gefangene unserer eigenen Identität und Gewohnheiten?

In unseren Gewohnheiten liegt also manchmal auch eine große Gefahr: Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, dann sind ehemals gute Gewohnheiten nicht mehr passend. Gewohnheiten definieren unsere Identität. Wenn wir uns zu sehr damit identifizieren, dann sind wir nicht mehr kritikfähig und wenig veränderungsfähig. Identität wird dann zum Gefängnis, aus dem wir nicht mehr heraus wachsen können. Die Herausforderung: Wir sollten uns unsere Gewohnheiten bewusst halten, sie regelmäßig kritisch prüfen und sie mit unserem Leben weiterentwickeln. Wir sollten unsere Gewohnheiten formen, nicht unsere Gewohnheiten uns.

Der Autor diskutiert im Folgenden, wie wir eigene Gewohnheiten erfolgreich gestalten.

Frage an den Autor: Wie kann ich gute Gewohnheiten etablieren und mit schlechten Routinen brechen?

Gewohnheiten sind das Gegenteil kontrollierter Prozesse. Dazu folgen ein paar Forschungsergebnisse.

Forschung zu Gewohnheiten: Eigenschaften

Entsprechend der wissenschaftlichen Definition ist Gewohnheit eine Verhaltensweise mit charakteristischen Merkmalen (vgl. Ronis, Yates und Kirscht, 1989). Das sind die Eigenschaften von Gewohnheiten:

  • Die Entscheidung dazu findet schnell, mit minimaler Aufmerksamkeit (nebenbei) statt (Bargh und Gollwitzer, 1994).
  • Ein bestimmter Trigger (auslösender Kontext) löst sie automatisch aus (Shiffrin und Dumais, 1981; Wood und Neal, 2007).
  • Sie laufen ohne großen gedanklichen Aufwand und mit wenig Bewusstsein ab (James, 1890, S. 114; Wegner und Bargh, 1998; Wood und Rünger, 2016). Das entlastet das Gehirn und reduziert die Ermüdung.
  • Sie finden regelmäßig in gleicher Form statt, wenn der auslösende Kontext wiederholt gegeben ist – weil er von selbst entsteht oder weil Personen den Kontext sogar aktiv aufsuchen und herstellen.
  • Sie sind immer dann hilfreich, wenn Aufgaben bekannt und sehr ähnlich sind.
  • Da sie wenig Aufmerksamkeit benötigen, können Gewohnheiten parallel mit anderen Prozessen und Tätigkeiten ablaufen. Wir fahren dann zum Beispiel Auto und führen gleichzeitig ein anspruchsvolles Gespräch.
  • Sie sind nur schwer zu ändern und passen sich kaum an veränderte Bedingungen an. Es fällt uns daher oft schwer, die Form von Gewohnheiten zu ändern. Ein einfacher Test: Die Arme verschränken und merken, welcher Arm außen ist. Dann die Verschränkung auflösen. Jetzt versuchen nochmal zu verschränken – aber andersherum, so dass der zuvor innere Arm jetzt der äußere ist.
  • Es besteht wenig willentliche Kontrolle darüber, wenn sie automatisch ablaufen.

Das Gegenteil von Gewohnheiten sind kontrollierte Prozesse. Diese haben typischerweise die entgegengesetzten Eigenschaften. Folgende Tabelle fasst die Unterschiede zusammen.

Gewohnheiten kontrollierte Prozesse
schnelle und unbewusste Initiierung bewusster, mitunter aufwändiger Entscheidungsprozess vor dem Beginn
ein bekannter auslösender Kontext löst sie automatisch aus eine unbekannte Situation (Kontext) steht als Herausforderung am Anfang
kaum gedanklicher Aufwand, wenig bewusste Aufmerksamkeit hoher kognitiver Aufwand, bewusste Aufmerksamkeit
finden regelmäßig in gleicher Form statt sind Unikate, finden nur einmal oder sehr selten in gleicher Form statt
dann hilfreich, wenn Aufgaben bekannt und sehr ähnlich sind dann hilfreich, wenn Aufgaben neu und unbekannt sind, sich schnell ändern
können parallel mit anderen geistigen Prozessen  ablaufen verlangen hohe Aufmerksamkeit, lassen kaum Platz für andere gleichzeitige Denkprozesse
sind unflexibel und passen sich kaum an veränderte Bedingungen an sind flexibel und passen sich schnell an veränderte Bedingungen an
belasten Aufmerksamkeit und Konzentration wenig ermüden die Aufmerksamkeit und Konzentration
sind willentlich kaum kontrolliert unterliegen der willentlichen Kontrolle

Es folgen Tipps, um Gewohnheiten bei Mitarbeitenden zu entwickeln.

Gewohnheiten bei Mitarbeitern

Wie können wir gute Gewohnheiten bei Mitarbeitern fördern und schlechte Gewohnheiten von Mitarbeitern abbauen? Der Vorteil von Gewohnheiten ist klar: Sie erfordern keine Selbstdisziplin, sind robust gegenüber Ablenkungen und wirken nachhaltig und automatisch. Wo einmal eine Gewohnheit ist, müssen wir daher Mitarbeitende nicht mehr permanent erinnern und motivieren.

Praxistipps: Gewohnheitsbildung bei Mitarbeitenden

Ein Kernthema der Positiven Psychologie ist Glück. Was genau ist Glück? Welche Wege zum Glück gibt es, wie können wir glücklicher werden? Diese Fragen beantwortet das nächste Kapitel.