„Fokus!“ Das antwortet der Microsoft-Gründer Bill Gates auf die Frage nach dem einzelnen wichtigsten Erfolgsfaktor auf seinem Lebensweg. Ablenkung bringt uns vom Weg ab – nicht nur beim Autofahren. Studien zeigen Dramatisches: Menschen verlieren bei der Arbeit sagenhafte 25 Prozent ihrer Zeit durch Ablenkung und lassen sich mehr als zehnmal in der Stunde unterbrechen. Ohne Konzentration erreichen wir dann entsprechend wenig an unserem Tag. Noch schlimmer: Wir tauschen damit immer und immer wieder unsere wichtigen Ziele und Träume gegen meist belanglose Ablenkungen ein. Gleichzeitig nehmen negativer Stress und Erschöpfung zu. Wenn wir dagegen unsere Aufmerksamkeit und Konzentration erhöhen, dann erreichen wir viel besser unsere Lebensziele: sei es bei Arbeit, Schule oder Studium. Mit Unaufmerksamkeit gefährden wir auch Beziehungen zu geliebten Menschen, etwa zu unseren Kindern – jeder kennt die Eltern, die zwar körperlich anwesend aber geistig oft abwesend am Spielplatz in ihr Smartphone starren. Mangelnder Fokus schadet uns überall – selbst beim Zuhören oder dem Lesen dieses Textes. Wie also können wir Fokus, Aufmerksamkeit und Konzentration steigern? Wie können wir Ablenkung reduzieren? Dazu gibt es zahlreiche wirksame Tipps. …
Autor: Diplompsychologe Professor Dr. Florian Becker
Wir werden alle paar Minuten von dem abgelenkt, was wir gerade tun: Handy, Fernseher, Social Media, E-Mails, Werbung. Das kostet uns viel. Jeden Tag verlieren wir Stunden mit Ablenkung. Unser Stresspegel steigt, wir machen mehr Fehler, brauchen länger. Wir vergessen das zu tun, was uns wichtig ist. Anstelle von Wachstum und Erfolg bleibt dann meist nur Erschöpfung. Wir leben in einem Zeitalter der permanenten Ablenkung, Fokus und Aufmerksamkeit ist zur seltenen Gabe geworden. Menschen mit dieser Gabe bestimmen ihr Leben selbst. Dagegen lassen sich Menschen ohne Konzentration von ihrer Umgebung bestimmen. Sie sind wie ein Blatt im Wind – der Wind entscheidet, wohin es geht. Anstatt dass sie proaktiv ihr Schicksal gestalten, geraten sie in einen rein reaktiven Modus. Reize von außen übernehmen dann die Kontrolle über ihr Leben.
In diesem Beitrag:
Konzentration vs. Ablenkung: die Herausforderung
Tatsächlich sind ungestörte Phasen der Konzentration für die meisten Menschen zum seltenen Luxus geworden. Ablenkung und Unterbrechung bestimmen unseren Alltag: Bei der Arbeit kommen ungeplant Kollegen, um Hilfe zu erbitten, uns etwas mitzuteilen oder einfach den Kontakt zu pflegen. Führungskräfte sprechen uns an mit neuen Aufgaben und Fragen. Der Drucker meldet einen Fehler und das Netzwerk streikt. Kunden melden sich, das E-mail Postfach quillt über und das Telefon klingelt. Dazu lockt unser Smartphone und verführt uns mit „suchtbildenden“ Inhalten. In der Freizeit ist es nicht viel besser. Der Paketboote klingelt mit Post für die Nachbarin, Bauarbeiter reißen die Straße auf und der Nachbar gegenüber wirft den Laubbläser an. Die Kids brauchen etwas für den Schulausflug und zerren an uns, während wir zu Hause etwas arbeiten. Im Hintergrund laufen Radio und Fernsehen, das Mobiltelefon liegt griffbereit. „Sieht so dein typischer Wochentag aus?“ Viele Menschen würden antworten: „Ja. Leider.“
Beispiele für typische Ablenkungen im Alltag sind:
- E-Mails (Jackson, Dawson und Wilson, 2003)
- persönliche Unterbrechungen (Face-to-Face) (Nees und Fortna, 2015)
- ungeplante Anrufe
- Störung der Ausrüstung (z.B. PC)
- verzögerte Abläufe (z.B. Verspätung anderer Menschen)
- ablenkende Reize (z.B. Lärm, Sichtbarkeit anderer Personen)
- Blick auf das Smartphone
- Sorgen, Grübeln und Ängste
Diese Beispiele verdeutlichen: Unser Alltag ist überflutet mit Reizen, die uns ablenken, unserer Konzentration schaden.
Fazit: Als Ergebnis von dauernden Unterbrechungen sind viele Menschen bei keiner Aufgabe mehr richtig „präsent“, sind mit ihrer Aufmerksamkeit mal hier und mal da – und erreichen am Ende sehr wenig. Moderne Arbeitskonzepte wie digitale Zusammenarbeit, offen gestaltete Büros mit zahlreichen Mitarbeitern in einem Raum und Teamarbeit fördern diese permanente Ablenkung noch weiter (Mark, 2015). Im Privatbereich fluten die digitalen Ablenkungen (Handy, Fernseher, PC…) unsere Aufmerksamkeit und stören die Konzentration auf wichtige Aufgaben, verhindern den Fokus auf unsere Lebensziele. Das zerstört die effektive Potenzialentfaltung von Menschen, ein Kernanliegen der Positiven Psychologie.
Konzentration als Modell: Forschung
Ist das Problem der Konzentration tatsächlich so groß, wie oben skizziert? Werden Menschen wirklich so massiv von unserem Leben abgelenkt? Der Schaukasten zeigt Forschungsergebnisse dazu, wie groß das Problem der Ablenkung für unsere Konzentration mittlerweile ist.
Ein paar Fakten zu Ablenkungen:
- Studien legen nahe, dass wir durchschnittlich mehr als zehn Mal pro Arbeitsstunde unterbrochen werden, also alle sechs Minuten (Wajcman und Rose, 2011).
- Arbeitnehmer der Wissensgesellschaft verlieren täglich über zwei Arbeitsstunden nur wegen Unterbrechungen und Ablenkung. Das ist mehr als ein Viertel der Arbeitszeit!
- Unterbrechungen kommen sowohl durch Störungen von außen (z.B. jemand ruft an oder spricht uns vor Ort an) als auch von innen (z.B. wir öffnen selbst ohne äußeren Anlass unser E-Mail Postfach während einer Arbeitsaufgabe oder blicken spontan auf das Smartphone).
- Für unsere Aufgaben brauchen wir nach einer Störung durch Konzentrationsverlust bis zu 25 Prozent länger und
- Fehler nehmen auf das Doppelte zu (Bailey und Konstan, 2006).
- Unterbrechungen der konzentrierten Arbeit verursachen Frustration, Demotivation und schließlich weniger Leistung (Beck, Scholer und Hughes, 2017).
- Auch negativer Stress steigt und das Konzentrationsvermögen schwindet. Unterbrechungen und Ablenkungen sind daher mittlerweile eine der häufigsten Quellen für negativen Stress am Arbeitsplatz (Lück et al., 2018).
- All das führt zu Erschöpfungszuständen (Lin, Kain und Fritz, 2013).
Die Abbildung zeigt die Zusammenhänge rund um unsere Konzentration als Modell: Ablenkungen von außen und von innen unterbrechen unsere konzentrierte Arbeit alle paar Minuten. Das führt im Schnitt zu einem direkten Verlust von etwa einem Viertel der Arbeitszeit. Doch damit nicht genug: Wir werden zusätzlich langsamer, weil wir uns nach einer Unterbrechung neu eindenken müssen. Und wir machen mehr Fehler, empfinden negativen Stress, Demotivation und Erschöpfung. Das alles zerstört unsere Leistung. Unsere Ergebnisse enttäuschen so, wir bleiben weit hinter unseren Möglichkeiten zurück.
Ablenkung führt also nicht nur zu einer direkten Verzögerung bei unserer Aufgabe. Sie beinträchtigen unsere Leistung viel nachhaltiger (Zickerick et al., 2021). Das liegt daran, dass wir uns nach der Unterbrechung wieder neu in die ursprüngliche Aufgabe „hereindenken“ müssen. Unsere Leistung leidet bei Unterbrechungen durch diese re-Fokussierung (Altmann, Trafton und Hambrick, 2014). Je anspruchsvoller unsere Aufgaben, desto schädlicher sind daher Unterbrechungen (Tan und Richardson, 2011) – eben, weil wir uns desto umfangreicher wieder in die Aufgaben eindenken müssen.
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von Diplompsychologe Prof. Dr. Florian Becker
Das alles sind keine guten Nachrichten für unsere „Wissensgesellschaft“ mit ihren zunehmend anspruchsvollen Tätigkeiten. Es besteht also unmittelbarer Handlungsbedarf, es gilt unsere Konzentration zu schützen, zu fördern und zu steigern. Und es gilt Ablenkungen zu reduzieren. Bevor wir auf die konkreten Maßnahmen dazu blicken, sind ein paar Begriffsdefinitionen wichtig.
Aufmerksamkeit und Konzentration: Definition
Was genau ist Aufmerksamkeit, was bedeutet Konzentration? Kommen wir zu den Definitionen.
Diese Definition von Aufmerksamkeit bezieht sich einerseits auf innere Gegebenheiten (z.B. Fisher, 1998), wie Schmerzen, Gedanken, Sorgen, Emotionen, Motive oder Müdigkeit. So können wir beispielsweise unsere Aufmerksamkeit auf unsere Atmung richten.
Andererseits beinhaltet Aufmerksamkeit so definiert auch äußere Gegebenheiten. In diesem Bereich können wir unsere Aufmerksamkeit beispielsweise gezielt auf die Körpersprache von Menschen in unserem Umfeld richten oder auf einen Text, an dem wir schreiben.
Beispiele für Aufmerksamkeit auf innere Gegebenheiten:
- Gedanken
- Emotionen
- Motive und Bedürfnisse
- Körperzustände (z.B. Schmerzen)
- eigenes Verhalten
Beispiele für Aufmerksamkeit auf äußere Gegebenheiten:
- Verhalten anderer Personen
- Merkmale unserer physischen Umgebung
- eine Lehrveranstaltung
- Text auf einer Website oder in einem Buch
- eine Arbeitsaufgabe
Je umfangreicher und höher unsere Aufmerksamkeit ist, desto höher ist unsere Konzentration. Konzentration ist somit definiert als Dauer und Umfang der Aufmerksamkeit auf eine Gegebenheit.
Ein weitgehendes Synonym für Konzentration ist der Begriff Fokus. Damit beschreiben wir, wenn jemand lange Zeit einen hohen Anteil seiner Aufmerksamkeit nur einer Sache zuweist – etwa einem Arbeitsprojekt. Das ist typisch für ein Flow-Erleben, auf das ein anderes Kapitel eingeht.
Kommen wir zur Definition von Ablenkung:
Eine Ablenkung führt also dazu, dass wir nicht mehr fokussiert sind. Einige Wissenschaftler grenzen auch Unterbrechungen und Ablenkungen voneinander ab (Relihan et al., 2010; Puranik, Koopman und Vough, 2020). Unterbrechungen zeigen sich dann durch ein Beenden der bisherigen Tätigkeit. Ablenkungen ziehen lediglich Aufmerksamkeit ab, die Tätigkeit läuft aber mehr oder weniger weiter. Tatsache ist jedoch, dass beides Aufmerksamkeit kostet und unserer Konzentration schadet.
Fazit: Aufmerksamkeit ist definiert als Filter unseres Bewusstseins. Wir weisen diese knappe und kostbare Ressource bestimmten Reizen zu – und ignorieren andere. Aber unsere Aufmerksamkeit ist auch von außen beeinflussbar, wir sind leicht ablenkbar. Tatsächlich herrscht ein regelrechter Wettbewerb von Reizen um unsere Aufmerksamkeit: Welches der vielen hundert Produkte im Supermarkt wird beachtet? Welche Werbebotschaft aus den unzähligen, die jeden Tag auf uns einprasseln, nehmen wir wahr? Auf welche Website in einer langen Liste mit Suchergebnissen klicken wir? Welche App öffnen wir – und welche nicht?
Vor lauter Ablenkung nehmen wir oft nicht mehr wahr, was wichtig ist und was nicht. Das kann auch ganze Unternehmen betreffen, wie folgendes Fallbeispiel zeigt.
Beispiel für Ablenkung: New Coke
Auch die Erfolgreichsten lassen sich ablenken, verlieren ihren Fokus. Aber sie schaffen es die Ablenkung abzustellen und zurück auf den Weg des Erfolges zu kommen. Ein Beispiel dafür ist die Geschichte von Coca-Cola und New Coke.
Ablenkung wird für moderne Menschen zunehmend zum Problem. Sie verhindert ein nachhaltiges und konzentriertes Beschäftigen mit wichtigen Themen, mit unserem Leben. Sie verhindert, dass wir überhaupt bemerken, was wichtig ist für uns. Ablenkung gefährdet daher unseren Erfolg in der modernen Welt. Sie bringt uns im wahrsten Sinne des Wortes von unserem Erfolgs-Kurs ab – nicht nur bei der Arbeit. Wie also können wir konzentriert und fokussiert bleiben?
Konzentration steigern: Tipps
Mit Ablenkung tauschen wir jedes Mal unsere wichtigen Ziele und Träume gegen wertlose Belanglosigkeiten ein. Ursachen für Ablenkung und mangelnde Konzentration können sowohl innerhalb der Person als auch in der Umgebung liegen. Wie also können wir unsere Konzentration fördern? Darauf hat die Positive Psychologie wirksame Antworten entwickelt. Das sind einfache und effektive Maßnahmen, die unsere Konzentration steigern:
1. Gesunder Schlaf
Insbesondere Schlafmangel zerstört die Konzentrationsfähigkeit (Krause et al., 2017). Gesunder Schlaf bedeutet irgendetwas von sechs bis acht Stunden täglich. Nicht darunter und nicht darüber. Gut ist ein bestimmter Rhythmus, an den sich unser Körper gewöhnen kann. Konkret bedeutet das: Wir steigern unsere Konzentration, wenn wir möglichst immer zu den gleichen Zeiten aufstehen und auch wieder ist Bett gehen. Auch ein kurzer Mittagsschlaf kann uns wieder volle Konzentration am Nachmittag geben.
2. Pausen
Niemand kann sich ewig auf eine Sache konzentrieren. Jeder Fernfahrer muss Pausen machen. Aus gutem Grund. Warum also sollten wir das nicht bei allem tun, was unsere Aufmerksamkeit erfordert? Damit sie unsere Konzentration steigern, ist auch wichtig, wie die Pausen aussehen. Nehmen wir uns wirklich Zeit zum Regenerieren – oder überfrachten wir unser Gehirn mit neuen Reizen, geistigem Fastfood, wie Nachrichten, Kurz-Videos und Social Media? Netflix und TikTok sind keine Pause! Und eine Pause kann durchaus länger sein als die meisten denken: Bill Gates legte selbst während seiner härtesten Zeit als Vorstand von Microsoft gelegentlich eine ganze „think week“ ein. Eine ganze Woche, um zu sich zu kommen, zu regenerieren und gründlich über sich und das Unternehmen nachzudenken.
3. Ausgewogene Ernährung
Das Gehirn braucht mehr Energie als jedes andere Organ des Körpers. Für kontinuierliche Versorgung und Steigerung der Konzentration sind komplexe Kohlenhydrate hilfreich, denn sie werden nur langsam verarbeitet. Sie finden sich etwa in Vollkornbrot, Naturreis, und Nüssen. Weniger hilfreich sind Weißmehl oder Zucker, da diese schnell wie ein Strohfeuer verpuffen, uns keine nahhaltige Energie für konzentriertes Arbeiten liefern.
4. Bewegung
Kurz gesagt: Regelmäßige Bewegung kann unsere Konzentration fördern (Caterino und Polak, 1999). Bewegung ist insgesamt eng mit psychischer Gesundheit verbunden (Belcher et al., 2021). Wenn wir uns regelmäßig sportlich betätigen, senken wir zusätzlich Angstzustände und verbessern unsere Stimmung. Es lohnt sich also in vielfältiger Hinsicht, wenn wir mehr Sport in unser Leben bringen.
5. Freiheit von Angst
Angst frisst Hirn. Wer Angst hat, kann sich nicht mehr auf andere Dinge konzentrieren (Hallion, Steinman und Kusmierski, 2018). Die Angst kommt immer wieder ins Bewusstsein und lenkt unser Denken, verdrängt die anderen Inhalte. Wer sich konzertieren will, der muss sich daher zuerst seinen Ängsten stellen und sich davon befreien.
6. Training der Konzentration
Ein Ansatz, mit dem wir Konzentration üben, ist immer nur eine Sache zu tun, wenn wir etwas tun. Wir sollten so selten wie möglich mehrere Dinge gleichzeitig tun, wenn wir Aufgaben erledigen. Beispielsweise ist es gut, nur zu essen – und nicht gleichzeitig zu Fernsehen oder das Smartphone in der Hand zu haben. Das geht bis dahin, dass wir viele Tätigkeiten als Meditation nutzen können. Meditation fördert Konzentration (Norris et al., 2018). Beispielsweise rechen Menschen in Japan stundenlang Kieselsteine – einfach zur Meditation. In China sieht man Menschen in Parks, die mit riesigen Pinseln stehend auf den Steinboden schreiben – mit Wasser, das dann schnell verdunstet. Anstatt eine Tätigkeit als lästige Notwendigkeit zu sehen, können wir sie immer auch als willkommene Gelegenheit zur Meditation auffassen. Auch Achtsamkeitsübungen sind hier hilfreich. Wir können dabei unsere Aufmerksamkeit entweder voll auf innere Vorgänge richten (beispielsweise, wie sich unser Körper fühlt) oder voll auf etwas äußeres achten – etwa eine Pflanze, die sich im Wind bewegt.
Eine erste und besondere Übung für Konzentration ist diese:
- Als erstes konzentrieren wir uns auf etwas sehr Nahes für ca. eine Minute – etwa unsere eigenen Hände. Während dieser Konzentration sollten wir an nichts anderes denken.
- Danach konzentrieren wir uns ebenso lange auf etwas mit mittlerer Entfernung – etwa eine Pflanze in unserem Zimmer.
- Schließlich konzentrieren wir uns auf etwas Entferntes – etwa einen Baum weit außerhalb unseres Fensters.
So konzentrieren wir uns und trainieren unser Gehirn gleichzeitig auf Ziele in unterschiedlicher Distanz zu achten. Das Gehirn kann diese Gewohnheit dann auch auf Ziele in unterschiedlicher zeitlicher Ferne übertragen. Das hilft uns insbesondere auf langfristige Visionen für unser Leben zu achten.
Eine zweite Übung konzentriert sich auf unseren Atem. Man nennt sie 4-7-8 Atemtechnik. Dafür suchen wir einen ruhigen Ort, setzen oder legen uns idealerweise hin.
- Unsere Zunge platzieren wir oben am Gaumen direkt hinter unseren Scheidezähnen.
- Wir atmen dann durch die Nase ein und zählen innerlich dabei langsam bis vier.
- Dann halten wir unseren Atem an und zählen dabei innerlich langsam bis sieben.
- Durch unsere leicht geschürzten Lippen atmen wir aus. Dabei kann ein leiser Zischlaut anstehen, man nennt das „Lippenbremse“. Hier zählen wir innerlich bis acht.
Das Ganze wiederholen wir nach Belieben, bis ein Zustand der inneren Ruhe eingetreten ist. Bald funktioniert es auch ohne das innerliche Zählen. Diese Übung ist gut geeignet uns ins Hier und Jetzt zu holen, das Denken einzustellen, uns nur auf den Körper zu konzentrieren. Auftretende Gedanken können wir beobachten und verschwinden lassen. Ideal ist ein Endzustand, in dem möglichst keine Gedanken mehr vorhanden sind, wir nur noch den Moment und unsere Atmung erleben.
7. Klare und attraktive Ziele
„Wer das Ziel kennt, der kann entscheiden.“ sagte Konfuzius. Zumindest lassen wir uns nicht so leicht ablenken, wenn wir ein klares und attraktives Ziel verfolgen. Unsere Aufgabe ist uns dann zu wichtig. Sie hat Priorität vor anderen Dingen, die dazwischen „funken“ könnten. Gut für unsere Konzentration ist auch, wenn wir möglichst wenige und dafür sehr klare Ziele haben, die nicht im Widerspruch zueinander stehen. Ansonsten bestehen Zielkonflikte und wir denken immer beim Verfolgen des einen Ziels an das andere, das wir auch verfolgen sollten. Das ist sonst wie bei einer sehr umfangreichen Speisekarte im Restaurant. Man denkt immer: „Hätte ich doch anders entschieden!“ Ein eigenes Kapitel zu Visionen und ein weiteres Kapitel zum wirksamen Formulieren und Erreichen von Zielen bieten dabei Unterstützung.
8. Nicht zu viel vornehmen
Entschleunigung ist mittlerweile zu Recht ein Modewort. Zeitdruck ist Gift für unsere Konzentration und fördert negativen Stress. Er führt dazu, dass wir, während wir noch die eine Aufgabe erledigen, gedanklich schon bei der nächsten Sache sind, die immer „dringender“ wird, ja uns vielleicht sogar aktiv bei der aktuellen Tätigkeit unterbricht. Es geht daher um eine vernünftige Planung, die auch berücksichtigt, dass die meisten Aufgaben 20 Prozent mehr Zeit erfordern, als wir zuerst denken. Es kommen immer wieder unvorhergesehene Ereignisse und Unterbrechungen von außen. Und auch Pausen gehören eingeplant!
9. Aufgaben herausfordernd gestalten
Nur bei Aufgaben, die uns fordern, können wir in den sogenannten Flow-Zustand eintreten (Csikszentmihalyi, 1975). Wir vergessen dabei alles andere und gehen voll in unserer Tätigkeit auf: voller Fokus. Es gibt dagegen wenig, was schneller zu Ablenkung führt als Unterforderung und Langweile. Nicht umsonst geschehen viele Autounfälle gerade dann, wenn es langweilig ist, wir abgelenkt sind. Um Konzentration zu steigern, sollten wir uns möglichst anspruchsvolle und abwechslungsreiche Aufgaben auszusuchen. Nicht immer ist das möglich. Dann ist es an uns, unsere Aufgaben im Tagesablauf so zu mischen, dass es nicht eintönig wird. Wir können beispielsweise eine Weile einen anspruchsvollen Text verfassen. Wenn die Konzentration nachlässt, dann können wir etwas Körperliches machen: beispielsweise Holz sägen oder Laub rechen oder Joggen.
10. Mono-Tasking
Multitasking von mehreren geistig anspruchsvollen Aufgaben ist schlecht (Madore und Wagner, 2019). Es bedeutet am Ende immer zwischen zwei Aufgaben schnell hin- und her zu wechseln. Die jeweils andere Aufgabe nimmt uns permanent geistige Ressourcen, wenn wir die eine Aufgabe gerade bearbeiten (Leroy, 2009). Und wir müssen uns permanent wieder neu in eine Tätigkeit hineindenken. Deshalb ist es für maximale Konzentration wichtig, eine Aufgabe nach der anderen abzuschließen, sequenziell zu arbeiten. Bedeutet: Es geht darum, unsere Aufgaben möglichst durchzuziehen, immer zu Ende zu bringen, niemals mit anderen anspruchsvollen Aufgaben zu mischen – und wenn, dann Aufgaben richtig zu unterbrechen.
11. Richtig Unterbrechen
Manche Aufgaben dauern so lange, dass man unterbrechen muss. Auch kann es vorkommen, dass es wirklich einen wichtigen Anlass zur Unterbrechung gibt. Dann ist für unsere Konzentration wichtig, richtig zu unterbrechen. Das geht so: Aufgaben haben immer logische Teilaufgaben. In diesem Text könnte das etwa das Fertigstellen eines Unterkapitels sein. Unterbrechungen zwischen zwei Teilaufgaben sind weniger schlimm (Bailey und Iqbal, 2008). So können wir mental besser abschalten und müssen uns nicht so aufwändig erneut eindenken, wenn wir die Aufgabe fortsetzen. Dagegen sollten wir uns niemals im Endspurt für eine Tätigkeit unterbrechen lassen (Freeman und Muraven, 2010).
12. Delegieren
Es gibt Aufgaben, die nicht zentral wichtig sind und uns doch mental belasten, indem wir oft daran denken, dass sie zu erledigen sind. Das raubt uns Konzentration bei den wirklich wichtigen Themen in unserem Leben. Typische Beispiele dafür sind die Umsatzsteuervoranmeldung oder das Putzen von Wohnung, Auto oder Haus. Solche Aufgaben sollten wir delegieren, so dass wir Zeit und mentale Energie für die wichtigen Themen haben. Der Steuerberater freut sich. Ihm macht Spaß, was uns belastet.
Die genannten Punkte fördern die Konzentrationsfähigkeit und machen uns robuster gegenüber Ablenkungen und Störungen. Zusätzlich gilt es störende und ablenkende Umwelteinflüsse zu minimieren. So schützen wir unsere Konzentration doppelt.
Ablenkung reduzieren
Jeder Mensch ist anders, hat andere Schwächen, lässt sich durch Unterschiedliches ablenken. Während die eine Person sich permanent im Small-Talk mit Kollegen verliert, eine zweite Social Media scrollt, checkt die dritte zwanghaft E-Mails oder Aktienkurse. Dennoch gibt es einige generelle Maßnahmen, mit denen viele Menschen erfolgreich Ablenkung reduzieren:
- Bitte nicht stören! Moderne Unternehmenskulturen fördern oft eine „open door policy“. Die Bürotür soll nach diesem Denken offen sein, um Erreichbarkeit und Transparenz zu signalisieren. Das mag Vorteile haben, hat aber definitiv Nachteile, wenn wir uns konzentrieren wollen. Permanente Erreichbarkeit ist hier nicht opportun. Die Türe kann durchaus in bestimmten Phasen offen sein. Es sollte jedoch sowohl im Büro als auch zu Hause Arbeitsphasen geben, in denen die Türe zu ist. Das Schild „Bitte nicht stören!“ ist also definitiv nicht nur für ein Hotelzimmer gut. Es schützt unsere wertvolle Fokus-Zeit. Sinnvoll kann zudem ein möglichst ruhiger Rückzugsraum sein, in dem wir frei von Lärm und Unterbrechungen unsere Aufgaben umsetzen. Gerade erfolgreiche Menschen sind beruflich oft sehr beansprucht, kommen wenig zum ungestörten Denken. Eine radikale Maßnahme kann hier sein, sich gelegentlich eine ganze Woche zum Nachdenken frei zu räumen, eine „Think-Week“.
- Unterbrechungen konsequent beenden. Die Länge zählt. Das gilt zumindest, wenn wir Ablenkungen reduzieren wollen. Je länger die Unterbrechung ist, desto verheerender sind ihre Konsequenzen (Monk und Kidd, 2008). Tritt also trotz aller Maßnahmen eine Unterbrechung ein, sollten wir sie maximal schnell beenden, nicht an uns heranlassen. Soziale Interaktion kann man auf feste Zeitfenster legen und entsprechend reagieren: „Ich arbeite gerade an etwas sehr Komplexem. Schreib mir bitte eine Erinnerungsmail, ich melde mich.“ Es sollte uns gelingen, unser soziales Umfeld wertschätzend, aber klar in der Sache zu sensibilisieren – möglichst ohne als absolut unfreundlich zu wirken.
- Ordnung und Minimalismus. Jeder Platz, an dem fokussierte Arbeit notwendig ist, sollte absolut ordentlich und ablenkungsfrei sein. Das gilt z.B. für den Schreibtisch ebenso wie für den Computer. Ein bis auf das aktuell nötige Arbeitsmaterial freier Schreibtisch ist perfekt. Blick vom Arbeitsplatz auf eine belebte Fußgängerzone? Ist nett – aber schlecht für die Konzentration. Es muss nicht die blanke weiße Wand sein – doch geringe Reize und wenig Action im Blickfeld sind Pflicht.
- Fernseher und Computerspiele verbannen. Manche Menschen packen ihre Spiele-Apps in einen extra passwortgeschützten Ordner und ihren Fernseher in einen Schrank. Vielleicht legt man sich einen zweiten Nutzer am PC an, zum Zocken. Noch wirksamer als solche Barrieren ist, wenn wir erst einmal gar keine Spiele auf dem Arbeitsgerät haben und den Fernseher im Haushalt komplett abschaffen. Wer hat gesagt, dass Konzentration zum Nulltarif kommt? Alles hat seinen Preis.
- Mobiltelefon regeln. Damit wir Ablenkung reduzieren, ist unser Smartphone am besten aus und liegt auf jeden Fall außer Sichtweite. Liegt es in Sichtweite, dann wird seine Existenz permanent vom Gehirn wahrgenommen. Das senkt unsere Konzentration, lenkt ab. Tipp: Anstatt das Mobiltelefon manchmal auszuschalten können wir es auch manchmal einschalten. Wichtige Anrufe hinterlassen eine Nachricht. Und unter uns: Wer immer erreichbar ist, der hat nichts wirklich Wichtiges, an dem er arbeitet. Oder?
- Nachrichten deaktivieren. Bimm, eine E-Mail ist angekommen. Piep, eine SMS ist da. Solche Unterbrechungen sind Gift für die Konzentration. Daher gilt es alle Signaltöne und Anzeigen auf dem Sperrbildschirm möglichst zu deaktivieren. Diese Reize von außen holen uns aus unseren wichtigen Aktivitäten und sagen „Ich bin wichtig, kümmere dich jetzt um mich!“. Also: Überlassen wir solche Signale den Menschen, die nichts Besseres mit ihrer Lebenszeit zu tun wissen.
- Feste Zeiten für E-Mails. E-Mails und Messenger-Nachrichten sind eine Hauptquelle für Störung. Die Lösung sind feste Zeiten für E-Mails. Das Postfach wird nur zu diesen Zeiten geöffnet, ansonsten bleibt es zu. Was ist ein guter Zeitpunkt für E-Mails? Wenn anspruchsvolle Aufgaben abgeschlossen sind und die Konzentrationsfähigkeit ohnehin niedrig ist. Das ist beispielsweise bei den meisten Menschen einmal am Tag kurz vor Feierabend der Fall. In einem nächsten Schritt geht es dann darum, dass wir nur noch an bestimmten Tagen zu bestimmten Zeitfenstern E-Mails bearbeiten.
- Kultur der Rücksicht aufbauen. Wir selbst sollten angesichts der verheerenden Konsequenzen von Ablenkung und Störungen auch sehr behutsam sein, ob wir vielleicht anderen Menschen stören und unterbrechen. Wir sollten unser soziales Umfeld zu Hause und am Arbeitsplatz für die Thematik sensibilisieren und gemeinsam eine Kultur der Rücksicht aufbauen, um Ablenkung zu reduzieren.
Jeder Mensch ist also anders: verschiedene Dinge stören unsere jeweilige Konzentration, lenken uns ab. Diese Liste dient idealerweise als Inspirationsquelle und Einladung zum Experimentieren. Es geht nicht darum, alle Punkte zwanghaft umzusetzen. Es geht darum, dass wir die für uns wesentlichsten und häufigsten Störungen und Ablenkungen beseitigen.
Fazit: Die Auflistung macht klar, es liegt in unserer eigenen Hand, wie oft wir uns unterbrechen (lassen). Tatsächlich fällt es beispielsweise gewissenhaften Menschen leichter, wenn sie an etwas arbeiten, nicht permanent ihre E-Mails zu checken und zu beantworten (Russell, Woods und Banks, 2017). Bedeutet: Unsere Persönlichkeit macht den Unterschied. Wer Ablenkung reduzieren will, der braucht Disziplin und den Willen, die hier genannten Regeln konsequent anzuwenden. Alle anderen, die sich nicht im Griff haben, werden sich weiterhin permanent ablenken – sich von ihrem Weg abbringen lassen und ihre Träume und Lebensziele gegen bedeutungslose Ablenkungen eintauschen.
Weiter geht es mit einer Frage an den Autor: Wie gelingt uns der Einstieg in mehr Konzentration im Leben?
Fokus und Konzentration erfordern Disziplin. Und sie sind selbst eine wichtige Grundlage, damit wir diszipliniert unsere Ziele erreichen können. Das nächste Kapitel vertieft daher das Thema Selbstdisziplin.