Das Themengebiet Frauen und Führungspositionen ist politisch und ideologisch durchsetzt wie kaum ein anderes. Die Tatsache, dass Frauen seltender Führungspositionen bekleiden als Männer, führt daher regelmäßig zu Einschätzungen, Äußerungen und Entscheidungen die geprägt sind von Empörung, mangelnder Sachkenntnis, ideologischer Überzeugung und vorschnellen Schlüssen. Häufig ist die vorherrschende Reaktion: Das müsse ja dann an Diskriminierung liegen.
Hier soll etwas differenzierter auf Erklärungsansätze geblickt werden. Warum sind Frauen in Führungspositionen umso seltener vertreten, je weiter man in den Hierarchien der Unternehmen nach oben wandert?
Obgleich überzeugende Einzelfallschilderungen vorliegen, kann Diskriminierung schon lange als quantitativ bedeutsame Hauptursache für mangelnde Repräsentanz in den Führungsgremien angezweifelt werden (vgl. z.B. Friedel-Howe, 1990).
Ein ganz zentraler Grund sind bereits die Bildungsinteressen und damit die Wahl der Studienfächer. Frauen interessieren sich wenig für Studiengänge der Mathematik, Informatik, Technik und Naturwissenschaften (MINT), hier war der Frauenanteil bei den Absolventen 2008 erst bei 32 Prozent (Statistisches Bundesamt, 2011). Mit Studiengängen der Sprach- und Sozialwissenschaften eröffnen sich aber weniger Karrieremöglichkeiten im Topmanagement der Wirtschaft. Gerade in Deutschland ist die Wirtschaft aber sehr technologie- und produktionsorientiert. Die großen Konzerne und kleineren Mittelständler bieten vor allem Karrierechancen für die MINT-Absolventen.
Daneben spielt der Einstieg von Frauen bei großen Unternehmen in der Vergangenheit eine Rolle. So sollte auch bedacht werden, dass eine Position im Vostand eines großen Unternehmens nicht sofort nach Eintritt in die Berufslaufbahn erfolgt, sondern meist Jahrzehnte an Arbeit voraussetzt. Damals waren aber weniger Frauen zu einem beruflichen Einstieg bei großen Konzernen bereit als heute. So hat der Frauenanteil der Studiumsabsolventen 2009 erst die Parität mit 51 Prozent geknackt (Statistisches Bundesamt, 2011) und auch die Beteiligung am Arbeitsmarkt war bei vorausgehenden Frauenkohorten geringer.
Ein weiterer wesentlicher Grund ist das unterschiedliche Anspruchsniveau: Frauen sind obgleich niedrigerer Bezahlung insgesamt zufriedener mit ihrer Arbeit und haben eine stärkere Bindung an die Unternehmen. Karriere durch Aufstieg in Führungspositionen entsteht aber meist durch Wechsel. Diese bescheidenen Erwartungen und die mangelnde Wechselbereitschaft fördern die Karriere nicht und beeinträchtigen auch den Erfolg bei Gehaltsverhandlungen.
Verstärkte Rollenkonflikte sind ebenfalls eine Ursache.
Der Konflikt zwischen Rollen wie Mutter und Karrierefrau ist wesentlich stärker als bei Männern ausgeprägt. Karrierefrauen sind meist kinderlos, Karrieremänner haben Kinder.
Damit hängt auch zusammen, dass Frauen ihre Partner seit hunderttausenden von Jahren danach auswählen, wie viel Ressourcen und Status diese haben. So korreliert die Attraktivität einer Frau deutlich mit dem Status eines Mannes. Für Männer ist der Status einer Frau dagegen bestenfalls neutral.
Diese stärkere Orientierung der Frauen an Finanzen und am Status eines Mannes zeigt sich in allen untersuchten Kulturen weltweit, was für eine biologische Wurzel spricht (z.B. Buss & Schmidt, 1993).
Für Männer “lohnt” es sich also auch biologisch sich in statusträchtige Führungspositionen hoch zu arbeiten, da sie damit auch attraktivere Frauen gewinnen und binden können.
Für Frauen bedeutet eine hohe Führungsposition dagegen häufig ein massives “biologisches Opfer”, nämlich das Ausscheiden aus der Evolution.
So sind weibliche Führungskräfte häufiger alleine oder alleinerziehend als männliche Pendants (Statistisches Bundesamt, 2010). Auch sind weibliche Führungskräfte wesentlich seltener Eltern (24% im Jahr 2007) als männliche Führungskräfte (34% im Jahr 2007) und haben dann auch wesentlich seltener mehrere Kinder (9% vs. 19% bei Männern im Jahr 2007).
Einmal ist Schwangerschaft und die Fehlzeit nicht ganz so einfach mit der Karriere zu vereinen.
Der Hauptgrund ist aber ein anderer, bislang kaum diskutierter:
Frauen, die Karriere machen, lösen sich deswegen noch lange nicht von dem Grundsatz “Women marry up!”.
Internationale Studien zeigen: Je höher der Status einer Frau, desto höher nochmal ihre Anforderungen an den Partner.
Etwas platt ausgedrückt: Eine Frau im Vorstand will also im Durchschnitt nur einen Vorstandsvorsitzenden eines noch größeren Konzerns akzeptieren.
Diese Männer suchen sich aber andere Frauen.
Dieser psychologische Hintergrund macht glückliche Partnerschaft und Kinder für Karrierefrauen sehr schwer.
Nicht zu unterschätzen ist auch das Stereotyp der Führungskraft.
Das Stereotyp der guten Führungskraft ist männlich: Dominant, entscheidungsfreudig, unemotional, groß etc.
Entsprechend werden Führungskräfte gesucht und ausgewählt. So korreliert beispielsweise die Körpergröße auch bei Männern deutlich mit der Hierarchie.
Kleine Männer sind in Führungsebenen unterrepräsentiert.
Konsequenz für Frauen: Nur selten passen sie in dieses männliche Suchschema. Zudem überlappt das Stereotyp nur sehr gering mit der eigenen Idealvorstellung von Weiblichkeit und ist daher als Identifikationsplattform für Frauen wenig zu gebrauchen.
Sozialisation: Frauen hatten lange Zeit wenige weibliche Rollenmodelle für Führungskräfte. Entsprechend orientierten Sie sich an anderen Rollen in ihrem sozialen Umfeld.
Durch gezielte Platzierung von aktiven, dynamischen und dominanten weiblichen Rollenmodellen in Fernsehserien und zunehmend präsente erfolgreiche Frauen in den Medien (z.B. Bundeskanzlerin, Ministerinnen) ist dieser “Mangel” mittlerweile beseitigt. Ob sich die jungen Frauen an den angebotenen Modellen orientieren, ist jedoch wieder eine andere Frage.
Diese Auflistung macht deutlich, dass Diskriminierung allenfalls ein kleiner Teilaspekt zur Erklärung eines multikausalen Phänomens ist.
Einige der genannten Aspekte können verändert werden, was auch schon statt findet.
Diskriminierung ist durch Gesetzgebung und Wertewandel kaum mehr Akzeptiert und stark zurückgedrängt.
So versucht man die Sozialisation zu verändern und neue Rollenmodelle in Medien und Gesellschaft anzubieten.
Auch die Bildungsinteressen versucht man systematisch zu beeinflussen.
So gibt es spezielle Akquise- und Informationstage für Frauen an technisch orientierten Hochschulen und politische Zielvorgaben für Frauenquoten in Studiengängen für einzelne Hochschulen.
Andere Aspekte lassen sich sicherlich schwer verändern. Sie betreffen international stark verankerte Muster mit oftmals zumindest teilweiser biologischer Grundlage.
Das betrifft angeborene Geschlechtsunterschiede bei Interessen und Partnerwahlverhalten sowie den Rollenkonflikt.
Auch das Stereotyp der Führungskraft ist kulturell extrem stark verwurzelt und oftmals nicht bewusst im impliziten Bereich der Einstellungen verankert.
Nichts desto trotz sei erwähnt, dass der Anteil von Frauen in Führungspositionen nicht nur in der öffentlichen Verwaltung, sondern auch im privaten Sektor stetig zu nimmt.
Die Berufstätigkeit und Karriereorientierung von Frauen hat nicht nur demografische Auswirkungen, sondern auch starke Auswirkungen auf die Haushalte als Lebensform.
Die Entwicklung der Haushalte stellt das nächste Kapitel vor.