5. Stichproben und Repräsentativität

Ziel von Stichproben ist es, Aussagen über die Grundgesamtheit treffen zu können. Da in der Praxis nicht die Möglichkeit besteht, bei sehr großen Grundgesamtheiten eine Vollerhebung durchzuführen oder auch nur annähernd große Teilerhebungen, muss anhand statistischer Kennzahlen eine Schätzung vorgenommen werden, um von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit schließen zu können. Man kann daher nur eine bestimmte Wahrscheinlichkeit angeben, mit der die gemessenen Merkmale der Stichprobe auch auf die Grundgesamtheit übertragbar sind. Der so genannte statistische Repräsentationsschluss besagt also, dass man tatsächlich von der Verteilung bestimmter Merkmale in einer Stichprobe (mit bekannter Zusammensetzung) auf die Verteilung derer in der Grundgesamtheit (mit bislang unbekannter Zusammensetzung) schließen kann. Dies funktioniert jedoch nur bei korrekter Ziehung nach dem Zufallsprinzip, was in der Praxis meist nur annähernd möglich ist.

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Abbildung: Repräsentativität

 

Wie kann sichergestellt werden, dass die Ergebnisse der Stichprobe auf die Grundgesamtheit übertragbar sind? Dieser Frage widmet sich das Konzept der Repräsentativität.

Was genau bedeutet dieser Begriff?

Axel Glemser – Head of Sampling, TNS Infratest

Repräsentativität ist ein äußerst schillernder Begriff, fast so schillernd, dass man ihn lieber vermeiden sollte. Manchmal wird gesagt es hängt nur an der Fallzahl – ich hab da eine andere Meinung – Repräsentativ bedeutet, mit meiner Stichprobe verallgemeinerbare Aussagen treffen zu können. Die Frage ist dann, wie erreiche ich das? Es gibt keine richtige Definition, aber drei relevante Punkte: Die Definition der Grundgesamtheit, die Verwendung eines Zufallsverfahrens und die Verwendung einer adäquaten Auswahlgrundlage. Und da wird es dann in der Praxis oftmals schwierig. Wenn man eine telefonische Untersuchung anbieten möchte, kann man nicht einfach aus dem Telefonbuch Nummern ziehen, da eine Menge Haushalte nicht eingetragen sind. Das wäre z.B. keine adäquate Auswahlgrundlage.“

 

Die Repräsentativität ist eine Frage der Strukturgleichheit zwischen Stichprobe und Grundgesamtheit. Eine typische Definition von Repräsentativität ist folgende (vgl. Berekoven, Eckert & Ellenrieder, 2006, S. 51): „Eine Teilmasse ist repräsentativ, wenn sie in der Verteilung aller untersuchungsrelevanten Merkmale der Grundgesamtheit entspricht, d.h. ein zwar verkleinertes aber sonst wirklichkeitsgetreues Abbild der Gesamtheit darstellt.“ Bestimmte Auswahlverfahren entsprechen diesem Ideal zwar nicht, erlauben in der Praxis aber dennoch Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit. Die Herausforderung für den Marktforscher besteht dann darin, die Auswahl der Stichprobe so zu treffen, dass die Bedingungen bestmöglich erfüllt werden.

Bei nicht strukturgleichen Stichproben ist es unter der Voraussetzung, dass die Struktur der Population (z.B. 50% Männer und 50% Frauen) bekannt ist, dennoch möglich, repräsentative Schlüsse über die Grundgesamtheit zu ziehen. Dies kann durch die sogenannte Gewichtung von einzelnen Elementen der Stichprobe erzielt werden. Sind beispielsweise weniger Frauen in einer Stichprobe enthalten, als in der Grundgesamtheit, können durch eine entsprechende Gewichtung die Antworten der Frauen mehr zählen. Dadurch kann dennoch auf die Grundgesamtheit geschlossen werden.

Durch die Gewichtung der Datensätze erhält man ein repräsentativeres Ergebnis. Aber es bestehen auch Gefahren, da es passieren kann, dass wenige Zielpersonen, die sich sehr stark von der Norm ihrer zugehörigen Gruppe unterscheiden, eine stärkere Gewichtung bekommen und so das Gesamtergebnis verfälschen.

Barbara von Corvin – Projektleiterin, H,T,P Concept
„Ein klassischer Fall für Gewichtungsprobleme sind Männer zwischen 30 und 40. Die kann man oft gar nicht erreichen, wenn man Interviews zwischen 9:00 und 18:00 Uhr durchführt. Die arbeiten, Frauen natürlich oft auch. Ob bei Telefonbefragungen oder Face-to-Face-Befragungen: Die können dann nicht zu den Terminen kommen, oder sind einfach nicht erreichbar. Also hat man hat tatsächlich eine Stichprobe, wo eigentlich Frauen ab 50-60 Jahren deutlich überwiegen. Die wenigen erreichten Männer, die sich oft noch systematisch von den nicht erreichten unterscheiden, werden dann oft sehr hoch gewichtet. Im Extrem könnten dann 3 Männer für 30 sprechen. Das ist dann halt einfach nicht wirklich das, was man haben will.“

 

 

Welche Rolle spielt der Stichprobenumfang für die Repräsentativität?

Die Sicherheit der Aussage über die Zusammensetzung der Grundgesamtheit nimmt zu, je größer die Stichprobe wird. Um nun etwa einen Stichproben-Fehler von fünf Prozent zu halbieren, müsste man jedoch den Umfang der Stichprobe nicht nur verdoppeln, sondern vervierfachen. Die Genauigkeit der Messungen wächst also  langsamer als der Umfang der Stichprobe.

 

Das nächste Kapitel behandelt Repräsentativität im Spannungsfeld zur Praxis.