Die Funktionalität der Mobilfunkgeräte wird immer vielseitiger. Neben der digitalen Fotografie, den Organizer-Funktionen, den Unterhaltungsmedien wie MP3-Player, Radio und Spielen, tritt die originäre Nutzung der Handys, also der so genannten Voice-Funktion, dem simplen Telefonieren, in den Hintergrund. Auf dem Markt dominieren bereits Multifunktionsgeräte, auch Smart-Phones genannt, bei denen der integrierte Internetzugang nur eine Funktion von vielen ist. Momentan spielt dieses Feature aber bei der Nutzung noch keine große Rolle. Vor dem Hintergrund der Investitionen in das UMTS-Netz und der damit verbundenen Qualitätssteigerung der Netzwerktechnologie, könnte sich dies jedoch bald ändern.
Abbildung: Mobile Befragung
Die Entwicklung kann verglichen werden mit der Verbreitung des Internets Ende der 90er Jahre. Vergleichbar mit den Anfängen des World Wide Web erinnert das mobile Web heutzutage noch immer an die sehr beschränkten Möglichkeiten von damals. Hohe Kosten, geringe Durchsatzraten und bisher nur wenige interessante Dienste seitens der Mobilfunkprovider charakterisieren derzeit das Mobile Web in Deutschland und anderen Ländern.
Doch ein Wandel steht bevor. Viele Plattformen aus dem Web 2.0 verlagern ihre Angebote in das mobile Web und begünstigen somit dessen Entwicklung. In Deutschland befindet sich diese Entwicklung im Vergleich zu Japan, Korea oder Skandinavien noch immer in den Kinderschuhen.
Zu erkennen ist jedoch ein eindeutiger Trend: Die Anzahl der Nutzer des Mobile Web wächst kontinuierlich. Gemeint ist hier nicht das Surfen im Internet mit Laptop und W-LAN, sondern der Zugang zum Internet mit mobilen Endgeräten, wie etwa dem Handy. Zu den beliebtesten Anwendungen derzeit gehören das Abrufen und Erstellen von E-Mails, die Nutzung von Suchfunktionen und Nachrichten, des Routenplaners und des Wetterberichts sowie von Musik-Downloads. Social Networks und Communities werden bislang auf diesem Weg kaum genutzt. Die User unterscheiden sich bezüglich des Geschlechts stark. Wie auch zunächst im Internet sind männliche Nutzer klar überrepräsentiert.
Mobile Befragungen werden ohne Zweifel zukünftig eine Rolle spielen. Noch ist die Haltung in der Praxis aber abwartend.
Gerhild Abler – Sector Head Travel, Transport and Tourism, TNS Infratest |
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„Ja, das ist ein Thema, sogar eines mit gewissem Appeal, wegen der Neuigkeit. Es ist nur nicht besonders praktikabel. Restriktionen, was die Übersichtlichkeit des Displays anbelangt. Ich habe da natürlich bei weitem nicht die Komplexität an Information, die ich haben will. … Ein bisschen was wird da schon noch laufen, aber es wird nicht so schnell das Mega-Thema in Zukunft.“ |
Es können vier Arten der Befragung per Handy unterschieden werden: Die einfache telefonische Befragung mit dem Mobilfunkgerät als Kommunikationsmedium, eine schriftlichen Befragung per SMS oder MMS und eine so genannten Mobile Web Survey:
- Telefonische Befragungen über das Mobilfunkgerät ähneln in der Durchführung einem CATI-Verfahren.
- SMS-Befragungen erzielen nur sehr niedrige Rücklauf-Raten und umso höhere Abbruchquoten. Die Reaktionszeit ist jedoch geringer als bei Online-Befragungen. Jedoch sind das größte Problem die noch hohen Kosten, die für jede einzelne SMS anfallen. Als alleinige Erhebungsmethode wird sich nach Meinung der Untersuchungsleiter die SMS-Befragung wenig durchsetzen, jedoch hat sie das Potenzial, als ergänzende Methode zu fungieren.
- MMS-Erhebungen sind eher den qualitativen Verfahren zuzuordnen. Auf diese Weise kann man die Testperson etwa ihren Tagesablauf per Fotos dokumentieren lassen, Produkte im Supermarkt ablichten oder Bilder von ihren Freunden, Lieblingsklamotten oder ihrer Wohnung zuschicken lassen. IconKids & Youth beispielsweise wendet diese Methode bei Jugendlichen an, um deren Umgebung und Vorlieben zu erkunden.
- Mobile Web Surveys stellen eine Art der standardisierten Befragung mittels mobiler, internetfähiger Endgeräte dar. Der Fragebogenwird mittels Internet auf dem Mobiltelefon so konstruiert und eingebaut, dass er speziell auf das kleinere Display des Handys oder Smart-Phones abgestimmt ist.
Barbara von Corvin – Projektleiterin, H,T,P Concept |
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„Das ist schon etwas was wir auch nutzen. Erst kürzlich haben wir einen Blog gemacht zum Thema Snacking. Da sollten die Leute immer, wenn sie gerade Lust hatten auf einen Snack, egal wo, zum Beispiel an einer Bushaltestelle, eine SMS schicken, dass sie jetzt gerade Lust auf eine Snack haben und in welcher Situation sie sich gerade befinden.” |
Diese Formen der Befragung eröffnen neue Möglichkeiten.
Gerade schwer erreichbare Zielgruppen, wie Kinder können so gut erreicht werden.
Christian Clausnitzer – Senior Projektleiter, IconKids & Youth |
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“Bei Marktforschung mit Kindern können mobile Befragungen sinnvoll sein, denn gerade für diese Zielgruppe sind Mobiltelefone ja sehr wichtig und fast jeder hat eines und ist fast nur so zu erreichen.
Wir haben eine Studie gemacht. Die Kinder wurden dafür mit Geräten ausgestattet und in ihren Alltag entlassen. Wir haben sie dann jede halbe Stunde kontaktiert und gefragt, was sie gerade machen. So wollten wir genau deren Tagesablauf festhalten. „Wo bist du gerade? Was machst du gerade? Bist du mit Freunden unterwegs? Wie fühlst du dich? …“
Aber es kommt sehr stark auf die Fragestellung an, ob mobile Befragungen sinnvoll sind. Und wenn die es einfach nicht hergibt, machen wir das auch nicht. … Es ist eine gute Chance die Zielgruppe zu erreichen, aber ich könnte jetzt keine Produktkonzepttests machen. Das könnte ich über diese Erhebungsmethode noch nicht tun, vielleicht später mal. … Wir werden sehen.” |
Es ergeben sich dadurch aber auch ganz neue Probleme, z.B. in Form von ethischer Vertretbarkeit und Kundenakzeptanz.
Barbara von Corvin – Projektleiterin, H,T,P Concept |
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„Wenn man an einer Apotheke vorbeigeht und dann etwa per UMTS eine SMS bekommt: „Wie findest du dieses Schaufenster?“, da sehe ich keine Zukunft. Das geht zu sehr in Richtung Eingriff in die Privatsphäre. Die potenziellen Teilnehmer werden belästigt. Das finde ich dann auch ethisch nicht mehr vertretbar. Da müssten die Personen schon vorher rekrutiert worden sein und sich bereiterklärt haben, daran teilzunehmen. Sie müssten also dann schon entsprechend gebrieft worden sein.“ |
Das Vorgehen sieht meist folgendermaßen aus: Befragte werden für eine Teilerhebung ausgewählt, indem die in der traditionellen telefonischen Befragung im Festnetz etablierte Random-Digit-Dialing-Stichprobenverfahren (RDD) weiterentwickelt und nun analog für Mobilfunknetze angewandt werden können. Die so erreichten Personen werden dann entweder mündlich befragt oder erhalten eine Einladung zu der Befragung auf das mobile Endgerät. Entweder mittels einer SMS oder MMS, in denen ein Link (URL) zum Fragebogen eingebaut ist. Durch Klicken auf diese URL gelangen die Zielpersonen zur Befragung. Den Zeitpunkt dafür können sie selbst bestimmen.
Es bestehen bestimmte Vor- und Nachteile im methodische Bereich bei mobilen Befragungen:
Einige Personen besitzen keine Handys, nicht wenige haben sie ausgeschaltet oder die Telefone sind nicht internetfähig. Diese unzureichende Abdeckung der Bevölkerung führt zu einem nicht unerheblichen Coverage Error.
Die Verbreitung von internetfähigen Handys und SmartPhones ist bisher noch relativ gering. Daher ist eine annähernd vollständige Abdeckung der Bevölkerung momentan und in absehbarer Zukunft nicht möglich. Somit stellt dieses Problem den größten Nachteil dieser Befragungsmethode dar. Es ist jedoch möglich, wie auch im regulären Internet vor wenigen Jahren, themenbezogen genau die gewollte Zielgruppe der Nutzer zu befragen. Vor allem, was die Werbewirkungsforschung im Sinne von Werbung über das Handy (so genanntes m-commerce) betrifft, ist die Zielgruppe der Mobile Web Nutzer die beste Wahl, um Validität der Studie zu gewährleisten. Haupt-Nutzer des mobilen Internets sind technikaffine junge, gut gebildete Männer, sowie Geschäftsleute und Personen mit vergleichsweise hohem Einkommen.
Treten bei der Stichprobenerhebung selbst Probleme auf, besteht ein Sampling Error.
Für die Ziehung von Mobilfunkstichproben gibt es bislang noch keine allgemein gültigen Standards. Ansätze sind, wie schon oben genannt das Random-Digit-Dialing-Stichprobenverfahren analog zum Festnetz. Hier kann sogar ein Vorteil gesehen werden, denn die Klumpenbildung wird durch Ziehung im Mobilfunknetz und die räumliche Streuung der Rezipienten deutlich reduziert. Auch werden Mobilfunkgeräte innerhalb eines Haushaltes oder zwischen Familien oder Freundeskreisen kaum ausgetauscht, so dass die Auswahl der Zielperson zusätzlich erleichtert wird. Hier sind mobile Befragungen klassischen Festnetzbefragungen durchaus überlegen.
Andererseits ist die Identifizierung eines internetfähigen Handys rein über die Mobilfunknummer nicht möglich. Ebenso die Unterscheidung von Geschäfts- und Privat-Telefonen. Die Unterscheidung von Non-Response und neutralen Ausfällen wird dadurch erschwert.
Eine Verknüpfung von mobilen Befragungen mit anderen Erhebungsmöglichkeiten kann helfen, den Non-Response Error zu verringern.
Da die Zielpersonen auf unterschiedliche Weise rekrutiert werden können, ohne den Befragungsmodus Handy zu verlassen, kann man auch schwer erreichbare Personen für eine Umfrage gewinnen. Das bedeutet, dass durch Einladungen per SMS, MMS oder Anruf auf dem Mobilfunkgerät verringerte Noncontact- und Verweigerungsraten möglich sein können.
Ein Mix von verschiedenen Modi, etwa die zusätzliche Einladung per e-mail und Post kann den Aufmerksamkeitswert einer Studie steigern und so helfen, einen Teil der Kosten für Nachfassaktionen einzusparen. Direkte Anrufe in das Mobilfunknetz sind hingegen momentan meist noch sehr teuer und zudem wegen des Eindringens in die Privatsphäre unerwünscht. Ebenso ist das Versenden von MMS noch sehr kostenintensiv.
Ein weiterer Nachteil ist, dass Einladungen per e-mail oder SMS und MMS relativ leicht und schnell gelöscht werden. Der nachhaltige Aufforderungscharakter ist daher relativ gering.
Auch im Bereich der Datenmessung an sich bestehen Herausforderungen (Measurement Error).
Eine Vielzahl von technischen Restriktionen beeinflusst die Messung möglicherweise negativ. Angefangen von der sehr kleinen Display-Größe, an der sich der Fragebogen orientieren muss, bis hin zu der unpraktischen Eingabe über die Zehn-Ziffer-Tastatur im Vergleich zur QWERT-Tastatur bei einer Online-Umfrage am PC. Es kommen aufgrund dieser Einschränkungen daher nur weniger komplexe Fragen für eine Darstellung auf dem Handy-Display in Frage.
Fazit und Ausblick: Wie die angesprochenen Herausforderungen zeigen, ist die Mobile Web Survey noch mit einer Reihe von Restriktionen verbunden. Zudem ist dieser neue Befragungsmodus noch sehr wenig erforscht, so dass über die Möglichkeiten und Fehlerquellen oft nur anhand von Plausibilität spekuliert werden kann. Darüber hinaus kann von Ergebnissen und Befunden verwandter Umfrage-Methoden und –Modi geschlossen werden. Eine Etablierung des mobilen Internets kann man wohl erst in 2 bis 5 Jahren erwarten. In diesem Zeitraum werden Tarifmaßnahmen, laufende Partnerintegrationen, Migrationen spannender Marken in den Markt und insgesamt bessere Produkte ein sehr starkes Wachstum an Nutzung und Kundenpenetration bewirken. Erst nach 2012 kann man davon ausgehen, dass mobiles Internet Mainstream geworden ist, da sich bis da hin ein Generationswechsel in der Nutzung mobiler Endgeräte vollzogen hat. Dann jedoch eröffnet das mobile Web eine Vielzahl von Möglichkeiten, die denen des normalen Internet, wie wir es kennen, in Nichts nachstehen.