Den stärksten Einfluss auf das Erleben und Verhalten von Menschen auf Märkten und in Organisationen haben vermutlich Trends im sozialen und kulturellen Bereich.
Im Kurzabriss sind die für die Wirtschaftspsychologie besonders wesentlichen Trends:
- Alterung der Bevölkerung in den Industrienationen durch erhöhte Lebenserwartungen bzw. verringerte Sterblichkeit und niedrige Geburtenzahlen
Diese Alterung bewirkt vollkommen andere Nachfragemuster auf vielen direkt altersaffinen Märkten (z.B. Medikamente, Pflegedienstleistungen, Freizeitangebote, Hilfsmittel). Aber der Wandel erstreckt sich auch in ganz andere Bereiche hinein, wie Finanzdienstleistungen, Wohnungseinrichtung, Unterhaltungselektronik oder Automobile.
Auch im Personalbereich ist wegen der demographischen Entwicklung mit deutlichen Herausforderungen zu rechnen: z.B. Schwierigkeiten geeignete Bewerber zu finden, Anpassung der Arbeitsplätze und Prozesse an Bedürfnisse älterer Arbeitnehmer. - Veränderung des Erlebens und Verhaltens von Frauen und Männern
Zunehmende Berufstätigkeit von Frauen, Ausbleiben von Kindern und Verschiebung der Geburten in spätere Lebensabschnitte sowie andere Werte und Rollenideale verändern Märkte und die Herausforderungen im Personalbereich.
So wachsen die Tiefkühlregale und Fertignahrungsangebote und viele Märkte wie z.B. Urlaubsangebote (Individualreisen), Automobile (Roadster), Wohnung und Freizeit passen sich an.
Der Personalbereich profitiert durch eine wachsende und leistungsorientierte Mitarbeitergruppe.
Er ist aber auch mit hohen Karriereansprüchen von Frauen konfrontiert, die sich auch in politischer Willensäußerung (z.B. über Quoten) kund tun, wo einzelne nicht von selbst ihrem eigenen Anspruch gerecht werden. - Auflösung der Familien und Trend zum Single-Haushalt in den Industrienationen (Deutschland über 30%, USA ca. 50%)
Die Entwicklung von der Großfamilie, zur Kernfamilie bis hin zum heutigen Bild mit lebenslangen Singles, hohen Scheidungsraten, Patchworkfamilien und Alleinerziehenden hat als Endergebnis eine zunehmend individualisierte Gesellschaft.
Das beeinflusst natürlich massiv die Märkte: Kleine Wohnungen, Kleinpackungen, andere Autos und Freizeitaktivitäten sind nur einige der Konsequenzen.
Im Personalbereich wurde dadurch eine wachsende mobile und flexible Mitarbeitergruppe ermöglicht, die ohne Bindungen ins Ausland kann und flexibel auf hohe Arbeitsbelastungen reagieren kann. - Ethnisch diverse Populationen
Durch politische Liberalisierung und Öffnung sowie günstige Transport- und Reisemöglichkeiten sind weltweit kulturell heterogene Bevölkerungen in den Nationalstaaten entstanden. Das betrifft nicht nur klassische multi-ethnische Staaten, sondern auch Länder wie Deutschland haben mittlerweile Bevölkerungsanteile von 20 Prozent und mehr mit Migrationshintergrund.
Gerade wenn die ursprüngliche Kultur weitergelebt wird, betrifft dies das Erleben und Verhalten auf Märkten (z.B. andere Essgewohnheiten, anderes Freizeitverhalten).
Auch im Personalbereich gilt es sich einzustellen auf verschiedene Kulturen mit unterschiedlichsten Werten, durchschnittlichen Qualifikationsniveaus, Moralvorstellungen, Arbeitseinstellungen, Familienplanungen und Karrierewünschen.
Eine Unzahl weiterer Trends beeinflusst Märkte und Organisationen. Dazu gehören ein weltweiter Bevölkerungsanstieg (über 7 Mrd. im Jahr 2010 und voraussichtlich über 8 Mrd. bis zum Jahr 2025), wachsende Arbeitsanteile zu Hause, Verstädterung, Druck zu gesellschaftlicher Verantwortung, Trend zu mehr Bildung. Alle diese sozio-kulturellen Entwicklungen haben starke Auswirkungen auf das Feld der Wirtschaftspsychologie. So führt etwa die Bildungsgesellschaft zu einem wachsenden Bildungsmarkt, was Hochschulen, Lehrinhalte, Berufsbilder und das Arbeitsleben nachhaltig beeinflusst.
Die folgenden Kapitel diskutieren einzelne der sozio-kulturellen Trends intensiver.