6. Alterung der Gesellschaft

Niedrige Geburtenraten, höhere Lebenserwartung und geringere Sterblichkeit führen zu einer Alterung in vielen Industriegesellschaften.
Davon ist auch Deutschland stark betroffen.

Mittlerweile liegt die Geburtenrate pro Frau bei nur noch 1,36 Kindern, statt der knapp über zwei Kinder, die für einen gleichmäßigen Fortbestand der Population ohne Zu- und Abwanderung notwendig wären (Daten zu 2009, Statistisches Bundesamt, 2011).

Zusätzlich ist die Lebenserwartung in Deutschland von Frauen bei der Geburt mittlerweile bei über 80 Jahren, bei Männern knapp unter 80 Jahren.

 

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Abbildung: Entwicklung der Lebenserwartung bei der Geburt (Statistisches Bundesamt, 2011)

Als Konsequenz ist der Anteil der über 65-jährigen in Deutschland bereits bei über 20 Prozent (Statistisches Bundesamt, 2011).
Eine Entwicklung, die sich im Trend sogar noch beschleunigt.

 

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Abbildung: Anteil der über 65-jährigen an der Bevölkerung in Deutschland (bis 1980 nur Westdeutschland)

 

Obwohl diese Entwicklung sich bereits lange abzeichnet, wurde sie von der Politik aber auch von Unternehmen im Marketing und im Personalbereich lange nahezu ignoriert. Auch die Wirtschaftspsychologie hat sich noch nicht im erforderlichen Umfang mit den Herausforderungen bei älteren Konsumenten und mit älteren Mitarbeitern beschäftigt.
Es lohnt sich aber durchaus ältere Personen genau zu untersuchen, da das Erleben und Verhalten stark unterschiedlich ist.
Hier werden einige für die Wirtschaftspsychologie wesentliche Besonderheiten älterer Personen angeführt:

  • Im Laufe des Alters nehmen physiologische Fähigkeiten ab. Das betrifft zum einen das Sehen.
    Die Pupille wird kleiner und die Linse trübt sich gelblich.
    Die Sicht wird dadurch besser für warme Farben . Zudem haben ältere Konsumenten weniger Detailsicht.
    Kontrastabnahme und Zentralisierung des Gesichtsfeldes (Tunnelblick) sind weitere Effekte des Alters.
  • Auch das Hören wird durch den Alterungsprozess beeinflusst.
    Ein geringeres Vermögen besonders bei niedrigen Frequenzen und die erhöhte Empfindlich für Hintergrundgeräusche sind beispielsweise Symptome in diesem Bereich.
  • Die Motorik verändert sich ebenfalls mit fortschreitendem Alter. Ältere Personen sind langsamer, haben vergleichsweise langsame Reaktionen und eine reduzierte Feinmotorik.
  • Konkrete psychologische Veränderungen mit dem Alter sind vor allem bei der Verarbeitung der wahrgenommenen Information, dem Gedächtnis und dem Entscheidungsverhalten festzustellen.
    Langsamere Informationsverarbeitung, schlechtere Lernfähigkeit und Gedächtnis sind mit zunehmendem Lebensalter die Konsequenzen.
    Ältere Personen treffen auch zunehmend weniger komplexe Entscheidungen, zeigen Orientierung an einfachen Heuristiken und Gewohnheiten und treffen verstärkt affektive Entscheidungen.

All diese Aspekte haben starke Auswirkungen auf das Erleben und Verhalten von Menschen im Marketing- und Personalkontext.
Man muss sich dazu nur einmal überlegen welche Auswirkungen diese genannten Aspekte auf die optimale Gestaltung von Werbeprospekten, Mobiltelefonen oder die Tätigkeitsfelder einer Mitarbeiterstelle haben, wenn diese für ältere Menschen optimiert werden sollen.

 

Bei einer genauen Betrachtung der Forschungsergebnisse fällt auch auf:  Die simple Bezeichnung “alt” ist viel zu undifferenziert.
So richtet sich Forschung über ältere Konsumenten meist an viel älteren Gruppen aus (oftmals jenseits der 70 Jahre) als Forschung zu älteren Mitarbeitern (oft schon Personen über 45 Jahre).
Daher ist es mitunter durchaus sinnvoll, hier weiter aus zu differenzieren, etwa in Zehn-Jahresschritten, wie das in folgender Abbildung dargestellt ist.

 

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Abbildung: Differenzierung älterer Personen in Altersgruppen

 

Im Folgenden soll auf die Auswirkungen der Alterung in der deutschen Gesellschaft auf das Verhalten auf Märkten und im Personalbereich eingegangen werden.