6. Mixed-Mode-Surveys als Möglichkeit Non-Response zu kompensieren

Das Noncontact-Problem verschärft sich zunehmend.

Die Non-Response-Raten steigen auch aufgrund der immer schwieriger werdenden Erreichbarkeit. Das bedeutet, dass die unterschiedlichen Zielpersonen über ein und denselben Kontakt- und Befragungsmodus meist nicht mehr vollständig zu erreichen sind.

Weitere Gründe liegen bei der Zielperson, die etwa eine bestimmte Befragungsform präferiert, oder am Thema, das für einige allein und in Ruhe leichter zu beantworten ist. Andere hingegen haben die kognitiven Fähigkeiten, dies auch spontan am Telefon zu tun. Einige bevorzugen den Face-to-Face-Kontakt und verneinen grundsätzlich telefonische Auskünfte. Andere wiederum möchten sich nicht die Mühe machen, zu einem Interviewtermin zu gehen oder jemand Fremden ins Haus zu lassen, so dass sie das Telefon als Kommunikationsmedium für Befragungen bevorzugen.

 

Aufgrund dieser zunehmend schwieriger werdenden Ausgangsposition, kann die Kombination verschiedener Erhebungsmethoden (beispielsweise Online-, Telefon- oder postalische Befragungen) im Zuge eines Befragungsprozesses eine Lösung darstellen. Eine Lösung für dieses Problem bietet der Mixed-Mode-Ansatz, der in solchen Fällen in Erwägung gezogen werden sollte. Mit diesem hat man die Möglichkeit, die Schwachstellen jeder einzelnen Erhebungsmethode zu kompensieren und nur die Stärken zu vereinen. Das Ergebnis sind verschiedene Befragungsformen, die jeweils auf die Zielgruppe angepasst sind und für ein und dieselbe Studie und ein und dasselbe Forschungsproblem miteinander vereint werden.

 

Bei der Anwendung jedoch treten Herausforderungen auf.

Befragungspersonen geben oft in verschiedenen Befragungssituationen und -Modi unterschiedliche Antworten auf dieselbe Frage.

  • Ein wichtiger Grund ist der Interviewereinfluss. Dieser führt z.B. zum Phänomen der sozialen Erwünschtheit. Das bedeutet, seine eigene Meinung an die Anderer anzupassen, bzw. einer Aussage eher zuzustimmen als diese abzulehnen. Daher sollten „Agree-Disagree-Fragen“ sehr vorsichtig eingesetzt werden. Dies gilt für persönliche Interviews stärker als für schriftliche Befragungen.
  • Zum anderen besteht die Tendenz, dass bei unterschiedlichen Befragungsformen sich die Fragen oder Antwortkategorien unterscheiden. Etwa werden in persönlichen oder telefonischen Interviews häufig keine „weiss nicht“-Antworten angegeben. Wenn diese aber spontan vom Befragten gegeben wird, so wird sie dennoch angenommen.
  • Darüber hinaus werden Skalen-Formate unterschiedlich bewertet, wenn sie visuell vorliegen oder nur vorgelesen werden.
  • Auch die Zeit, die für die Beantwortung zur Verfügung steht ist bei persönlichen Befragungen deutlich kürzer als bei schriftlichen Fragebögen, die der Befragte selbst ausfüllen kann. So können sich spontane von überlegten Antworten unterscheiden und zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
  • Reihenstellungseffekte sind in selbst-administrierten Fragebögen ebenfalls nicht so stark ausgeprägt, wie in mündlichen Interviews. Denn der Befragte hat genug Zeit, sich alle Fragen erst mal ausführlich durchzulesen, bevor er mit der Beantwortung beginnt. In mündlichen Gesprächen ist die Gefahr solcher Reihenstellungs- und Ausstrahlungseffekte also größer.

 

Im Folgenden werden einige Mixed-Mode-Ansätze mit ihren Schwachstellen vorgestellt:

  • Die bekannteste Art von Mixed-Mode-Surveys ist die Anwendung verschiedener Methoden bei verschiedenen Zielpersonen, um dieselben Fragen beantwortet zu bekommen. Ziel ist es meist, die Kosten gering zu halten indem die günstigste Methode zuerst angewandt wird und teurere Methoden erst dann gebraucht werden, wenn bestimmte Personen nicht darauf geantwortet haben, oder es ablehnen, auf diese Art der Befragung zu antworten. Diese werden per Nachfassaktion auf einem anderen Kommunikationskanal kontaktiert, um die gewünschte Response-Rate zu erreichen.
  • Die zweite Variante kommt so zustande, dass der Forscher bei der ersten Erhebung nur eine bestimmte Auswahlgrundlage hat, und seine Vorgehensweise danach ausrichten muss. Beispielsweise sind nur die Adressen, jedoch keine Telefonnummern der Zielpersonen bekannt. Daher muss zunächst eine schriftliche Befragung durchgeführt werden. In dieser Erstbefragung können Informationen der befragten Personen eingeholt werden, wie etwa E-Mail Adresse, oder Telefonnummern, um diese dann in Folgestudien als Auswahl- und Kontaktgrundlage verwenden zu können.
    Besonders bei Längsschnittstudien können so Personen, die einst leicht persönlich erreichbar waren, etwa Studenten, auch nach Jahren noch per E-Mail oder Telefon kontaktiert werden, auch wenn sie geografisch weiter entfernt leben als zuvor. Wie auch bei der ersten Variante, kann es hier zu Differenzen in den Antworten kommen, ausgelöst durch die unterschiedlichen Befragungsmodi. Die Ergebnisse der einzelnen Längsschnitterhebungen sind somit nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar.
  • Eine weitere Möglichkeit von Mixed-Mode-Surveys ist es, von derselben Befragungsperson verschiedenen Daten und Informationen einzuholen, zum selben Befragungszeitpunkt. Es wird also eine Querschnittstudie durchgeführt, die verschiedene Sachverhalte von denselben Personen erfragt. Etwa wird diese gebeten, nach einem persönlichen Interview noch einen Fragebogen auszufüllen. Dies wird oft gemacht, wenn zusätzlich heikle Fragen beantwortet werden sollen, was in einer Interviewersituation nicht unproblematisch ist. Der Vorteil hierbei ist eine Verringerung des Effekts der sozialen Erwünschtheit und der Item Non-Response. Die Nachteile der ersten beiden Varianten in Form von Messfehlern werden hier zum Vorteil.
  • Das Problem unterschiedlicher Ergebnisse zweier Messungen tritt aber erneut bei folgender Vorgehensweise auf. Und zwar, wenn auf unterschiedliche Weise erhoben Daten in unterschiedlichen Populationen miteinander verglichen werden sollen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn Studien verschiedener Forschungseinrichtungen miteinander verglichen werden, bei denen anfänglich ein Vergleich nicht beabsichtigt war. Motive für solche Vorgehensweisen können Kosteneinsparungen sein oder Bequemlichkeit, eine Studie nicht erneut durchführen zu müssen.
  • Eine fünfte Variante beinhaltet ausschließlich Vorteile in Form von besserer Stichprobenausschöpfung (Coverage) und höherer Antwortqualität. Im Sinne einer letzten Nachfassaktion kann bei dieser Version der Mixed-Mode-Survey ein Telefonanruf dazu dienen, die Teilnahme an einer schriftlichen Befragung anzuregen.

 

Fazit: Mixed-Mode-Surveys lösen also nicht nur Probleme der Erreichbarkeit und können Teilnahmequoten begünstigen. Sie bringen wiederum eigene Probleme und Fehlerquellen mit sich.