5. Projektive Verfahren in der Marktforschung

Projektive Verfahren erfassen die nicht direkt zugänglichen impliziten Einstellungen einer Person zum Untersuchungsgegenstand.

 

Wann sollten Projektive Verfahren eingesetzt werden?
Der Einsatz projektiver Befragungsarten dient dazu, Nachteile direkter Befragungsmethoden wie beispielsweise die Gefahr der Antwort nach sozialer Erwünschtheit zu verringern. Immer wenn unehrliche Antworten oder weitgehende Unbewusstheit der Einstellungen angenommen werden kann, sollten Projektive Verfahren verwendet werden.

 

Doris Lange, Projektleiterin, Gruppe Nymphenburg
„Indirekte Verfahren lassen viel vom Unterbewusstsein zu Tage treten (von dem wir ja stark gesteuert werden), verhindern sozial erwünschte (oft falsche) Angaben und decken Widersprüche zwischen Sagen/Behaupten und dem Verhalten auf. Sie verblüffen oft die quantitativ ausgerichteten Statistik-Experten durch noch realistischere Ergebnisse und tiefere Einblicke, die für Unternehmen größeren Nutzen bringen.
Indirekte Verfahren setzt man daher besonders ein bei „sensiblen“ Themen, bei denen man sich nicht recht traut, die Wahrheit zu sagen. Hier spricht man lieber über andere Personen oder lässt die Phantasie spielen. Besonders hilfreich sind diese Verfahren bei Zielgruppen, denen es schwierig ist, die richtigen Worte zu finden.“

Der Ablauf besteht darin, dass die befragte Person eigene Charakteristika und Einstellungen, auf andere, dritte Personen oder Objekte bezieht.Projektive Verfahren sind in der Regel weitgehend nicht durchschaubar für die Versuchsperson, werden in den Antworten daher nicht rational verzerrt und reduzieren so die Reaktivität.

 

Die Interpretation dieser Verfahren ist naturgemäß aufwändiger als von direkten Befragungen, bedarf komplexer Auswertungsprozesse und häufig geschulter Psychologen.

 

Doris Lange, Projektleiterin, Gruppe Nymphenburg
„Bei projektiven Methoden gibt es einige besonders wichtige Aspekte, die bei Durchführung und Auswertung zu beachten sind:

  • Diese Verfahren sollte auf keinen Fall ein Laie durchführen. Jeder muss so gut wie möglich vorbereitet sein, sowohl auf den geplanten Ablauf wie auch auf mögliche Killerphrasen durch Auftraggeber, die vielleicht nur hinter der Spiegelwand zuschauen wollen. Kurz: Handwerkszeug können!

  • Durchführung, Auswertung und Interpretation am besten durch eine Person, (die so weit wie möglich ins Projekt involviert ist).

  • Umfassende Einbindung: Beim Ablauf des Projekts sollte man in so viele Schritte wie möglich einbezogen sein – nichts ist schlimmer, als dass man zum Beispiel aus Zeitnot plötzlich eine Textanalyse (womöglich auch nur einzelne Fragen!) durchführen soll, ohne den Kontext zu kennen. Der Gesamtzusammenhang ist verloren und Missinterpretationen vorprogrammiert.

  • Bei der inhaltlichen Textanalyse sollte sowohl vertikal als auch horizontal (Querdenken!) analysiert werden, man sollte nicht im Detail versinken und ggf. nach Zielgruppenunterschieden analysieren oder Gemeinsamkeiten heraus filtern.

  • Ein Vergleich mit quantitativen Ergebnissen oder anderen Methoden, die auch eingesetzt wurden, als Controllingmaßnahme.“

 

Projektive Methoden lassen sich nach dem Ausmaß ihrer Strukturierung abgrenzen:

  • Bei den Ergänzungstechniken soll unvollständiges vorgegebenes Stimulusmaterial von den Versuchsteilnehmern knapp ergänzt werden.
  • Bei den Konstruktionstechniken wird den Teilnehmern ein Stimulus vorgelegt, um den sie selbständig eine umfangreichere Aussage konstruieren sollen.
  • Bei den Ausdruckstechniken sollen die Befragten selbständig zu einem Thema etwas frei entwickeln.  Dies ist die anspruchsvollste Gruppe an projektiven Forschungsmethoden. Hier werden sowohl der Weg als auch das Ergebnis beachtet.