7. Forschung im Web 2.0

Bis Ende der 90er Jahre waren die Einwahl- sowie Nutzungskosten sehr hoch und somit die Nutzung des Internet und seiner Dienste ein Opfer der Telefonrechnung. Daher konnte sich dieses Medium nur sehr langsam etablieren. Auch durch die strenge Tarifpolitik seitens der Internetanbieter ging die Entwicklung nur sehr schleppend voran.

Heutzutage selbstverständliche Aktivitäten, wie Surfen, Bloggen und das Hochladen von Foto- und Videodateien waren zur damaligen Zeit mit einem großen Zeitaufwand verbunden. Einerseits war es zu teuer, andererseits benötigten diese Vorgänge aufgrund der geringen Bandbreiten zu viel Zeit. Bezeichnet man den Zustand des Web bis dato, wird in der Literatur oftmals von der Version 1.0 gesprochen. Im Jahre 1998 surften lediglich 10,4% der deutschen Bevölkerung im World Wide Web (WWW). Begünstigt durch die Einführung von Pauschaltarifen (Flatrates) zur Jahrtausendwende wurde die Entwicklung des Internets rasant beschleunigt. Somit stieg die Zahl der Online-Nutzer auf 28,6% im Jahr 2000. Heute sind mittlerweile über zwei Drittel der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren im Netz aktiv.

Anfangs noch mit ISDN-Geschwindigkeit, bewegten sich die Nutzer schon bald mit breitbandigen Zugängen durch das Netz. Die beiden Faktoren, Breitband und Flatrate, beseitigten die Zutrittsbarrieren zum WWW und begünstigten dessen schnelle Entwicklung. Die Nutzer brauchten sich nunmehr keine Gedanken um Zeit und Datenvolumen zu machen. Aufgrund der vereinfachten Bedienung vieler Online-Anwendungen konnten sie sich nun mit den Strukturen und Verhaltensweisen im Internet vertraut machen.

Was macht das Web 2.0 aus?

Durch die Einfachheit der Publikation von Texten, Bildern, Video und Audio wurden die ehemaligen Empfänger zu Sendern, die das World Wide Web nutzten, um sich zu informieren, in Communities einzutreten, Blogbeiträge zu verfassen oder ihr Wissen in öffentlichen Wikis zu teilen.
Ein oft genannter Begriff ist der Prosument, eine Wortneuschöpfung aus Konsument und Produzent. Nicht nur in Bezug auf Güter und Produkte trifft dieser Name zu, auch für Aktivitäten im Web 2.0. Kommunikationssystem, wie Mail oder Chat (Web 2.0: Social Software), Tagebücher in Form persönlicher Homepages (Web 2.0: Blogs), Foren und Interessensgemeinschaften (Web 2.0: Portale und Communities). Zwar gab es nachweislich eine bewusste Auseinandersetzung der Gesellschaft mit den neu vorhandenen Interaktionsmöglichkeiten, dennoch sollte beim Begriff Web 2.0 nicht von einer Revolution, sondern eher von einer Evolution gesprochen werden. Das Web 2.0 ist kein Standard, der von einer Gruppe Experten verabschiedet wurde, sondern entstand aus den Bemühungen der Nutzer und ist somit kein fest definierbares Gebilde.

Was bedeutet die Entwicklung des Internet und des Web 2.0 für die moderne Marktforschung?

Im Folgenden soll diese Frage beantwortet, die Instrumentarien der Online-Marktforschung veranschaulicht und deren Chancen und Grenzen aufgezeigt werden.

„User Generated Content“, meint Medien, wie Blogs, Foreneinträge, Wikis und soziale Netzwerke, so genannte Social Communities. Diese Plattformen dienen dem Austausch von Meinungen und Interessen, auf privater oder professioneller Ebene. Der kommunikative Austausch in Communities ist unverfälscht, aktuell und ehrlich. Das macht ihn wertvoll für die Marktforschung.

So sind Stimmungen der Konsumenten bei verschiedenen Produkte direkt ablesbar. Für die Marktforschung bieten sie somit einen direkten Weg zur Kundenmeinung. Der Vorteil liegt in der unbeeinflussten und praxisnahen Kommunikation unter Konsumenten. Allein durch die künstliche Situation von Befragungen können solch authentische Aussagen nicht gewonnen werden. Vor allem die kommerzielle Marktforschung sieht darin eine große Chance, das neue Internet zu nutzen.

Um jedoch die ungeheure Fülle von Inhalten und Informationen, die Internetnutzer täglich ins Netz stellen, analysieren und auswerten zu können, müssen wiederum neue Methoden und Instrumente eingesetzt werden. So genannte Web-Scanner sollen die Suche nach qualitativ verwertbaren und quantitativ zählbaren Informationen erleichtern und automatisieren. Momentan steckt dieses Vorgehen noch in den Kinderschuhen, entwickelt sich allerdings sehr dynamisch. Es besteht ein starkes Interesse der Marktforscher und ihrer Kunden nach Möglichkeiten einer Überprüfung des Meinungsbildes im Internet. Web-Monitoring und Web-Mining sind Schlagworte für diese Methoden. Das Vorgehen ist quantitativ als auch qualitativ. Bestimmte Begriffe werden mengenmäßig erfasst und auf ihre Qualität hin inhaltlich überprüft.

Mal angenommen, ich bin Marketingmanager bei BMW und möchte wissen: Wird denn über mein neues Produkt im Internet überhaupt geredet? Da gibt es Softwarepakete, die dann das Internet nach bestimmten Dingen durchforsten und eigentlich nichts anderes machen als ein Marktforscher, nämlich Daten zu sammeln und auszuwerten. Den Befragten – wie man das ursprünglich im Studium gelernt hat – gibt es dann nicht mehr. Das ist definitiv ein neuer Bereich und geht von der klassischen Marktforschung schon relativ weit weg. Die Möglichkeiten sind hier enorm. Aber das geht dann auch eher in Richtung Inhaltsanalyse und Beobachtung.Christian Clausnitzer – Senior Projektleiter, IconKids & Youth

 Fazit

Komplementär und qualitativ – das ist der Charakter, der die Web 2.0 Online-Marktforschung nach vorherrschender Meinung in Zukunft tragen wird. Qualitativ, da diese Methoden gerade im Web 2.0 immer wichtiger werden. Komplementär, da die Online-Forschung, die Offline-Methoden der traditionellen Marktforschung auch in absehbarer Zukunft nicht verdrängen wird, egal ob sie nun „klassisch“ über Internet-Befragungen oder im neuen Web 2.0 stattfindet. Vielmehr werden die genannten Web 2.0-Methoden die bisherigen Methoden unterstützen. Insgesamt zeigt sich, dass im Online-Bereich noch sehr viel Forschungspotenzial steckt und immer wieder auftauchende neue Methoden zunächst empirisch und praktisch auf die Anwendbarkeit und Validität überprüft werden sollten.