9. Physiologische Methoden in der Marktforschung

Eine  wichtige Gruppe der technischen Verfahren zur Messung von Erleben und Verhalten im Marktforschungskontext, sind die sogenannten physiologischen Verfahren. Physiologische Verfahren können wertvolle Informationen zu Wirkungen von Werbung, Marken oder Produkten liefern.
Anwendung finden physiologische Verfahren schwerpunktmäßig in der Werbewirkungsforschung. Wichtig für eine Werbung ist beispielsweise, dass sie den Betrachter in einem angemessenen Maß aktiviert (Allgemeine Aktivierung – Arousal), so dass dieser die Informationen auch aufnimmt. Aber: Zu viel Aktivierung durch stark von der eigentlichen Werbung ablenkende Elemente wie beispielsweise zu viel nackte Haut oder Gewalt sollte allerdings verhindert werden. Es entsteht sonst der so genannte Vampireffekt: Die Aufmerksamkeit des Betrachters geht in die falsche Richtung, nicht auf das beworbene Produkt, sondern auf den aktivierenden Stimulus. Für die Messung der allgemeinen Aktivierung eignen sich am besten physiologische Verfahren.
Im Folgenden werden die wesentlichsten physiologischen Verfahren der Marktpsychologie dargestellt.

 

  • Elektrodermale Verfahren messen die Veränderungen des elektrischen Hautleitwiderstandes. Der Versuchsperson wird ein Gegenstand gezeigt und durch eine Elektrode an den Fingern kann gemessen werden, ob sich auf Grund der Darbietung die Sekretion der Schweißdrüsen verändert. Je geringer der Hautleitwiderstand wird, desto größer ist die allgemeine Aktivierung (Reaktion des autonomen Nervensystems) einer Person. Das hat positive Auswirkungen auf emotionales Erleben, Aufmerksamkeit und Gedächtnis. Der Versuchsperson werden beispielsweise verschiedene Werbeanzeigen gezeigt und die Veränderungen aufgrund der Aktivierung durch jede Anzeige werden aufgezeichnet.
  • Auch direkt am Gehirn lassen sich physiologische Indikatoren für psychologische Prozesse erheben.
    Das Elektroenzephalogramm (EEG) kann die Reaktion auf eine Werbeanzeige durch an der Kopfhaut angebrachte Elektroden im Sinne von Potenzialschwankungen des Gehirns aufzeichnen.
    Mit der Funktionellen Magnetresonanztomographie – dem „Functional Magnet Resonance Imaging“ (fMRI) – lässt sich direkt erkennen in welchen Regionen des Gehirns viel Sauerstoff verbraucht wird. Dieses Verfahren wird in der Neuro-Forschung genutzt. Die Neuropsychologie untersucht so, wie Kaufentscheidungen im menschlichen Gehirn entstehen und vor allem, wie man sie beeinflussen kann. Mit diesen so genannten bildgebenden Verfahren versucht man, die menschlichen Entscheidungsabläufe im Gehirn besser zu verstehen.
  • Bei der Pupillometrie wird bei der Versuchsperson mit dem so genannten Pupillometer -einer Filmkamera- gemessen, wie sich der Pupillendurchmesser verändert. Bei positiv empfundenem Reiz erweitern sich die Pupillen, bei negativ empfundenen Reizen verengen sich die Pupillen.
  • Eine Thermografie erhebt per Thermokamera die Veränderung der Infrarotlichtabstrahlung des Körpers.
    Durch den dargebotenen Reiz verändert sich die Oberflächentemperatur vor allem im Gesicht und gibt Aufschluss über die Aktivierungskraft des Reizes.
  • Fehlen andere Zugangsmöglichkeiten, können mit Stimmfrequenzanalysen Reaktionen erfasst werden. Eine Stimmfrequenzanalyse kann die emotionale Intensität eines Reizes anhand der Stimmfrequenzveränderung messen. Dieses Verfahren kann beispielsweise bei Telefonhotlines eine wesentliche Informationsquelle sein.
  • Der Blickverlauf der Versuchsperson bei Betrachten eines Bildes kann mit Verfahren der Blickregistrierung erfasst werden.
    Hier kann gemessen werden wie oft, wie lange und in welcher Reihenfolge eine Versuchsperson Elemente einer Homepage, eines Werbevideos oder einer Anzeige betrachtet.
    Ruht das Auge, spricht man von Fixationen. Bei Fixationen kann wahrgenommen werden. Bewegt sich das Auge von einer Fixation zur anderen, spricht man von Sakkaden. Während diesen Bewegungen findet keine Wahrnehmung statt. Die Auswertung erfolgt, indem ein Computer die Blicke meist mehrerer Probanden aufzeichnet und die Blickbewegung analysiert. Die Blicke der Probanden werden dann farbig über die Anzeige gelegt.