Ursprünglich wurde das Telefoninterview als Alternative zu persönlichen Interviews entwickelt.
In den USA gab es schon früh eine relativ hohe Telefondichte und niedrige Telefonkosten. Die Mentalität und die spezifischen Lebensverhältnisse in den USA begünstigten die Entwicklung von Telefonbefragungen. Zusätzlich wurden Hausbesuche wegen steigender Kriminalität immer weniger gern gesehen. Von ihren Anfängen in den 40er Jahren bis in die 70er Jahre hinein galt die Telefonbefragung noch als schnelle, billige und qualitativ minderwertige „quick and dirty“-Methode. Heute jedoch ist sie als Datenerhebungsinstrument in der Marktforschung nicht nur allgemein akzeptiert, sondern sogar vorherrschend. In Deutschland fand die gleiche Entwicklung statt, dies jedoch einige Jahre später. Heute wären also besonders so genannte „Blitzumfragen“ zu aktuellen Themen ohne Telefon nicht durchführbar.
Telefoninterviews werden mittlerweile fast immer computergestützt durchgeführt, CATI (Computer-Assisted-Telefone-Interview) genannt. Der Computer legt die Fragen vor und der Interviewer liest diese ab und gibt die Antworten sofort ein. Mitunter werden sogar Fragen bereits computerisiert vorgelesen, auch in der Stimme des Interviewers, der diese vorher eingesprochen hat.
Etabliert hat sich die Methode besonders bei Expertenbefragungen im gewerblichen Sektor (Firmen, Institutionen, Ärzte etc.).
Auch das Telefoninterview bringt Vorteile und Nachteile mit sich.
Vorteile des telefonischen Interviews sind zahlreich und haben zur dynamischen Entwicklung der letzten zehn Jahre beigetragen.
- Die geringen Kosten sind besonders relevant. Fehlversuche kosten fast nichts. Die Interviewer werden erheblich entlastet. Es muss kein Besuchsaufwand betrieben werden, es können mehr Daten pro Zeitaufwand erhoben werden. Wenn Interviewer räumlich zentralisiert arbeiten, fällt die Schulung und Steuerung sowie eine Kontrolle durch einfaches unbemerktes Hineinschalten eines Supervisors in das Gespräch leicht.
- Die Befragung verläuft schneller. Durch entsprechende Computerunterstützung können die Antworten direkt am Computer eingegeben werden und schnell ausgewertet werden.
- Die Stichprobenausschöpfung ist besser, als bei anderen Verfahren. Auch auf persönlichem Wege schlecht erreichbare Personen können durch Telefonbefragung leichter kontaktiert werden. Telefonbücher sind zwar keine gute Auswahlgrundlage und meist sehr schnell veraltet (durch häufige Umzüge, Neuanschlüsse etc. ). Außerdem sind viele Bürger nicht im Telefonbuch verzeichnet. So besteht etwa eine steigende Anzahl von Mobilfunk-Besitzern, welche gar keinen Festnetzanschluss mehr haben. Doch kann auch hier nach dem Zufallsprinzip vorgegangen werden. Per „Random-Digit-Dialing“ (RDD) werden einzelne Ziffern bei Telefonnummern per Zufallsgenerator variiert und durch Computer angerufen. Erst, wenn eine Nummer stimmt, wird der Interviewer zugeschaltet. So sind ohne weiteres auch Personen zu erreichen, die nicht verzeichnet sind. Erreicht man einen Haushalt, so gibt es wiederum mehrere Möglichkeiten, nach dem Zufallsprinzip vorzugehen. Der Schwedenschlüssel oder die so genannte „Last-Birthday-Methode“ sind hierfür ziemlich bekannt.
- Zudem kann der Frageverlauf am PC abhängig von den gegebenen Antworten gesteuert werden und die Fragen randomisiert vorgegeben werden, was Reihenstellungseffekte kontrollieren hilft. Auch hier befinden sich die Partner in gewohnter Umgebung.
Nachteile des telefonischen Interviews sind ebenfalls einige zu nennen.
- Einfache Telefon-Befragungen haben den Nachteil, dass meist nur wenige, einfache Fragen gestellt werden können bevor dieAufmerksamkeit des Befragten überstrapaziert wird.
- Ähnlich wie bei der Befragung Face-to-Face besteht auch hier ein Interviewereinfluss, wenn auch nicht so stark wie beim persönlichen Interview. Der Interviewereinfluss ist bei Telefon-Befragungen nicht so stark, jedoch wirkt sich auch hier die Sprechweise des Anrufers auf die Erwartungshaltung des Angerufenen positiv oder negativ aus. Es kann besonders bei dieser Art der Befragung zu verschiedenen Verzerrungen bei der Datenerhebung kommen. Um diese weitgehend zu vermeiden, gibt es die Möglichkeit, dass die Telefonate überwacht werden und sich ein Kontrolleur unbemerkt in die Gespräche einschaltet und zuhören kann. Zumindest bewusst in Kauf genommene Fehler des Interviewers können so minimiert werden.Telefonbefragungen sind zwar mündlich aber nicht persönlich. Das hat den Vorteil, dass die äußere Erscheinung des Interviewers keine Rolle spielt.
- Da das Interview auf Distanz stattfindet, kann die Situation vor Ort nicht kontrolliert werden. Ein Nachteil ist daher, dass aber auch der Befragte und dessen Umgebung nicht einsehbar sind. Nonverbale Reaktionen können nicht gemessen werden.
- Eine telefonische Anfrage lehnt man auch schneller ab als eine persönliche Anfrage. Die Anonymität ist bei Bekanntheit der Telefonnummer ebenfalls nicht sehr glaubhaft zu versichern.
- Bei der Flexibilität gibt es deutliche Einschränkungen: Für Fragestellungen, die visuelles Material, wie Werbebeispiele erfordern, ist das Telefoninterview nicht geeignet. Zudem können keine visuellen Hilfsmittel eingesetzt werden. Diese vorher per Post zu verschicken, ist eine Lösung, wird in der Praxis jedoch nur selten angewandt.
Ausblick:
Das Problem von hohen Non-Response-Raten trifft alle klassischen Befragungsformen. Ganz speziell ist zunehmend die wichtigste Methode davon betroffen, die Telefon-Befragung. Sowohl das Problem der Erreichbarkeit (Noncontacts) als auch Verweigerungsraten wirken sich immer stärker auf die Qualität der Daten aus.
Zwar sind die in den USA als Antwort auf telefonische Marketingaktivitäten entwickelten Techniken des Call Blockings in Deutschland bisher wenig verbreitet und auch die so genannte Robinsonliste betrifft nur einen geringen Teil der Bevölkerung.
Jedoch sind es überwiegend Anrufbeantworter, die zum Screenen der Anrufe benutzt werden, die der Marktforschung das Vorgehen erschweren.
Der seit Ende der 90er Jahre einsetzende Rückgang der Festnetzpenetrationsraten bereitet der telefonischen Befragung ernste Probleme. Der Anteil der Haushalte in Deutschland, die über keinen Festnetzanschluss mehr verfügen, steigt langsam aber zunehmend an. Mittlerweile sind schon etwa zehn Prozent aller Haushalte, die keinen Festnetzanschluss haben.
Eine der treibenden Kräfte ist die Zunahme der Mobilfunktelefonie. Sieht man sich die demographische Verteilung der ausschließlichen Mobilfunknutzer an, so sind dies einerseits gut gebildete junge Menschen, vor allem Studenten, für die ein Festnetzanschluss aufgrund ihrer Lebensumstände nicht erforderlich ist. Auf der anderen Seite sind es Angehörige der unteren sozialen Schichten, die sich aufgrund knapper Ressourcen die Doppelausstattung mit Festnetz und Mobilfunk nicht leisten können (Fuchs, 2007). Da diese beiden Gruppen demzufolge bei traditionellen Telefonbefragungen unterrepräsentiert sind, treten hier wachsende Coverage-Probleme auf, welche die Aussagekraft der Studien in Frage stellen.
Ein anderes Problem tritt dadurch auf, dass neben dem etablierten Festnetz auch neue Anbieter auf den Markt kommen, die so genannte Voice-over-IP-Dienste anbieten, die per Übertragungsprotokoll im IP-Netz, also über das Internet funktionieren. Das bekannteste System für diese Internettelefonie ist z.B. Skype. Das Problem hierbei ist, dass die Vergabe von Telefonnummern sich dort grundlegend vom klassischen Telefonnummernsystem unterscheidet, so dass die Stichprobenziehung mittels Random-Digit-Dialing nicht mehr zugänglich ist. Dies stellt für die Coverage und Noncontact-Probleme in den traditionellen Telefonstichproben zusätzliche Herausforderungen dar.