1. Repräsentativität von Stichproben in der Praxis

Repräsentativität ist immer wichtig aber nicht nicht immer gleich bedeutsam. Je nach Fragestellung kann sie mehr oder weniger zentrale Bedeutung haben.

 

Dr. Florian Bauer – Geschäftsführer, Vocatus
„Dinge, wie Repräsentativität und Ausschöpfungsquoten sollten immer vor dem Hintergrund gesehen werden, was ich den entscheiden möchte. „Wie einfach ist die Entscheidung die dahinter steht?“ Je spezieller die Fragestellung, desto wichtiger die Repräsentativität. Es sollte also kein Allgemeinproblem sein. Es ist eher eine Kinderfrage: „Ist das auch wirklich repräsentativ?“ Das sagt gar nichts aus. Repräsentativität hängt nur von der Art der Stichprobenziehung ab. Fertig.“

 

Welche Verfahren der Stichprobenerhebung sind am besten geeignet, um Repräsentativität in der Praxis zu gewährleisten?

 

Praxisfall: Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA 1936
Ein gutes und weit bekanntes Beispiel liefert hier die amerikanische Präsidentschaftswahl im Jahre 1936. Hierbei wurde der Öffentlichkeit demonstriert, dass viele Millionen verschickte Fragebögen zu einem falschen Ergebnis und wenige tausend Interviews mit repräsentativem Querschnitt zu der richtigen Prognose führten.

 

Damals lieferten sich der amerikanische Meinungsforscher George Gallup und die damals bekannte amerikanische Zeitschrift „Literary Digest“ einen Wettkampf um die besten Wahlprognosen.

Gallup führte ca. 1500 Interviews nach dem damals modernen Quoten-Stichprobenverfahren durch.

Literary Digest hingegen stützten ihre Prognose auf zehn Millionen ausgesandte Fragebogen an Bürger, deren Adressen im Verzeichnis „Telefon und Auto“ eingetragen waren.

Nachdem 2,4 Millionen Probestimmzettel zurück kamen stand für die Zeitschrift fest: der republikanische Kandidat Landon wird Präsident. Wie bekannt ist, gewann tatsächlich Franklin D. Roosevelt. Dies hatte Gallup vorhergesagt.

 

Dass Literary Digest sogar um 19 Prozent daneben lag, könnte einerseits an der geringen Rücklaufquote gelegen haben, viel wahrscheinlicher jedoch lag es an der stark selektiven Art der Stichprobenziehung. Telefon- und Autobesitzer, also alle im oben genannten Verzeichnis eingetragenen Personen, hatten zu dieser Zeit ein deutlich überdurchschnittliches Einkommen und deren politische Ausrichtung war weniger demokratisch.

 

Solche selektiven Stichproben verzerren das Ergebnis und stellen auch heute noch in der Praxis ein Problem dar. Ob Befragungen in der Fußgängerzone, TED-Umfragen oder Umfragen auf Nachrichtenhomepages, keine davon kann repräsentative Ergebnisse liefern.

 

„Während man früher der Meinung war, dass mit den bewussten Auswahlverfahren das Ziel der Repräsentativität am ehesten zu erreichen ist, wird heute genau die entgegen gesetzte Meinung vertreten. Danach gelten nur Zufallsstichproben als repräsentativ.“ (Buttler & Fickel, 2002, S. 32). Warum ist das so?

Axel Glemser – Head of Sampling, TNS Infratest
„Zufallsverfahren sind immer vorzuziehen, weil nur bei einem zufälligen Selektionsmuster die Ergebnisse von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit hoch gerechnet werden können. Die Möglichkeit Ergebnisse hoch zu rechnen und somit die Verwendung von Zufallsverfahren zeichnet sich dadurch aus, dass jedes Element der Grundgesamtheit eine berechenbare Wahrscheinlichkeit besitzt, die größer Null ist, in die Stichprobe zu gelangen.“

 

Eine Stichprobe soll nicht im Bezug auf bekannte, vorgegebene Kriterien repräsentativ sein, sondern im Bezug auf die unbekannten – und deshalb erst noch zu ermittelnden – Untersuchungsmerkmale. Auch wenn die Repräsentativität bei bekannten Vorgaben zu Repräsentativität bei den Untersuchungsmerkmalen führen kann, ist dies nicht zwangsläufig bei den unbekannten zu ermittelnden Merkmalen so.

Natürlich kann auch der Zufall im Einzelfall keine repräsentative Stichprobe garantieren, er hat jedoch im Vergleich zu den bewussten Verfahren den Vorteil, dass man die Genauigkeit des Verfahrens angeben kann, so dass deswegen die Zufallsverfahren als repräsentativ gelten.

 

Sollen repräsentative Zufallsstichproben gewonnen werden, ist in der Praxis das ADM-Master-Sample das gängige Verfahren. Es ist zur Ziehung von Bevölkerungsstichproben vom ADM – dem Arbeitskreis Deutscher Marktforschungsinstitute e.V. entwickelt worden. Dieses Verfahren ist in aller Regel die Grundlage von Forschungsdesigns in Deutschland bei Wahlumfragen, kommerzieller Markt- und Meinungsforschung oder sozialwissenschaftlichen Umfragen. Es wird unter anderem von der GfK, TNS Infratest und Emnid und neuerdings auch von der amtlichen Statistik genutzt. Es handelt sich um ein zwei- bzw. dreistufiges Auswahlverfahren zur Befragung von Haushalten bzw. Einzelpersonen.
Die Abbildung illustriert die Vorgehensweise, bei dem drei Auswahlen hintereinander geschaltet sind.

 

Ziehung_des_ADM_Mastersamples.png
Abbildung: Vorgehensweise zur Ziehung des ADM-Master-Samples (vgl. Kamenz, 2001, S. 139)

 

  1. Auf der ersten Stufe wird die Auswahl der amtlichen Wahlbezirke – der sogenannten Sampling Points – vorgenommen. Bevor die Stichprobe allerdings gezogen werden kann, findet eine Schichtung nach Kreisen und Gemeindegrößen statt. Die so entstandenen Schichten stellen die Auswahlgrundlage für die sich anschließende erste Stichprobenziehung dar. Die Größe der Wahlbezirke wird durch unterschiedliche Auswahlwahrscheinlichkeiten berücksichtigt. D.h. die Auswahlchance eines Sampling Points ist dabei proportional zur Anzahl seiner Haushalte.
  2. Auf der zweiten Stufe folgt die Auswahl der Haushalte. Diese Auswahl geschieht mit Hilfe der uneingeschränkten Zufallsauswahl. Sie kann angewendet werden, da die unterschiedliche Anzahl von Haushalten pro Sampling Point bereits auf der ersten Stufe (bei der Ziehung) proportional berücksichtigt wurde. Das Auswahlverfahren der uneingeschränkten Zufallsauswahl beruht auf der Random-Route-Methode, bei der ein Startpunkt in einer Stadt oder Region ausgewählt wird und von dem aus der Interviewer eine vorgegebene Laufroute einhalten muss.
  3. Auf der dritten und letzten Stufe findet die Auswahl der Haushaltsmitglieder statt, die letztendlich befragt werden sollen. Hierzu gibt es verschiedene Möglichkeiten, wobei die Geburtstagsregel die einfachste Variante darstellt und den Vorteil besitzt, dass keine Auflistung der im Haushalt lebenden Personen vorgenommen werden muss. Es wird vielmehr die Person des Haushaltes befragt, die als erste im Jahr Geburtstag hat. Alternativ kann z.B. auch die Person ausgewählt werden, deren Geburtstag die niedrigste Zahl zwischen 1 und 31 aufweist. Diese dritte Stufe ist nur dann erforderlich, wenn es um die Befragung einzelner Haushaltsmitglieder geht. Bei der Befragung von ganzen Haushalten ist das Verfahren lediglich zweistufig.