8. Auswertung von Daten in der Marktforschung

Nach oder auch schon während der Erhebung steht die Auswertung von Marktforschungsdaten. Im Prozess der Erhebung wurden bei Merkmalsträgern (meist Menschen einer Zielgruppe) Ausprägungen von Merkmalen (z.B. Geschlecht, Einstellungen oder Gedächtnisinhalte) gemessen und diesen Zahlen zugeordnet. Jetzt geht es darum diese Zahlen (oder auch andere Inhalte wie z.B. Texte) zu verarbeiten.

 

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Abbildung: Datenauswertung in der Marktforschung

 

In der Regel werden die Daten erst aufbereitet und dann ausgewertet.

Bei der Datenaufbereitung quantitativer Daten sind folgende Schritte sinnvoll:

  • Identifikation von fehlerhaften Fällen. Häufig sind einzelne Fälle in einem Datensatz fehlerhaft, beispielsweise weil jemand gar nicht hätte befragt werden sollen oder weil jemand unseriös antwortet. Diese Fälle gilt es zu identifizieren, um die Datenqualität sicherzustellen.
    Personen, die befragt wurden, obwohl sie nicht zur Stichprobe gehören sollten, kann man durch Testfragen identifizieren. Etwa indem man bei einer Untersuchung über Einstellung von Männern zu Haarfärbemitteln nach dem Geschlecht fragt und Frauen, die fälschlicherweise mitgemacht haben, aussortieren kann. Bei Onlineverfahren oder Telefonbefragungen kann dann sogar die Befragung zu einem frühen Zeitpunkt abgebrochen werden, indem Filterfragen gestellt werden.
    Personen, die unseriös antworten, kann man auf verschiedene Weisen identifizieren. Einerseits durch auffällige Antwortmuster, Kontrollfragen und Antwortkonsistenz. Zum Anderen bei Onlineerhebungen durch Messung von Antwortzeiten. Beantwortet jemand die Fragen schneller, als er sie gelesen haben kann, wird der Fall entfernt.
  • Identifikation fehlerhafter Datenzellen. Jeder macht Fehler, das gilt auch für Interviewer und Interviewpartner. So können einzelne Werte in einem Fragebogen fehlen. Nicht selten ist es beispielsweise bei Onlineerhebungen, dass jemand in der Mitte der Befragungaufhört, weil er unterbrochen wurde.
    Andere Angaben können offensichtlich falsch sein – etwa wenn jemand bei Alter 167 Jahre eingibt. Diese Daten gilt es zu identifizieren und zu entfernen, da sie sonst die Ergebnisse verfälschen können.
  • Schätzung fehlender Werte. Aus den Angaben die andere vergleichbare Personen gemacht haben kann man mittlerweile mit geeigneter Software relativ gute Annäherungen an die fehlenden Angaben einer anderen Person schätzen. Das wird häufig gemacht, um beispielsweise bestimmte  statistische Auswertungsverfahren einzusetzen, die vollständige Daten verlangen.
  • Gewichtung von Fällen. In den seltensten Fällen ist eine Stichprobe in der Praxis so beschaffen wie die Grundgesamtheit. So wird man häufig überproportional viele ältere Personen darin enthalten haben, da diese eher erreichbar sind und eher Zeit haben, bei Befragungen mitzuwirken. Entsprechend werden häufig die jüngeren Personen stärker gewichtet, um die Ergebnisse repräsentativer zu bekommen.
    Mitunter sind bestimmte Personen auch so wichtig, dass sie stärker berücksichtigt werden. Das können beispielsweise Meinungsführer oder Heavy-User sein.
  • Fusion von Datensätzen. Bei vielen Fragestellungen werden Daten aus verschiedene Quellen fusioniert bzw. gematched.
    So wird man bei einer Werbewirkungsstudie vielleicht eine Datenbank haben, in der enthalten ist, welcher Kunde, wann welche Werbungbekommen hat, eine zweite Datenbank haben in der enthalten ist wann er welches Produkt gekauft hat und eine dritte Datenbank haben in der man aus einer Befragung Einstellungen der Kunden zu Werbung und zu Medien kennt. Durch die Fusion der drei Datenquellen kann man  erst erkennen, welche Exposition und Frequenz von Werbung über welche Einstellungsänderungen zu welchen Kaufverhalten führt.

Die Auswertung der Daten selbst wird dann mit den Methoden der deskriptiven und induktiven Statistik oder mit entsprechenden deskriptiven Analyseverfahren für qualitative Daten geschehen.

 

Bei der Aufbereitung und Auswertung qualitativer Daten wird vollkommen anders vorgegangen.
Diese wird in einem gesonderten Kapitel beschrieben.

 

 

Barbara Primas – Leiterin der GfK Psychologie, GfK

Die Art der Auswertung ist ein schwieriges Thema! Denn tatsächlich ist die Auswertung qualitativer Methoden weniger theorie- sondern viel mehr sehr individuell und erfahrungsgetrieben. Ich kenne tatsächlich nicht ein theoretisches Werk, das die Analyse qualitativen Materials anschaulich und für jeden nachvollziehbar und – vor allem – anwendbar macht.

 

Unsere Analyse, unsere Schlussfolgerungen und Empfehlungen beruhen auf unserem gesamten psychologischen, soziologischen und marktwirtschaftlichen Wissen, sowie einer ganzen Menge von früheren Erfahrungen und sind dabei – leider – auch immer subjektiv.

Idealerweise arbeitet man deswegen nicht nur allein, sondern bespricht im Team, was man gehört und gesehen hat und wie man das nun interpretieren kann und sollte. Doch in der Praxis hat man leider oft kaum Zeit für diesen wichtigen Austausch.
Die Abhängigkeit von der Person des Forschers ist, was die qualitative Marktforschung so angreifbar für Kritik aus den quantitativen Reihen macht. Obwohl der Einfluss des Forschers in der Marktforschung ja möglichst gegen Null geführt werden soll, ist das bei uns definitiv nicht der Fall! Das macht es auch schwierig, zu delegieren. Wenn einer unserer Auftraggeber mit meiner Kollegin als Moderatorin und Projektleiterin sehr zufrieden war und ihr Reporting ihm sehr geholfen hat, will dieser Auftraggeber auch für die nächsten Projekte auf jeden Fall bei ihr bleiben. Denn, wer garantiert, dass die anderen, das genauso gut / bzw. in der gleichen Weise und mit den gleichen Augen machen…? Recht hat er! … Und das ist dann nicht selten in der Koordination ein Problem.

Daher die alte Weisheit: Qualitative Marktforschung lebt von den Personen!“

 

Die Auswertung erfolgt in der Praxis nach keinem einheitlichen Konzept. Oft besteht dabei ein Spannungsverhältnis zwischen Forscher und Auftraggeber.
Ein Problem insbesondere für die qualitative Marktforschung stellt der immense Zeit- und Kostendruck von Seiten der Auftraggeber dar. Diese wollen hauptsächlich die Key Insights und machen dabei die Qualität der Untersuchung an der Anzahl der ermittelten Insights fest. Sie möchten diese Insights am liebsten sofort nach der Datenerhebung erhalten. Für den Forscher sind die Insights jedoch das AHA-Erlebnis nach eingängiger Auswertung und Interpretation des erhobenen Materials, das Zeit braucht und den Charakter qualitativer Forschung ausmacht.