Das Einsatzspektrum der Beobachtungsverfahren orientiert sich an den Voraussetzungen von Beobachtungsverfahren und an den Vorteilen und Nachteilen gegenüber Verfahren der Befragung. Immer wenn die Voraussetzungen gegeben sind und Befragungen die Ergebnisse nicht schneller, ökonomischer und zuverlässiger liefern können, sollten Beobachtungsverfahren erwägt werden.
Zunächst stellt sich die Frage nach den Voraussetzungen zum Einsatz von Beobachtungsverfahren in der Marktforschung.
Beobachtung ist prinzipiell geeignet, wenn
- ein Ereignis tatsächlich beobachtbar ist (manifeste Variablen),
- das Ereignis häufig genug auftritt,
- das Ereignis nicht zu lange dauert (z.B. Besuch des Ladens eines Telekomanbieters geht aber Informations- und Entscheidungsphase beim Immobilienkauf geht nicht),
- das Ereignis prinzipiell der Beobachtung zugänglich ist,
- das Ereignis erst in Zukunft stattfindet,
- die Beobachtung im entsprechenden Forschungsgebiet als Erhebungsmethode juristisch unbedenklich ist,
- Versuchspersonen auf eine Befragung nicht antworten wollen,
- unehrliche Antworten auf eine Befragung wahrscheinlich sind,
- das Verhalten dem Bewusstsein gar nicht so zugänglich ist, dass Befragte vernünftige Angaben auf Fragen machen könnten
(z.B. „Wie viele Minuten sind Sie monatlich durchschnittlich beim Einkaufen?“).
Nicht immer, wenn die Voraussetzungen für Beobachtung in der Marktforschung gegeben sind, ist ein Einsatz auch wirklich sinnvoll.
Entscheidend ist, ob die Beobachtung in diesem konkreten Fall anderen Verfahren überlegen ist.
Dafür ist eine Diskussion der Vorteile und Nachteile hilfreich.
Beobachtungsverfahren haben einige Vorteile und Nachteile. Folgende Abbildung zeigt einen Überblick.
Abbildung: Vorteile und Nachteile der Beobachtung
- Beobachtung hat eine Reihe von Vorteilen. Hauptvorteil der Beobachtung ist, dass hier das wirkliche Verhalten direkt und aktuell abgegriffen wird und nicht lediglich abgefragtes Verhalten. Abfrage von Verhalten hat sich oftmals als unzuverlässig erwiesen, da Menschen vieles von ihrem Verhalten nicht bewusst vornehmen und oftmals auch nicht Auskunft erteilen wollen, bzw. sich stark verschätzen. Gruppen wie Kinder können mitunter noch überhaupt nicht zuverlässig Auskunft erteilen. Versuchsleitereffekte sind bei Beobachtungsverfahren ebenfalls geringer, zumindest, wenn die Beobachtung unbemerkt vorgenommen wird, was sehr oft der Fall ist und was bei Befragung nur schwer möglich ist.
Letztlich haben Beobachtungen eine hohe Reliabilität und Objektivität. Durch technische Aufzeichnungen kann die Objektivität und Reliabilität von Beobachtungen noch weiter erhöht werden. - Nachteile von Beobachtungen sind der oft hohe apparative Aufwand und das schwierige Arrangement der Beobachtungssituationen. So ist es beispielsweise nicht so einfach, das Blickverhalten von Menschen vor einem Regal zu messen.
Kernproblem ist, dass zwar das Verhalten erfasst wird, die Gründe dafür aber im Verborgenen bleiben und schwer zu erschließen sind. Zur Lösung dieser Herausforderung empfiehlt sich die Kombination von Verhaltensdaten mit Befragungsmethoden.
Auch die Auswertung erfordert häufig mehrere geschulte Codierer, die Verhalten nach bestimmten Ereignissen kategorisieren können. Entsprechend müssen die Kodierungssysteme erstellt werden und die Beobachter geschult werden. Darüber hinaus gibt es bei der Verhaltensbeobachtung juristische Einschränkungen. So darf etwa Telefonierverhalten nicht beliebig ausgewertet werden und daraus soziale Netzwerke und ähnliches heraus gerechnet werden. Auch die Aufzeichnung von Verhalten und das Filmen von Personen ist nicht überall gestattet.