1. Erhebungsverfahren der Marktforschung: Die Beobachtung

Beim Stichwort Marktforschung fallen meist automatisch Befragungsverfahren ein, kaum jemand denkt an die zahlreichen Beobachtungsmethoden. Zu Unrecht, denn hier besteht ein sehr dynamischer Bereich, der oftmals Informationen liefert, die anders nicht oder viel teurer und unzuverlässiger zu beschaffen sind.

Gerhild Abler – Sector Head Travel, Transport and Tourism, TNS Infratest

“Marktforscher sind Informationslieferanten und Informationskonsolidierer. Und diese Informationen müssen nicht zwangsläufig aus der Befragung kommen. Es können etwa Abzüge von einer Kundendatenbank und einer Buchungsmaschine sein, in Richtung Prozessdatenbank gehen, auch Verarbeitung von Protokollen die aus dem Handy ausgelesen werden etc.
Es geht darum, auch andere Informationsquellen als die klassischen zu entdecken.“

 

Wir alle sind Beobachter. Bei der naiven, auch unsystematisch genannten Beobachtung werden Sachverhalte und Situationen gelegentlich und ohne konkrete Planung erfasst. In der Regel handelt es sich hierbei um Alltagsbeobachtungen. Im Gegensatz dazu ist die wissenschaftliche Beobachtung die planmäßige Wahrnehmung bestimmter Sachverhalte, Ereignisse und Verhaltensweisen, die mit der Zielvorstellung verbunden sind, d.h. den jeweiligen Untersuchungsgegenstand möglichst systematisch zu erfassen.

 

Nicht jedes interessante Verhalten lässt sich abfragen. Häufig wissen Personen nicht über ihr Verhalten Bescheid. Wer weis z.B. genau wie viele Werbeinformationen er täglich sieht? Vieles, was Menschen als Verhaltensabsichten äußern, findet nie statt. Auch wollen Menschen häufig keine Auskünfte geben. Für aktives Verhalten ist daher die harte Beobachtung das Verfahren der Wahl. Für Erlebensprozesse ist eher die Befragungsowie die physiologischen und bildgebenden Verfahren der Beobachtung geeignet. Daneben aber tritt vor allem mit zunehmender Bedeutung des Internets eine Reihe von Beobachtungsmethoden zum Vorschein, die unter anderem das Nutzerverhalten studieren und Netzinhalte wie Foren oder Blogs auswerten.

 

Volker Dobler – Director Shopper und Consumer Research, Gruppe Nymphenburg

“Die Beobachtung dient in der Praxis meist der unbeeinflussten Messung eines Verhaltens. Bei der Beobachtung wird eine Aufgabe vorgegeben, oder sie ergibt sich aus dem natürlichen Umfeld und der Proband wird sich selbst überlassen, ohne durch eine dritte Person (Interviewer) gesteuert zu werden.


Typische Fragestellungen sind: Natürliches Verhalten in einer besonderen Situation erfassen, z.B. Einkaufsprozess, Usability-Tests oder Informationssuchverhalten.

Eine klare Festlegung des Untersuchungsziels und der zu beobachtenden Inhalte ist erfolgskritisch – es ist während der Beobachtung oder hinterher fast unmöglich, im Vorfeld nicht berücksichtigte Ziele durch die Beobachtung zu messen. Die Punkte, auf die man achtet, die gezählt, gemessen und beobachtet werden, müssen klar und eindeutig sein.
Auch immer dann, wenn eine Interaktion notwendig ist, ist eine reine Beobachtung schwierig. Beispiel: Man sieht, dass ein Produkt aus dem Regal genommen wird, und möchte jetzt nachfragen, wieso genau das entnommen wurde – d.h. jetzt müsste ein Frageteil folgen, der aber dann den restlichen Einkaufstrip stört oder unmöglich macht.


Beobachtungen finden meist in einer möglichst natürlichen Umgebung für den Beobachteten statt. Dadurch erhält man sehr realitätsnahe Ergebnisse.
Die Umgebung und die Rahmenbedingungen sind dafür so zu gestalten, dass die Messung des Verhaltens möglichst realistisch ist und dennoch die gestellten Ziele erreicht werden können. Beispiel: bei einem Shopping-Trip, muss an der richtigen Stelle (mit dem korrekten Licht, dem korrekten Blickwinkel etc.) eine Beobachtungsmöglichkeit (Kamera, Spiegel, etc.) installiert werden.  Das Schaffen der Voraussetzungen ist entsprechend schwierig. Die Möglichkeit der Beobachtung durch Kamera, Einwegspiegel etc. ist technisch sehr aufwendig und stößt teilweise auch an gesetzliche Grenzen.

 

Die Herangehensweise bei der Auswertung ist natürlich nicht immer gleich, stark von der Fragestellung abhängig. Normalerweise wird eine qualitative Studie auch qualitativ ausgewertet, d.h. man schaut sich jeden Befragten einzeln an und erstellt zu jedem Befragten ein Profil.
Quantitative Studien werden mit Zählungen von definierten Verhaltensweisen ausgewertet. Dafür gibt es ganz klare Codepläne und Checklisten mit einzelnen zu beobachtenden Verhaltensmustern.“